
Das neue Jahr ist schon wieder mehr als drei Monate alt – oder gerade erst drei Monate. Die Geschwindigkeit, mit der die Zeit vergeht, hängt ganz entscheidend vom subjektiven Empfinden ab. Eine Metastudie von Daniel Oberfeld-Twistel und Sven Thönes, beide Psychologen an der Universität Mainz, hat nun ergeben, dass für Menschen die unter Depressionen leiden die Zeit langsamer vergeht, als für nicht-depressive.
Analysiert haben die Mainzer Forscher dafür 16 Studien, in denen 433 depressive Menschen und 485 ohne Depressionen untersucht wurden. Hierbei beleuchteten sie zwei Aspekte: Das persönliche Zeitempfinden der Probanden und das Einschätzen zuvor definierter Zeitintervalle.
Illusionen, die in die Depression führen
Die Hoffnung, dass die Orientierung an anderen, deren Bedürfnissen und Wünschen Liebe und Anerkennung bringen
Die Hoffnung, dass der Verzicht auf eigene Bedürfnisse und ein eigenes Leben Sicherheit bringen wird
Die Hoffnung, dass andere Menschen sich ändern werden
Die Hoffnung, dass die Enttäuschung über enge Beziehungen durch eigenen Einsatz und eigene Bemühungen verschwinden wird
Die Hoffnung, dass andere schon noch erkennen, was man braucht und es einem geben
Die Hoffnung, dass andere Menschen den eigenen Wert bestätigen und man sich nicht mehr so klein, so unfähig, so ungeliebt fühlen muss.
„Wenn depressive Patienten gefragt werden, wie ihrem Empfinden nach die Zeit vergeht, geben sie an, die Zeit vergehe langsamer, als das bei gesunden Menschen der Fall ist“, so Oberfeld-Twistel. Das deckt sich mit den Erkenntnissen von Psychologen und Psychiatern aus der Praxis. Immer wieder wurde festgestellt, dass sich die Zeit für viele Depressive quälend ausdehnt.
Bisher wurde dieses Phänomen durch eine innere Uhr erklärt, die bei Depressiven schneller tickt als bei gesunden Menschen. Dadurch kommen einem Depressiven zwei Minuten deutlich länger vor als einem gesunden Menschen.
„Der Ansatz, dass die innere Uhr bei Depressiven schneller tickt, deckt sich aber nicht mit den untersuchten Forschungsarbeiten“, erklärt Oberfeld-Twistel. Denn wenn die Probanden etwa die Länge eines Films abschätzen oder für eine bestimmte Zeit auf eine Taste drücken sollten, gab es keine Unterschiede zwischen Gesunden und Depressiven. Die Ergebnisse widersprechen also dem bisherigen Ansatz.
Symptome einer Depression
Deutliche Geschlechtsunterschiede finden sich bei der sogenannten unipolaren Depression, von der Frauen doppelt so häufig betroffen sind wie Männer. Diese Form ist gekennzeichnet durch Symptome wie verminderten Antrieb oder gesteigerte Müdigkeit, ...
... depressive Stimmung in einem ungewöhnlichen Ausmaß, die fast jeden Tag mindestens über zwei Wochen hinweg auftritt, ...
...Verlust an Interessen, keinerlei Freude mehr an Tätigkeiten, die einem früher mal Spaß und Befriedigung gebracht haben, ...
...Verlust des Selbstvertrauens und des Selbstwertgefühls sowie Selbstvorwürfe und Selbstzweifel,...
...Konzentrationsschwäche, Schlafstörungen, Appetitverlust oder gesteigerter Appetit.
(Quelle: Ursula Nuber, "Wer bin ich ohne dich?", Campus-Verlag)
„Soll die Dauer eines externen Ereignisses geschätzt werden, gibt es keine signifikanten Unterschiede zwischen Depressiven und Nicht-Depressiven“, fasst Oberfeld-Twistel das Ergebnis zusammen. Für die Diskrepanz des Zeitempfindens bei Depressiven zwischen aktivem Einschätzen der Zeit und dem persönlichen Empfinden derselben, losgelöst von jedweden Aufgaben, gibt es einen naheliegenden Erklärungsansatz: „Im ersten Fall hat der Proband eine definierte Aufgabe, im zweiten denkt er ganz generell über sein Leben nach.“
Künftige Forschungsansätze
Oberfeld-Twistel hält es für sinnvoll, dies systematisch zu untersuchen. Etwa, indem die Auswirkungen von Aktivität auf Depression und Zeitempfinden beleuchtet werden. So könnte man Depressive in eine Situation bringen, in der sie gewisse Aufgaben erfüllen müssen und im Nachhinein die Zeitschätzung erfragen. Im Vergleich dazu wird das Zeitempfinden einer Person gestellt, die alleine daheim sitzt.
Fünf Wege aus der Depression
Die Therapeutin und Autorin Ursula Nuber zeigt in ihrem Buch "Wer bin ich ohne dich?" fünf Wege aus der Depression. Die 1. Strategie lautet: Den Sinn der Depression erkennen. Dabei ist es für betroffene Frauen wichtig herauszubekommen, welcher Sinn, welche Botschaft für sie in der Krankheit enthalten ist. Dazu gehört auch, dass sie nicht ausschließlich auf hormonelle Veränderungen, biochemische Ungleichgewichte im Gehirn oder Erbfaktoren zurückgeführt und damit zu einem rein medizinischen Problem reduziert werden sollte. Wenn es gelingt, die Botschaft zu entschlüsseln, kann sich die Depression als grundlegende Veränderung zum Positiven nutzen lassen.
So wie Angst ein Signal für Gefahr ist, so ist die Depression häufig ein Signal, dass eine Frau sich vor vergeblichen Anstrengungen schützen sollte.
In dieser Phase können Frauen viel Neues über sich lernen. Sie bekommen eine Ahnung, was genau ihnen nicht gut tut, wo sie die Weichen anders stellen müssen. Sie achten nicht nur darauf, wann sie sich besonders niedergeschlagen und ungeliebt fühlen, sie achten ebenso darauf, wer und was ihnen dabei hilft, damit die Depression weniger intensiv spürbar ist. Sie erkennen, dass sie kein passives Opfer der Krankheit sein müssen, sondern durchaus Einfluss auf sie nehmen können - zum Beispiel indem sie sich in Bewegung setzen.
Die Erfahrung, nicht auf sich allein gestellt zu sein, kann auf dem Weg aus der Depression so etwas wie ein Leitstern werden. Vor allem Freundinnen können hilfreich im Prozess der Selbstfindung sein. Es ist eine weibliche Anti-Stress-Strategie, sich in schwierigen Zeiten mit Geschlechtsgenossinnen zu verbünden und gemeinsam mit ihnen den Stürmen zu trotzen.
Nachhaltig helfen kann auch eine rechtzeitige psychotherapeutische Behandlung, die das Risiko, an weiteren Depressionen zu erkranken, deutlich senkt. Der richtige Therapeut kann also ein äußerst wichtiger Begleiter bei der Depressionsarbeit sein. Ausschlaggebend für den Erfolg ist nicht in erster Linie die Methode, sondern die Beziehung, die zwischen dem Therapeuten und der Klientin entsteht.
Niemanden behandeln Frauen, ganz besonders depressive Frauen, so schlecht wie sich selbst. Depressionsgefährdete Frauen neigen dazu, mit sich selbst ungeduldig zu sein und sich selbst zu kritisieren, sie beschuldigen sich für ihr Versagen und werfen sich vor, anderen Menschen Probleme zu bereiten.
Doch wichtig ist vor allem die Selbstfürsorge und das Mitgefühl für sich selbst. Kommt die Selbstfürsorge dauerhaft zu kurz, dann kann das auch zu einem Stressfaktor werden, der in die Depression führen kann. Frauen müssen erkennen, dass ihr Leben nicht dadurch lebenswert wird, indem sie möglichst viel für andere leisten, sondern dass es vielmehr darauf ankomme, dass sie sich möglichst viel ersparen.
Die reife Form der Aggressionsverarbeitung kann man nur dadurch erwerben, dass man Erfahrungen mit seiner Aggression macht. Wir alle haben das Recht auf alles, was wir fühlen. Das geringe Selbstwertgefühl Depressiver hat eine wichtige Wurzel in ihrer nicht gewagten, nicht gekonnten Aggressivität. Depressive Frauen müssen lernen, den Ton lauter zu stellen. Frauen, die ihre Depression überwinden wollen, müssen ihre Rolle als nettes Mädchen aufgeben. Denn Nettsein ist eine Einbahnstraße. Wer nett ist, ist beliebt, aber er wird ausgenutzt und bekommt nicht, was er sich wünscht, nämlich Anerkennung und eine Gegenleistung für das Nettsein.
(Quelle: Ursula Nuber, "Wer bin ich ohne dich?", Campus-Verlag)
Ein weiterer Aspekt, über den die Analyse der Mainzer keinen Aufschluss geben kann, ist die Auswirkung von Medikamenten auf das Zeitempfinden. In den untersuchten Daten wurde das nicht abgebildet. So gab es in den analysierten Studien nur zwei Autoren, die Menschen, die medizinisch behandelt werden, sich in einer Psychotherapie befinden oder beides, Menschen gegenüberstellen, die nicht behandelt werden.
Was das betrifft, sind aktuell weitere Forschungsprojekte geplant. Allerdings sind die Projekte erst in der Planung und eine Forschungsförderung muss noch gefunden werden.