Delirium vermeiden Wenn das Gehirn aus dem Gleichgewicht gerät

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Bei Delirium hat jede Klinik andere Regeln

Großbritannien hat bereits 2010 die Richtlinie „Delirium: Vorsorge, Diagnose und Behandlung“ erlassen. In dem Ratgeber wird kritisiert, dass viele Ärzte und Pflegekräfte das Syndrom nicht erkennen. In Deutschland gibt es bundesweit keine medizinische Leitlinie zum Umgang mit Delir. Jedes Krankenhaus hat eigene Regeln. Doch zumindest in der Forschung ist das Thema angekommen. 2010 erschienen 46 Fachartikel, 2015 waren es 113. Und 2016 sind bis Mai schon 49 erschienen.

In Kanada und den USA befasst sich das Help-Programm mit Delir. 1993 gründete die Ärztin Sharon Inouye gemeinsam mit Kollegen der Yale University Medical School ein Zentrum, das sich auf die spezielle Pflege älterer Personen in Krankenhäusern konzentriert. Mit ihren Methoden wollen sie Delir im Klinikalltag frühzeitig verhindern.

Woran die Deutschen leiden
Weltweit gab es im vergangenen Jahr nach Angaben der International Diabetes Federation rund 382 Millionen Diabetiker. In der Bundesrepublik sind laut Deutscher Diabetes-Hilfe etwa sechs Millionen Menschen betroffen (2012). Die auch als Zuckerkrankheit bekannte Stoffwechselstörung Diabetes mellitus kann etwa zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nierenleiden und Erblindungen führen. Etwa 95 Prozent der Kranken sind dabei von Diabetes Typ 2 betroffen, früher Altersdiabetes genannt. Diese Ausprägung entwickelt sich häufig durch falsche Ernährung und daraus resultierendem Übergewicht. Quelle: dpa
Zu den häufigsten Krankheiten in Deutschland gehören seelische Störungen. Dem Bundesgesundheitsministerium zufolge leidet jeder dritte Mensch im Laufe seines Lebens mal an einer solchen Krankheit. Die häufigste Form ist die Depression, worunter etwa Angstzustände oder auch das Krankheitsbild des Burn-out-Syndroms fallen. Stress oder berufliche Überbelastung können Gründe sein. Quelle: dpa
Schnupfen, Bronchitis, Husten: 17,4 Prozent aller Erkrankungen drehen sich um akute Infekte der oberen Atemwege, wie es im Barmer GEK Arztreport 2013 heißt. Zu den Erkrankungen der oberen Atemwege gehören beispielsweise Krankheiten wie Nasennebenhöhlenentzündungen. Zu den besonders weit verbreiteten Atemwegserkrankungen zählt nach WHO-Schätzungen mit weltweit 235 Millionen Betroffenen Asthma. Quelle: dpa
Ähnlich häufig wie Erkrankungen der Atemwege sind in Deutschland Probleme mit dem Fettstoffwechsel. Dazu gehört beispielsweise Übergewicht, das auf falsche Ernährung und Bewegungsmangel zurückzuführen ist. Eine Statistik der DKV zufolge sind rund 46 Prozent der Bevölkerung übergewichtig. Männer sind dabei häufiger betroffen als Frauen. Quelle: ZB
Im Krankenhaus stehen Ärzte bei der Versorgung schwer übergewichtiger Menschen vor einer Herausforderung. Denn durch das hohe Gewicht können die Patienten empfindlicher auf Mittel wie Sedativa und Narkosemittel reagieren. Deswegen müssen während Operationen Werte wie die Herzfrequenz oder der Blutdruck noch sicherer kontrolliert werden. Quelle: imago images
Vier von fünf Erwachsenen haben mindestens einmal in ihrem Leben Probleme mit dem Rücken. Laut Statistischem Bundesamt kostet das Kreuz mit dem Kreuz die Volkswirtschaft jedes Jahr rund 20 Milliarden Euro. Übergewicht, monotones Arbeiten, Bewegungsmangel oder psychischer Druck gehören zu den Risikofaktoren, die das Robert-Koch-Institut definiert. Quelle: dpa
Eine zunehmende Bedrohung gerade im Alter stellen Demenzerkrankungen dar. Gegenüber dem Jahr 2007 erwarten Experten, dass die Zahl der Betroffenen bis zum Jahr 2050 um 113 Prozent steigen wird. Die häufigste Form von Demenz war 2011 nach Angaben des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung mit 65 Prozent die Alzheimer-Demenz, die immer noch unheilbar ist. Quelle: imago images

Auch in Deutschland gibt es mittlerweile zusätzliche Betreuung für ältere Patienten nach amerikanischem Vorbild. Am Evangelischen Krankenhaus in Bielefeld arbeiten die Ärzte mit ehrenamtlichen Helfern, die den Patienten vorlesen, mit ihnen Kreuzworträtsel lösen oder einfach nur Gesellschaft leisten. So kann im besten Fall durch die intensive Betreuung ein Delir gar nicht erst entstehen.

"Delir-Patienten haben Angst"

Angehörige sind ebenfalls gefragt. Für sie gelten Regeln im Umgang mit Delir. „Nicht wegreden“, warnt Ärztin Spies. Pfleger und auch Angehörige bräuchten viel Geduld. Auch vor Operationen könne schon einiges geleistet werden. „Patienten haben immer Angst“, sagt sie. Die müsse man ihnen nehmen, zum Beispiel mit viel Aufklärung in Gesprächen. „Wir müssen ehrlich zu den Patienten sein“, betont Spies.

Auf der Charité-Station schließt Pfleger Schubert die Tür eines Zimmers auf der modernen Intensivstation. Stille. Nichts piepst, die Monitore sind gut versteckt. Über den Bett hängen keine Neonstrahler, es leuchtet ein künstlicher Lichthimmel. Der sehe genauso aus wie der Himmel draußen, erläutert Schubert. Auch das gehört hier zur Delir-Prävention.

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