Biotechkonzern Alzheimer-Medikament von Biogen überzeugt trotz Nebenwirkungen

Das Mittel verlangsamt das Fortschreiten der Krankheit um 27 Prozent. Trotz teils starker Nebenwirkungen dürften die Hersteller nun bald die Zulassung beantragen.

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Biogen und sein japanischer Partner Eisai wollen schon in Kürze eine Zulassung in den USA für Lecanemab beantragen und planen auch Zulassungsanträge in Europa und Japan. Quelle: Reuters

Im September hatten der US-Biotechkonzerns Biogen und sein japanischer Partner Eisai Hoffnungen zu einem neuen Alzheimermedikament geweckt. Nun haben die Unternehmen die vollständigen Daten der mit Spannung erwarteten Studie veröffentlicht.

Sie untermauern zwar, dass das Mittel Lecanemab den kognitiven Verfall bei Alzheimer-Patienten im Frühstadium der Krankheit verlangsamt. Für bestimmte Patienten birgt die Behandlung mit dem Antikörper aber schwere Nebenwirkungen, wie aus den in der Nacht zum Mittwoch veröffentlichten Daten hervorgeht.

Denn bei fast 13 Prozent der rund 1800 Patienten umfassenden Studie, die sich über 18 Monate erstreckte, wurde Lecanemab mit einer gefährlichen Art von Gehirnschwellung in Verbindung gebracht. Bei einigen Studienteilnehmern traten auch Hirnblutungen auf – zwei Todesfälle von Patienten wurden darauf zurückgeführt.

Nach Einschätzung der Analysten von Jefferies ist der Gesamtnutzen des Medikaments im Verhältnis zum Risiko aber immer noch hoch. „Alle diese Amyloid-senkenden Medikamente bergen ein Risiko für vermehrte Hirnblutungen“, sagte Ronald Petersen von der Mayo Clinic im US-Bundesstaat Minnesota.

Er bezeichnete die Studienergebnisse als „ziemlich beeindruckend“. Die vollständigen Daten, die auf einem Alzheimer-Kongress in San Francisco vorgestellt wurden, bestätigten, dass Lecanemab das Fortschreiten der Krankheit um 27 Prozent im Vergleich zu einem Placebo verlangsamt. Das Mittel verlangsamte zudem den Rückgang bei Alltagsaktivitäten um 37 Prozent.

„Ich glaube, dass dies ein wichtiger Nutzen ist, der eine vollständige Zulassung rechtfertigen wird“, erklärte der Wissenschaftler Paul Aisen von der University of Southern California, der zu den Studienautoren zählt.

Bei den beiden Todesfällen handelt es sich um eine 65-jährige Frau, die nach einem Schlaganfall ein Medikament zur Auflösung von Blutgerinnseln erhielt sowie um einen 87-Jährigen, der einen Blutverdünner einnahm. „Derzeit würde ich zögern, dieses Medikament jemandem zu geben, der Blutverdünner nimmt“, sagte der Neurowissenschaftler Howard Fillit von der Alzheimer's Drug Discovery Foundation.

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Biogen und Eisai wollen schon in Kürze eine Zulassung in den USA für Lecanemab beantragen und planen auch Zulassungsanträge in Europa und Japan. Die US-Arzneimittelbehörde FDA wird voraussichtlich bis zum 6. Januar entscheiden, ob das Mittel im Rahmen ihres beschleunigten Prüfprogramms zugelassen wird.

Lichtblick für die Alzheimer-Forschung

Für die Alzheimer-Forschung sind die Studiendaten ein seltener Lichtblick. Erst kürzlich scheiterte der Antikörper Gantenerumab von Roche in zwei großangelegten klinischen Studien.

Lecanemab ist wie das Alzheimermittel Aduhelm der beiden Partner ein intravenös zu verabreichender Antikörper, der Amyloid-Ablagerungen entfernen soll. Eisai ist der Ansicht, dass die Studienergebnisse die seit langem bestehende Theorie bestätigen, wonach die Entfernung von Ablagerungen des Proteins Beta-Amyloid aus dem Gehirn von Menschen mit früher Alzheimer-Krankheit das Fortschreiten der Krankheit verzögern kann.

Laut Eisai war nach 18 Monaten bei 68 Prozent der mit Lecanemab behandelten Studienteilnehmer das Amyloid beseitigt. Das Medikament senkte auch die Konzentration von Tau-Protein, das zum Absterben der Nervenzellen beiträgt.

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Aduhelm war das erste neue Alzheimer-Medikament, das in den letzten 20 Jahren nach einer langen Reihe von Misserfolgen in der Branche auf den Markt kam. Seine Zulassung war allerdings heftig umstritten.

Nachdem die staatliche Krankenversicherung Medicare in den USA die Erstattung der Behandlung stark eingeschränkt hatte, hatte Biogen angekündigt, das Geschäft mit Aduhelm stark zurückzufahren. Der Zulassungsantrag für Europa war im April zurückgezogen worden.

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