Zünden oder nicht zünden? Peter Madsen kann sich nicht entscheiden. Verschanzt hinter Betonklötzen, starrt der Däne zum Raketentriebwerk hinüber, das in sicherer Entfernung in einem haushohen Teststand montiert ist. Es ist ein eisiger Wintertag im Kopenhagener Hafen – und seit Stunden zickt der Riesenmotor nur herum. Ein Zündbefehl im falschen Moment, und schlimmstenfalls flöge er in die Luft.
Doch dann endlich stimmt alles. Madsen dreht einen schwarzen Schalter – und das Raketenrohr faucht los wie ein tobsüchtiger Drache. „Heiliger Strohsack!“, ruft der blonde Däne erst – und streicht dann erleichtert die Hände durchs Haar: Triebwerkstest Nummer 61 ist geglückt. Endlich.
Raketenbau als Freizeitspaß
Der 41-jährige Ingenieur arbeitet weder für eine Raumfahrtbehörde noch für einen Luftfahrtkonzern. Für Madsen ist Raketenbau ein Freizeitspaß. Aber das Projekt, in das er seit viereinhalb Jahren Tausende von Arbeitsstunden und Hunderttausende Euro investiert hat, ist alles andere als Spielkram: Das Triebwerk ist das mächtigste Aggregat, das Amateure je entwickelt und gebaut haben. Seine Kraft von fast 150.000 Kilowatt soll ausreichen, um einen Menschen ins All zu schießen.
Gemeinsam mit seinem Kompagnon, dem 38-jährigen Kristian von Bengtson, baut Madsen im Hafen von Kopenhagen die erste Amateurraumfähre der Welt. Noch dieses Jahr soll der erste suborbitale Flug starten, eine zunächst unbemannte Reise über die 100-Kilometer-Marke, die offizielle Grenze zum All. Später wollen die beiden nachlegen, bis hin zu bemannten Missionen mit mehreren Erdumkreisungen.
Es ist eines der spektakulärsten Raumfahrtprojekte seit Jahrzehnten. Denn das Raumschiff der Dänen soll die gleiche gefährliche Reise antreten wie in den Sechzigerjahren die Astronauten des Mercury-Programms der Nasa.
Nur dass hinter dem Projekt keine Heerscharen von Wissenschaftlern und das Milliardenbudget einer Bundesbehörde stehen, sondern ein Club von Heimwerkern: Die Copenhagen Suborbitals, wie sich die Truppe der Weltraum-Enthusiasten nennt, sind der Gegenentwurf zu einer professionellen Raumfahrtindustrie, die immer noch zu Mondpreisen und mit High-Tech-Werkstoffen ins All fliegt.
Das Fluggerät der Dänen besteht fast komplett aus Teilen, die jeder Baumarkt auf Lager hat: Stahlplatten, Schrauben, Plastikfolien. Und nahezu alle Komponenten, die für eine Raummission benötigt werden, sind Eigenkonstruktionen: Fallschirme und Hitzeschilde, Astronautensitze und Raketendüsen.
Tycho Deep Space heißt ihr Raumschiff. Der Name ist Programm. Er erinnert an Tycho Brahe, den dänischen Astronomen des 16. Jahrhunderts, der in seiner Zunft das wissenschaftliche Arbeiten einführte. So systematisch und professionell wie ihr Landsmann treiben Madsen und von Bengtson ihr Projekt voran – und könnten die Forschungswelt grundlegend ändern.