
Trotz aller Aufrufe zum Maßhalten riskieren Millionen Menschen in Deutschland Gesundheit und Leben durch Alkohol, Tabak und illegale Drogen. So gelten etwa 1,77 Millionen Erwachsene bis 64 Jahren als alkoholabhängig. Jedes Jahr sterben nach unveränderten Angaben mindestens 74.000 Menschen an den Folgen von Alkoholmissbrauch oder Alkohol und Tabak zusammen, wie aus dem am Donnerstag in Berlin vorgestellten Drogen- und Suchtbericht 2015 der Bundesregierung hervorgeht.
Der zweithäufigste Anlass für einen Klinikaufenthalt waren 2013 psychische Störungen durch Alkohol mit 338.204 Fällen. An erster Stelle lag Herzschwäche. Mit 24,5 Prozent raucht fast jeder Vierte ab 15 Jahren - nach 28 Prozent vor 14 Jahren.
Cannabis-Gesetze weltweit
Uruguay hat seit 2013 weltweit die liberalsten Gesetze. Verkauf von Cannabis mit THC-Gehalt bis zu 15 Prozent ist legal. Die Umsetzung dauert noch bis Ende 2015. Statt selbst anzubauen, erteilt der Staat Produktionslizenzen an Unternehmen. Verkauf über Apotheken – und zwar billig: ein Dollar pro Gramm. Nur an Einheimische. Behörde kontrolliert. Käufer werden registriert.
Mindestalter: 18
Besitz: Unbegrenzt
Verkauf: Club, Apotheke, Eigenanbau
Der US-Bundesstaat erlaubt den privaten Besitz und Konsum von Cannabis. Verkauft wird Hanf in Fachgeschäften. Das Geschäft lockt Touristen in Scharen. Auch der kommerzielle Anbau ist erlaubt. Joints in der Öffentlichkeit sind tabu. Ähnliche Regelungen gibt es in Alaska, Washington, Oregon. Die Hauptstadt Washington DC erlaubt den Besitz, verbietet aber den Verkauf.
Mindestalter: 21
Besitz: 28 Gramm
Verkauf: Hanfshops
Die Niederlande sind Europas Kifferparadies. Doch der Konsum von Joints ist nur in Coffeeshops erlaubt – und zwar nur für Holländer und in Holland lebende Ausländer. Ansonsten bleibt der Hanfbesitz verboten. Bis fünf Gramm werden aber strafrechtlich nicht verfolgt. Kommerzieller Anbau ist verboten. Coffeeshop-Inhaber importieren Gras etwa aus Marokko.
Mindestalter: 18
Besitz: Nur Konsum in Coffeeshops
Verkauf: Coffeeshops
Portugal setzt zwar weiterhin auf Prohibition und verbietet den Besitz von Cannabis, behandelt Kiffer (und Konsumenten anderer Drogen) aber nicht mehr als Kriminelle. Wer mit bis zu 25 Gramm Cannabis erwischt wird, muss Sozialstunden ableisten oder wird zum Therapeuten geschickt. Die Stigmatisierung fällt somit weg.
Mindestalter: Grundsätzlich verboten
Besitz: Entkriminalisiert bis 25 Gramm
Verkauf: Verboten
Spanien entwickelt sich zum Kifferhotspot Europas. Der Staat erlaubt den Eigenanbau und privaten Konsum von Cannabis zu Hause. Auch Kifferclubs sind erlaubt. Landesweit gibt es rund 500 davon, allein 200 in Barcelona. Die Stadt gilt inzwischen als „New Amsterdam“. Kauf und Verkauf von Hanf sind verboten.
Mindestalter: 18
Besitz: Eigenanbau
Verkauf: Verboten
Cannabis-Produkte sind illegale Suchtmittel. Besitz, Anbau und Handel sind verboten. Das Betäubungsmittelgesetz sieht Geldstrafen oder bis zu fünf Jahre Haft vor. Beim Umgang mit „nicht geringen Mengen“ - bei Haschisch und Marihuana 500 Konsumeinheiten à 15 Milligramm Tetrahydrocannabinol (THC) - liegt die Höchststrafe bei 15 Jahren Haft. Für „Gelegenheitskiffer“ kennt das Gesetz die Untergrenze der „geringen Menge“ zum Eigenverbrauch. Bei wenigen Konsumeinheiten kann die Staatsanwaltschaft von einer Strafverfolgung absehen. Das ist in den Bundesländern unterschiedlich geregelt.
Ein Jahr nach der Legalisierung von Cannabis für medizinische Anwendungen hat die Substanz nach Medienberichten noch keinen Patienten erreicht. Zwar können Ärzte bei schweren Erkrankungen wie Krebs, Multipler Sklerose oder Parkinson Cannabis verschreiben, doch ist das Mittel noch nicht verfügbar. Kritiker werfen dem Gesundheitsministerium in Prag mutwillige Verzögerung bei der Vergabe von Züchterlizenzen vor.
Einige positive Trends gibt es bei Jugendlichen. Der Anteil der rauchenden 12- bis 17-Jährigen sank laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung seit 2001 von 27,5 auf 9,7 Prozent 2014. Die Zahl der 10- bis 20-Jährigen, die mit Alkoholvergiftung ins Krankenhaus gebracht wurden, sank um 12,8 Prozent auf 23.267 (2013).
Rund 600.000 vorwiegend junge Menschen haben laut dem Bericht Probleme mit Cannabis. Cannabiskonsum sei bei den unter 25-Jährigen der Hauptgrund für eine Suchtbehandlung. Die Drogenbeauftragte Marlene Mortler (CSU) sagte, zwischen 2007 und 2013 sei die Zahl der Betroffenen um 31 Prozent gestiegen. „Cannabis ist eine ernsthafte Gesundheitsgefahr gerade für Jugendliche“, mahnte sie, „deshalb müssen wir alles vermeiden, was den Eindruck erweckt, es sei ein harmloses Genussmittel.“ Sie wandte sich gegen Forderungen wie jüngst von der FDP nach Freigabe von Cannabis jenseits medizinischer Zwecke.
Sorgen bereite ihr auch eine wachsende Nachfrage nach E-Zigaretten, so Mortler. Fast jeder fünfte Jugendliche habe zudem schon E-Shishas probiert. Das angekündigte Verbot für Minderjährige komme 2016. Besser erreichen wolle sie Erwachsene bis 25 Jahren, kündigte Mortler an. „In dieser Altersgruppe gibt es besonders riskante Verhaltensweisen.“ Als riskant geltende Mengen Alkohol tranken 2012 19,2 Prozent der jungen Männer und 12,8 Prozent der jungen Frauen. Mitte des vergangenen Jahrzehnts waren es noch jeweils rund vier Prozentpunkte mehr.
Der Bericht trägt eine Vielzahl bereits bekannter Statistiken zusammen. So gibt er erneut Hinweise, dass das gefährliche Crystal Meth immer mehr Menschen im Griff hält. Die Zahl der Konsumenten, die erstmals damit auffielen, stieg 2014 im Vergleich zum Vorjahr um 14 Prozent auf 3138.
Repräsentative Daten über den Crystal-Gebrauch gibt es nicht. Mortler berichtete, in Polen würden nun in großen Mengen gehandelte Vorläufersubstanzen unter Verschreibungspflicht gestellt. In Tschechien gebe es Kontroll- und Einsatzgruppen. Die künstliche Droge stammt oft aus Drogenküchen in diesen Nachbarländern. Den größten Anstieg erstauffälliger Konsumenten gab es 2014 bei Ecstasy mit 2096 Fällen (plus 42 Prozent). Rückläufig sei der Konsum von Kokain und Heroin.
Immer mehr Menschen nutzen trotz Suchtgefahren Geldspielautomaten. Der Anstieg fiel besonders deutlich bei den 18- bis 20-jährigen Männern auf - seit 2007 hat sich der Anteil der Automatenspieler etwa vervierfacht, von 5,8 auf 23,5 Prozent.
Die Opposition warf der Drogenpolitik der Regierung Versagen vor. Die SPD betonte, Drogen würden von vielen auch einfach genommen, um den Alltag zu bewältigen. Das müsse die Politik berücksichtigen.