
Düsseldorf Wer dement wird, kann sich immer schlechter orientieren. Doch wie kündigt sich dieser Verlust an? Und wie orientieren sich gesunde Menschen eigentlich?
Solche Daten hat die Alzheimerforschung ab jetzt zur Verfügung, weil 2,5 Millionen Spieler in den vergangenen sechs Monaten das mobile Spiel „Sea Hero Quest“ aus den Apps-Stores von Apple und Google heruntergeladen haben und sich durch wechselnde Meereswelten navigierten.
Denn weil das Spielverhalten anonym erfasst wurde, liegen jetzt erstmals umfangreiche Daten vor, wie sich Menschen beider Geschlechter und aller Altersgruppen aus weltweit unterschiedlichen Regionen räumlich orientieren. Diese Normdaten sind ein wichtiger Schritt, um die Entwicklung neuer Verfahren zur frühzeitigen Erkennung von Demenz voranzutreiben. „Dies ist die bisher größte Studie dieser Art“, unterstreicht der Neuro-Wissenschaftler Mediziner Hugo Spiers vom University College London die Bedeutung der gesammelten Daten. „Wir haben mit der Studie die Chance, die Lebensumstände von Millionen von demenzkranken Menschen entscheidend zu verbessern.“
Die Initiative war im Mai dieses Jahres vom University College und der Universität East Anglia gemeinsam mit dem britischen Spielentwickler Glitchers, der Deutschen Telekom und der gemeinnützigen Organisation Alzheimer’s Research ins Leben gerufen worden. Normalerweise umfassen medizinische Studien in diesem Bereich nur Dutzende oder ein paar Hundert Menschen. Die neuen technologischen Möglichkeiten eröffnen also ganz andere Größenordnungen für die Wissenschaft. „Im Gesundheitswesen ist die Digitalisierung bahnbrechend für den Fortschritt“, sagte Tim Höttges, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom. Das Unternehmen stellt die Rechnerkapazitäten für die Speicherung der Daten zur Verfügung und liefert damit das Fundament für die Analyse.
Mit der kompletten Auswertung der Daten werden die Wissenschaftler vom University College London und der Universität von East Anglia wohl noch zwei Jahre beschäftigt sein.
Erste Ergebnisse zeigen, dass sich das Orientierungsvermögen bereits ab dem frühen Erwachsenenalter verschlechtert und sich diese Entwicklung in der Regel ein Leben lang fortsetzt. So fanden die Neunzehnjährigen mit 74-prozentiger Wahrscheinlichkeit während des Spiels effektiv ins Ziel, während diese Trefferquote bei Fünfundsiebzigjährigen im Durchschnitt auf 46 Prozent sank.
In einem nächsten Schritt wollen die Initiatoren „Sea Hero Quest“ in wissenschaftlichen Studien an Patienten testen, um etwa Verbesserungen in der Orientierungsfähigkeit messen zu können und damit mögliche Therapieerfolge. Wichtiges Ziel ist aber auch, die Anzeichen von Demenz frühzeitig zu entdecken.
Das kostenlose Spiel kann weiterhin im App Store und bei Google Play heruntergeladen werden. Alle Spiel-Daten werden auch künftig den Wissenschaftlern und damit der Demenzforschung zur Verfügung gestellt.
Übrigens: Nicht nur in wissenschaftlicher Hinsicht sondern auch mit den Maßstäben der Welt der mobilen Spiele kann sich „Sea Hero Quest“ mit seinem 2,5 Millionen Downloads aus 193 Ländern sehen lassen. Die Telekom jedenfalls verweist auf Marktforschungszahlen, nach denen 90 Prozent der Spieleapps in den Stores insgesamt weniger als 10.000 Mal heruntergeladen werden. Ausreißer nach oben wie Pokémon Go mit weltweit 75 Millionen Downloads in 19 Tagen sind da eine absolute Ausnahmeerscheinung.