Biotechnologie Können Bakterien Seife und Shampoo ersetzen?

Das US-Startup AOBiome will Seife, Shampoo und Duschgel überflüssig machen - und setzt stattdessen auf die reinigende Kraft von Bakterien.

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Normalerweise stehen wir unter der Dusche, um Schmutz und Bakterien von unserem Körper zu waschen. Da wird kräftig eingeseift, mit wohlduftenden Shampoos und Duschgels – und manchmal mit einer Massagebürste ordentlich nachgeschrubbt.

David Whitlock macht das, nun ja, anders. Der Amerikaner studierte Chemie am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT). Die Dusche hat er dort nie benutzt. Genau genommen hat er schon länger nicht mehr geduscht - und zwar seit zwölf Jahren

Ja, richtig gelesen.

Von Zeit zu Zeit wäscht er sich mit einem Schwamm, um Straßenschmutz vom Körper zu entfernen. Ansonsten vertraut er darauf, dass die Bakterien-Kolonie auf seinem Körper den Rest erledigen wird. Das zumindest berichtet das New York Times Magazin in seiner aktuellen Ausgabe.

Das Bakterien-Startup

Auf der Bakterien-Idee basiert auch Whitlocks Unternehmen AOBiome, das er 2001 gründete. Damals stellte sich der Chemiker die Frage, warum sich Pferde gerne im Dreck wühlen. Also stellte er eine Liste „guter“ und „schlechter“ Bakterienarten für die Haut auf. Dabei stieß er auf „Nitrosomonas eutropha“. Die stäbchen- und birnenförmige Bakterienart tritt vor allem in Schmutz und unbehandeltem Wasser auf.

Angeblich soll genau diese Art einst auch auf unserer Haut zu Hause gewesen sein. Dort hat sie die Aufgabe eines natürlichen Reinigers gehabt, ehe wir sie mit Kosmetikprodukten wegspülten. Vor allem die Substanz Natriumlaurylsulfat soll für die heilsame Bakterienart auf unserer Haut tödlich sein.

Energie für die Haut

Zur Erklärung: „Nitrosomonas eutropha“ nährt sich aus Ammoniak, der sich in unserem Schweiß befindet. Daraus macht die Bakterienart Nitrit und Nitrit-Oxide. Dabei wird ein Stoff namens Adenosintriphosphat (ATP) freigesetzt. Er versorgt die Hautzellen mit neuer Energie.

Auf diesem Weg könnten entsprechende Produkte die Haut erneuern und aufbauen – und damit nicht nur zu einem kosmetischen, sondern auch einem medizinischen Mittel werden. Ekzeme und anderer Hautausschlag könnten so reduziert werden.

Wie ein feuchter Nebel

Bei AOBiome ist in einem ersten Schritt das kosmetische Produkt „AO+ Refreshing Cosmetic Mist“ entstanden. Die Flüssigkeit sieht aus wie Wasser - und fühlt sich sogar so an. Mehr noch: Sie schmeckt sogar genauso. Doch jede der Sprühflaschen enthält Milliarden kultivierte „Nitrosomonas eutropha“. Sie legen sich wie ein feuchter Nebel auf die Haut und werden dort vom Nutzer einmassiert.

Dass das Startup das Mittel zuerst als Kosmetikprodukt verkauft, hat vor allem praktische Gründe. „Der Kosmetik-Weg ist der schnellste“ erklärt Unternehmenschef Spiros Jamas der New York Times. „Der andere ist der härteste, teuerste und einträglichste.“ Ist erst ein wenig Gewinn übrig, soll die medizinische Forschung intensiviert werden.

Wer glaubt, dass das AO+-Produkt sofort den gleichen Effekt wie ein Shampoo oder Duschgel hat, irrt hingegen. Testpersonen berichten von duschfreien Tagen genauso wie es sich der Laie vorstellt: Das Haar wird dunkler und fettiger, der Körpergeruch strenger und die Arme mögen die Probanden kaum noch von den Achseln heben.

Doch das eigentlich Erstaunliche ist: Der positive Effekt des Mittels scheint sich mit der Zeit zu verstärken. Der Körpergeruch verschwindet zwar nicht komplett. Doch der beißende Schweißgeruch wird durch die Arbeit der Bakterienart stark abgemindert. Mit der Zeit soll sogar die Haut weicher werden, rote Hautstellen seien verschwunden.

Bakterien im Joghurt

So skurril die Idee auch klingt: AOBiome ist nicht das einzige Unternehmen, das sich mit der Kraft der Bakterien befasst. Schon heute gibt es jede Menge Feuchtigkeitscremes und Gesichtsmasken, die unterschiedliche Bakterienarten enthalten. Sogar die Joghurt-Industrie setzt mit ihren probiotischen Produkten auf den Trend auf.

„Der aktuelle Hype um das Mikrobiom hat die Art, wie wir die Haut studieren und die Resultate, nach denen wir suchen, komplett revolutioniert“, sagt Audrey Gueniche, Chef der L’Oréal-Forschungsabteilung der New York Times.

Ob die neuen Methoden Duschgels und Shampoos aber tatsächlich überflüssig machen, bleibt abzuwarten.

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