Corona-Aerosole Luftreiniger könnten die Lösung sein – doch Ämter stiften Verwirrung

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„Wir brauchen so schnell wie möglich belastbare Expertise“

„Für sehr entscheidend halte ich daher die Aufenthaltsdauer. Diese sollte maximal eine Stunde sein, wenn gut gelüftet oder ein derartiges Umluftfiltergerät mit 1000 Kubikmetern Filterleistung pro Stunde aufgestellt wird“, so der Aerosol-Experte. Bei einer Stunde liege das Restrisiko einer Infektion dann bei etwa zehn Prozent, so Kriegel. Je länger ein Gast sich im Raum aufhält, desto höher steigt das Infektionsrisiko. Ist der Aufenthalt doppelt so lange, bestehe das doppelte Risiko. Wolle ein Wirt seine Gäste also länger halten, helfe nur noch häufigeres Lüften oder noch mehr Filtern: Dann starte er auf niedrigerem Niveau.

An der längsten Raumseite aufstellen

Dass Politiker und Behörden sich auf eher vage und mitunter widersprüchliche Aussagen zurückziehen, was den Einsatz von Luftreinigern im Kampf gegen das Virus betrifft, sorgt bei einigen Gastronomen dafür, dass sie ihre Kaufentscheidung seit Wochen hinauszögern. Dabei ist weitgehend unstrittig, dass die Technik das Risiko zu senken vermag.  Das Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik der Universität der Bundeswehr in München etwa hält es sogar für notwendig, auch technische Lösungen zur Eindämmung der Pandemie zu etablieren.

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von Marcus Werner

Im August testeten die Wissenschaftler die Tauglichkeit transportabler Luftfilter für den Kampf gegen das Virus. Die Ergebnisse waren beachtlich. Mit dem eingesetzten Trotec Tac V+ Raumluftreiniger etwa konnten sie die Aerosolkonzentrationen selbst in großen Räumen mit einer Fläche von 80 Quadratmetern je nach Volumenstrom in 6 bis 15 Minuten halbieren. Das Gerät besitzt eine spezielle Filterkombination, die maximale Filterleistung beträgt immerhin 1500 Kubikmeter Luft pro Stunde. Bei Räumen mit 20 Quadratmetern werde eine Halbierung der Aerosole je nach eingestellter Leistung in 3 bis 5 Minuten realisiert. Es sei daher mit Raumluftreinigern möglich, die Aerosolkonzentration in Räumen kleiner und mittlerer Größe problemlos auf einem niedrigen Niveau zu halten. Allerdings kostet ein solches Hochleistungsgerät um die 4000 Euro.

Um eine effektive Filterung zu erreichen, müsse der Raumluftreiniger möglichst an der längsten Raumseite in der Mitte positioniert sein, so die Wissenschaftler. Der Deckenbereich in Richtung der Ausströmungen dürfe nicht von Objekten unterbrochen werden, da sich sonst ungünstige Wirbelströmungen im Raum bilden können. Sei dies nicht möglich, müsse der Volumenstrom erhöht werden. Die Forscher empfehlen zudem, die Geräte im Dauerbetrieb laufen zu lassen, nicht stoßartig. So lasse sich die Virenkonzentration im Raum klein halten.

Verband fordert schnelle Klarheit 

Doch längst nicht jeder Gastwirt kennt diese Studien. Und darauf berufen können sie sich im Zweifel auch nicht. Die Politik sorgt sogar noch für zusätzliche Verwirrung, indem sie die Zurückhaltung des Umweltbundesamtes einfach konterkariert. Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen will die Anschaffung von Luftreinigern zwar mit einem zweistelligen Millionenbetrag fördern, auch bei Gastronomiebetrieben. Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) schlug gar vor, Gastronomie- und Hotelbetreibern zu erlauben, wenn sie Hochleistungsluftreiniger einsetzen, den Mindestabstand von 1,50 Metern zwischen den Tischen im Restaurant zu unterschreiten. Allerdings gebe es bisher keine Zertifizierungen für diese Geräte, die zum einen die Wirksamkeit belegen und „zum anderen Aussagen darüber treffen, auf welche anderen Maßnahmen im Rahmen des Multi-Barrieren-System verzichtet werden kann“, heißt es aus dem Gesundheitsministerium des Bundeslandes.


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Für die Gastwirte bleibt die Situation also unübersichtlich: „Wir brauchen so schnell wie möglich eine belastbare Expertise, damit die Unternehmen sicher investieren können“, sagt Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga). Der Verband könne nur Empfehlungen aussprechen, wenn eine Technik wirklich geeignet sei, die Infektionsgefahr zu senken. Diese Klarheit müsse von einer von den Behörden und der Wissenschaft anerkannten Stelle kommen, so Hartges.

Mehr zum Thema: Corona-Aerosole drinnen: Stirbt im Winter unsere Gastronomie?

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