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Biologischer Abbau Raupe entwickelt Appetit auf Plastik

Eine Hobbyimkerin ärgert sich über kleine Raupen in ihrem Bienenstock. Doch dann fällt ihr auf, dass die Tiere Plastik fressen – und zwar verhältnismäßig fix. Ein tierischer Helfer im Kampf gegen die Plastikmüll-Berge?

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In Spanien wurde der bisher schnellste Plastikfresser entdeckt: Die Larven der Großen Wachsmotte verzehren den biologisch ansonsten kaum abbaubaren Kunststoff Polyethylen (PE). Quelle: dpa

Madrid Eine kleine Raupe kann handelsübliche Plastiktüten relativ zügig zersetzen. Die Larven der Großen Wachsmotte (Galleria mellonella) fressen den wohl am häufigsten verwendeten, biologisch kaum abbaubaren Kunststoff Polyethylen (PE), wie spanische Forscher im Fachmagazin Current Biology schreiben. Wegen der hohen Zersetzungsgeschwindigkeit habe der Fund „Potenzial für bedeutende biotechnologische Anwendungen“.

Die Entdeckung gelang durch einen Zufall. „Ich beschäftige mich beruflich mit Hühnerembryos, bin aber Hobby-Bienenzüchterin“, so Federica Bertocchini, die an der Studie beteiligt war. Bei der Säuberung eines Bienenstocks habe sie zu Hause im nordspanischen Santander plötzlich „diese Würmchen“ entdeckt. „Die ernähren sich von Pollenresten und sind für uns Imker wie die Pest.“

Die Italienerin warf die Larven in eine Plastiktüte. Und siehe da: „Nach einer Weile war der Beutel voller Löcher und die Larven draußen!“

Diese Beobachtung setzte die Forschungsarbeit der Wissenschaftlerin und ihrer Kollegen in Gange. Dabei fanden sie heraus, dass rund 100 Wachsmotten-Larven in 12 Stunden etwa 92 Milligramm einer normalen Einkaufstüte fressen können. „Das ist ein sehr schneller Abbau, schneller als alles, was zu diesem Thema bisher wissenschaftlich veröffentlicht wurde“, sagt Bertocchini.

„Wir vermuten, dass für diese schnelle Zersetzung ein Molekül oder Enzym verantwortlich ist, das wir zu isolieren versuchen werden.“ Dieses Enzym könne man dann in großen Umfang produzieren und es nutzen, um Plastikmüll abzubauen, hofft die junge Wissenschaftlerin.


Deutlich schneller als andere Plastikfresser

Auch andere Organismen wie Pilze oder Bakterien sind bekannt dafür, dass sie Kunststoffe abbauen können. Erst voriges Jahr wurde am japanischen Kyoto Institute of Technology ein Bakterium namens Ideonella sakaiensis entdeckt, das PET-Flaschen verdauen kann.

Doch wie andere zuvor entdeckte „Plastikfresser“ ist auch Ideonella weit davon entfernt, eine Lösung für das globale Problem mit dem Plastikmüll zu liefern. Unter optimalen Bedingungen und bei Temperaturen um die 30 Grad Celsius braucht es etwa sechs Wochen, um ein kleines Stück Polyethylenterephthalat (PET) zu zersetzen.

Da ist die Wachsmotten-Raupe beim Abbau von Polyethylen (PE) deutlich schneller. Dieses aus Erdöl hergestellte synthetische Polymer werde vor allem zur Herstellung von weltweit rund einer Billion Tüten pro Jahr benutzt, die insgesamt rund 60 Millionen Tonnen Plastik entsprächen, erklärt Bertocchini.

Plastik ist biologisch kaum abbaubar. Die Zersetzung kann mehrere Jahrhunderte dauern. Der Plastikmüll landet häufig in der Umwelt. Im Meer wird der Abfall von Fischen oder von Vögeln gefressen, die oft qualvoll an dem unverdaulichen Stoff verenden.

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