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Digitale AmnesieDas Smartphone sorgt für Gedächtnisschwund

Das Smartphone ist zu einem unverzichtbaren Begleiter geworden. Eine Studie zeigt, wie stark das wandelnde, digitale Lexikon unser Gedächtnis beeinflusst.Vera Münch 24.07.2015 - 15:34 Uhr

Gewichte stemmen

Eine Studie von Forschern am Georgia Institute of Technology hat gezeigt: Körperliche Fitness bewegt auch den Geist. Die Untersuchung zeigte, dass ein kurzes Training von gerade einmal 20 Minuten die Leistung des sogenannten episodischen Gedächtnisses verbessern kann. Dabei handelt es sich um einen Teil des Langzeitgedächtnisses, der speziell für das Erinnern von Ereignisketten im Laufe des Lebens zuständig ist. Untersucht wurden junge, gesunde Erwachsene. Die Forscher zeigten, dass ihr Erinnerungsvermögen um zehn Prozent gesteigert werden konnte, wenn sie Kraftsport machten.

Foto: REUTERS

Grüner Tee

Das Gebräu ist nicht nur ein Muss für Entspannungsfanatiker und Meditationsfans, sondern auch Doping für die Hirnleistung - und eine Waffe gegen Alzheimer. Forscher der Universität Basel fanden heraus, dass sich durch grünen Tee die Zusammenarbeit verschiedener Hirnareale steigern lässt. Diese bessere Konnektivität sorgt zumindest kurzfristig für eine bessere Denkleistung. Aber auch langfristig hilft grüner Tee: Laut Wissenschaftlern der Universität von Michigan enthält er den Wirkstoff namens Epigallocatechin-3-gallate. Er kann Eiweißablagerungen verhindern, die bei der Entstehung von Alzheimer eine Rolle spielen.

Foto: dpa

Yoga

Wer regelmäßig Yoga macht oder meditiert, kann seine Denkkraft auch im Alter länger hochhalten. Zu diesem Ergebnis kamen Psychologen der Havard Medical School, die Yoga-Übende, Meditierende und Nicht-Praktizierende in einer Studie miteinander verglichen. Dabei wurde die Gehirnaktivität der Probanden mit einem Magnetresonanztomographen gemessen, außerdem wurden Denkgeschwindigkeit und Auffassungsgabe geprüft. Den Gehirnleistungsvorsprung der Yoga-Übenden erklären die Psychologen mit drei Gründen: Erstens haben die Yoga-Praktizierenden stärker verknüpfte neuronale Netze, zweitens sind ihre Schaltkreise widerstandfähiger gegenüber Verletzungen und drittens gehen sie achtsamer mit ihren Aufgaben um.

Foto: dpa

Schlafen

Gute Nachrichten: Es geht auch bequemer. US-Wissenschaftler der Rochester Universität haben kürzlich anhand von Tierversuchen erneut belegt, dass einfaches Schlafen die Hirnaktivität fördert. Grund dafür ist nicht nur die Erlebnisverarbeitung, sondern auch eine Art „Recyclingfunktion“ des Gehirns. Dieses entsorgt im Schlaf den schädlichen, zellulären Müll des Tages. Kann das Gehirn seine Abfallentsorgung nicht durchführen, beispielsweise aufgrund von Schlafmangel, drohen Erkrankungen wie Alzheimer. Die Empfehlung der Forscher: Sieben bis neun Stunden Schlaf jede Nacht.

Foto: CLARK/obs

Soziale Kontakte

Quatschen, Plaudern, Reden. Soziale Kontakte wirken wahre Wunder. Im Gehirn übernimmt die soziale Interaktion eine ähnliche Funktion wie Gehirnjogging – nur, dass nicht bestimmte Hirnregionen gezielt stimuliert werden, sondern verschiedene Bereiche. Amerikanische Neurologen von der Rush Universität haben über einen längeren Zeitraum Hunderte von Senioren begleitet und den Zusammenhang von Einsamkeit und Alzheimergefahr beobachtet. Das Ergebnis: Je einsamer sich die Probanden fühlten, desto größer wurde das Alzheimer-Risiko. Freunde, Familie oder ein Plausch mit den Nachbarn fördern das Wohlbefinden und festigen die Denkleistung.

Foto: dpa

Sport

Eigentlich ist es kein Geheimnis: Ein gesunder Geist ruht in einem gesunden Körper. Trotzdem vernachlässigen viele Menschen ihre physische Fitness – und beeinträchtigen damit ihre Gehirnkapazität. Zahllose Studien belegen, dass Sport die Durchblutung des Gehirns und das Wachstum von Kapillaren und Nerven fördert. Wichtig: Wer keinen Six-Pack oder Traummaße hat, ist noch lange nicht benachteiligt. Wie Forscher der Universität Nebraska ermittelten, kommt es vor allem auf die aerobe Fitness an - also die Fähigkeit des Körpers, Sauerstoff aufzunehmen und zur Energieumwandlung zu gebrauchen. Beruhigend: Diese Fähigkeit lässt sich trainieren - durch Sport.

Foto: dpa

Ernährung

Die richtige Ernährung ist wichtig für Körper und Geist. Das Gehirn macht zwar nur rund 2 Prozent des gesamten Körpergewichts aus, verbraucht allerdings – je nach Arbeitsbelastung – um die 20 Prozent der Energiereserven. Klar, dass dadurch auch die richtige Ernährung für die Denkaktivität eine große Rolle spielt. In einer Studie mit über 3600 Teilnehmern haben finnische Wissenschaftler die Bedeutung von Omega-3 Fettsäuren nachgewiesen - einer Fettsäure, die vor allem in Fisch vorkommt. Die Forscher vermuten: Ein regelmäßiger Verzehr von Fisch senkt bei älteren Menschen die Gefahr von unbemerkten Hirnschäden, Gedächtnisverlust oder Schlaganfällen um ein Viertel. Aber auch andere Lebensmittel können helfen: Verschiedene Vitamine und geringe Mengen Alkohol wirken belebend und vitalisierend auf Gehirnleistung und Laune.

Foto: dpa

Musizieren

Dutzende Studien kommen zum selben Schluss: Musizieren hat einen außerordentlich positiven Einfluss auf die Gehirnleistung. Violine oder Klavier klingen nicht nur schön, sondern haben nachhaltige neurologische Effekte: So soll sich das Gehirnvolumen vergrößern, neue Verschaltungen zwischen Hirnregionen entstehen oder die sensorische Informationsverarbeitung optimiert werden. Aber auch das passive Musikhören fördert bereits die Hirnleistung. Denn mit Musik verknüpfen wir Emotionen, Gefühle und Stimmungen. Wir entspannen - und bauen Stress ab.

Foto: dpa

Meditation

Das Schlüsselwort hier: Entspannung. Mit der Achtsamkeitsmeditation lassen sich geistige Fähigkeiten bereits nach wenigen Tagen merklich verbessern. Das hat eine amerikanische Studie der Universität von North Carolina ergeben. Während die Kontrollgruppe einem Hörbuch lauschte, übten sich andere Teilnehmer in der Achtsamkeitsmediation – und konnten schon nach vier Tagen bessere Ergebnisse in Merk-, Konzentrations- und Auffassungsübungen vorweisen. Vermutlich deshalb, weil sie Stress abbauten und Gefühle besser verarbeiteten.

Foto: AP

Rätselaufgaben

Sudoku, Merkaufgaben, Kreuzworträtsel: Kognitives Training fordert und schult die Gehirnleistung. Dabei gilt dasselbe Prinzip wie beim Muskeltraining: Die Übungen müssen individuell angepasst sein, anspruchsvoller werden und stetig neue Reize setzen - ansonsten bleiben sie wirkungslos. Die Gehirnjogging-Aufgaben zielen in der Regel auf den „Arbeitsspeicher“ des Gehirns ab und trainieren beispielsweise das Erinnerungs- oder Konzentrationsvermögen. Den Erfolg von Hirnjogging haben beispielsweise Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung belegt, in deren Experiment sowohl junge als auch alte Probanden nach drei Wochen Denktraining deutliche Fortschritte im Vergleich zur Kontrollgruppe machten.

Foto: Blumenbüro Holland/dpa/gms

Videospiele

Kinder und Jugendliche wussten es schon immer: Videospielen vergrößert das Gehirn. Zu einem ähnlichen Schluss kamen Forscher des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung. Ihre Studien belegen, dass sich durch Playstation und Co. bestimmte Gehirnbereiche gezielt trainieren lassen. Im Versuch spielten 50 Erwachsene für zwei Monate jeden Tag 30 Minuten den Videospiel-Klassiker „Mario Kart“ – und schnitten bei den Gehirntraining-Tests besser ab als die Kontrollgruppe. Vor allem das Gehirnvolumen der Bereiche für räumliche Orientierung, strategisches Denken und Feinmotorik der Hände hatte sich vergrößert. Besonders auffällig: Je mehr Spaß die Probanden bei dem Training hatten, desto größer war ihr Gehirnwachstum.

Foto: AP

Ohne Navigationssystem nach Hause finden, die Nummer des Partners aus dem Kopf wählen oder sagen, wer von 1974 bis 1979 Bundespräsident war - und das ohne zu spicken. Könnten Sie das noch? Ja? Gratulation! Dann gehören Sie zu der Hälfte der Europäer, die noch nicht unter digitaler Amnesie leiden.

Eine Umfrage im Auftrag des Softwareherstellers Kaspersky unter 6000 Personen in Europa führt deutlich vor Augen: Wir können uns an die einfachsten Sachen nicht erinnern, weil wir uns lieber auf unser Smartphone oder den PC verlassen, als auf unser eigenes Gedächtnis.

Telefonnummern aus der Kindheit noch präsent

36 Prozent der Studienteilnehmer gaben an, keinen Wissensballast mit sich herumschleppen zu wollen, denn das Wissen ist ja permanent auf Knopfdruck verfügbar. Man würde erwarten, dass die junge Generation der Digital Natives in Sachen Gedächtnis schlechter abschneidet. Doch weit gefehlt: Manchmal hatten hier sogar die älteren Semester die Nase vorn.

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Am deutlichsten lässt sich diese "digitale Demenz" an wichtigen Telefonnummern fest machen: 60 Prozent der Befragten konnten sich zwar an ihre Telefonnummer aus der Kindheit erinnern, aber rund 50 Prozent kennen weder die Nummer ihrer Kinder, noch die ihres Arbeitgebers auswendig.

Rund ein Drittel hatte nicht einmal die Nummer des eigenen Partners im Kopf. Knapp 90 Prozent der Befragten schieben das auf die zunehmend vernetzte Welt. „Man hat einfach zu viele Kontakte, Nummern und Adressen, die man sich merken müsste“, heißt es in der Studie.

Paradox: Obwohl der Gedanke an einen Datenverlust entsprechend bei knapp 20 Prozent der Teilnehmer Panik erzeugt und 40 Prozent zumindest traurig machen würde, haben nur 30 Prozent ihre Daten auch gesichert.

Das wirft nun die Frage auf: Wie schlimm ist es denn, dass wir uns nicht mehr alles merken und uns lieber führen lassen, indem wir auf unsere externe Gedächtnisfestplatte namens Smartphone zurückgreifen? Hirnforscher Manfred Spitzer und Autor des Buchs "Digitale Demenz" sagt dazu: "Unser Gehirn funktioniert wie ein Muskel: Wird er gebraucht, wächst er; wird er nicht benutzt, verkümmert er." Dabei ist der Altersunterschied unerheblich, denn Nervenzellen wachsen laut Spitzer immer wieder nach. Bei entsprechendem Training werden die Zellen aktiviert.

Maria Wimber von der School of Psychology in Birmingham spricht davon, dass Vergessen keinesfalls etwas Schlechtes sei. Im Gegenteil: "Oft ist Vergessen eine wichtige Art der Anpassung um unserem Gedächtnis zu helfen, nur die Dinge zu behalten, die wirklich relevant sind", so Wimber. Das hilft dabei, dass wir weniger abgelenkt sind und uns besser konzentrieren können.

Heißt: Wir sollten unser Gehirn ab und zu ins Fitnessstudio schicken, damit wir unsere Gedächtnisfähigkeiten nicht verkümmern lassen und gleichzeitig lernen, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. Also: Lieber mal das Navi ausgeschaltet lassen und stattdessen den guten alten Stadtplan bemühen. Oder die wichtigsten Telefonnummern, die man in einem Notfall braucht, auswendig lernen. Dafür dürfen wir dann auch ohne schlechtes Gewissen den Bundespräsidenten googeln.

Und zur Sicherheit, falls unser Gedächtnis doch mal ausfällt: Die wichtigen Daten noch mal separat aufheben oder speichern, ob in der Cloud oder auf einer externen Festplatte. Manchmal tut es auch das gute alte Adressbuch.

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