Seitdem sich in Madrid und in den USA Klinikmitarbeiterinnen mit Ebola infiziert haben, geraten auch die Sicherheitsvorkehrungen in deutschen Krankenhäusern ins Visier. Regierung, Behörden und Virologen geben weitgehend Entwarnung. Deutschland ist derzeit auf die Aufnahme von bis zu 50 Ebola-Patienten vorbereitet. Momentan ist laut Bundesregierung aber kein neuer Fall konkret absehbar. „Momentan stehen 50 Betten bereit, die unmittelbar eingesetzt werden können“, sagte eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums am Montag in Berlin.
Deutschland ist auch bereit, weitere Patienten ins Land zu lassen. Bisher wurden drei nichtdeutsche Helfer auf internationale Anfrage hin zur Behandlung nach Hamburg, Frankfurt/Main und Leipzig geflogen. „Wir haben das gerne gemacht, weil es selbstverständlich ist, dass wir uns solidarisch zeigen“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts. „Falls es weiter solche Anfragen geben wird, sind wir selbstverständlich bereit, uns solchen Anfragen im Rahmen der Möglichkeiten zuzuwenden.“
Chronologie der aktuellen Ebola-Epidemie
Experten nehmen rückblickend an, dass es in der Region Guéckédou in Guinea den ersten Fall dieser Epidemie gibt.
In Guinea sind laut einem Radiobericht etwa 60 Menschen an Ebola gestorben, es gibt fast 100 Infizierte. Zwei Tage später wird Ebola auch in Liberia nachgewiesen, mindestens fünf Menschen sind bereits gestorben.
Am 23. Juni warnen die ersten Experten, dass die Epidemie außer Kontrolle sei.
In Nigeria bricht ein Regierungsberater Liberias am Flughafen zusammen. Tage später stirbt er, der Test ergibt: er hatte sich mit Ebola infiziert.
Erstmals wird ein Ebola-Infizierter nach Europa gebracht: Spanien fliegt den Geistlichen Miguel Pajares ein. Er stirbt kurz darauf. Am 8. August stuft die WHO die Epidemie als Internationalen Gesundheitsnotfall ein.
Erstmals kommt ein Ebola-Patient aus Westafrika nach Deutschland. Er wird in der Uniklinik Hamburg-Eppendorf behandelt. Zwei Tage später erreicht die Seuche mit einem erkrankten Studenten aus Guinea den Senegal. Der Patient gilt inzwischen als geheilt.
Eine UN-Sondermission (UNMEER) eröffnet ihr Hauptquartier in Ghana. Im US-Staat Texas wird bei einem Mann aus Liberia Ebola diagnostiziert.
In Spanien hat sich eine Krankenschwester mit Ebola infiziert. Damit hat sich erstmals ein Mensch in Europa angesteckt. Die Krankenschwester hatte einen an Ebola erkrankten spanischen Priester betreut, der zur Behandlung aus Sierra Leone nach Madrid gebracht worden war und dort wenige Tage später verstarb.
Der Ebola-Patient Thomas Eric Duncan in Texas stirbt. Der 42-Jährige hatte sich in Liberia infiziert, war aber erst in den USA erkrankt. Einen Tag später trifft ein dritter Ebola-Patient in Deutschland ein. Die Ärzte im Leipziger Klinikum bezeichnen den Zustand des aus dem Sudan stammenden UN-Mitarbeiters als „hochgradig kritisch“.
In Liberia droht ein Streik im Gesundheitswesen die Krise zu verschärfen. Pflegekräfte fordern mehr Geld und Schutz. Am Tag darauf wird bekannt, dass der Leipziger Patient tot ist.
Der Patient in Hamburg war nach mehrwöchiger Versorgung geheilt aus dem Krankenhaus entlassen worden. In Kliniken in Leipzig und Frankfurt dauern die Therapien noch an.
„Wir sind vorbereitet“
Medienberichte, nach denen ein weiterer Ebola-Patient in Berlin behandelt werden soll, wiesen Bundesregierung und Berliner Behörden zurück. Sie könnten dies nicht bestätigen, so die Ressorts für Gesundheit und Auswärtiges. Es gebe keine entsprechende Anfrage, sagte auch eine Sprecherin der Berliner Gesundheitsverwaltung.
Der Uniklinik Charité, die eine Sonderisolierstation für schwere Infektionsleiden bereithält, war ebenfalls nichts von einer solchen Anfrage bekannt. In den nächsten zwei Tagen sei kein Ebola-Patient zur Aufnahme angemeldet, sagte Charité-Chef Karl Max Einhäupl. Doch irgendwann werde ein solcher Patient wohl kommen. „Wir sind vorbereitet“, sagte Einhäupl.
Das deutschlandweite Netz an Behandlungszentren in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Leipzig, München und Stuttgart, die auf hochansteckende Krankheiten spezialisiert seien, genieße auch international einen guten Ruf, so die Sprecherin weiter. „Diese Fälle werden regelmäßig geübt.“ In Frankfurt, Düsseldorf, München und Hamburg gebe es zudem spezialisierte Flughäfen, an die Flugzeuge umgeleitet werden könnten, wenn dort ein Verdachtsfall auftritt.
RKI schließt Ebola-Einschleppung nicht aus
Eine versehentliche Einschleppung des Erregers nach Deutschland hält das Robert Koch-Institut (RKI) für nicht ausgeschlossen. „Das Risiko ist gering, aber wir müssen natürlich damit rechnen“, sagte der Vize-Präsident des Berliner RKI, Lars Schaade, im ZDF-Morgenmagazin. Experten schließen eine Weitergabe von Mensch zu Mensch innerhalb der Kliniken aber aus. Als Garant gelten jahrzehntelanges Training und hohe Sicherheitsstandards.
Die Sprecherin des Gesundheitsministeriums, Katja Angeli sagte am Montag, in Deutschlands speziellen Behandlungszentren arbeite hochspezialisiertes Personal unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen. Ziel sei es, mit Hilfe der Schutzvorkehrungen Fehler zu 100 Prozent auszumerzen. Angeli betonte, die Bundesländer überwachten, dass die Sicherheitsvorschriften eingehalten würden. Das Personal übe regelmäßig, wie etwa die Schutzanzüge angezogen und abgelegt werden müssten, um eine Infektion zu vermeiden. Da die Arbeit unter den Anzügen sehr strapaziös ist, wird jeder Helfer nach drei bis vier Stunden abgelöst.
Virologe: Begrenzer Ebola-Ausbruch in Deutschland möglich
Notfallpläne und Ausrüstung in Deutschland gelten als vorbildlich. Auch der Virologe Alexander Kekule hält es daher für "nahezu ausgeschlossen", dass das Virus aus einer Sonderisolierstation entweichen kann. Überhaupt werde Ebola in Europa wegen der guten Vorbereitung auf den Ernstfall nie eine Epidemie auslösen. Ein begrenzter Ausbruch mit zehn oder 20 Fällen sei jedoch nicht auszuschließen.
Ein Problem sieht Kekule bei der geographischen Verteilung der speziellen Isolierstationen, wie er in der "Süddeutschen Zeitung" schrieb. In Berlin etwa seien in kurzer Zeit bis zu 24 solcher Behandlungsplätze verfügbar, im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen gebe es jedoch nur drei und in anderen Bundesländern mitunter gar keine. Auch die bundesweit rund ein Dutzend Spezialfahrzeuge hält er für nicht ausreichend.
Die wichtigsten Infos zur Ebola-Ansteckung in Texas
Die exakte Ausrüstung kann variieren. Zu einer Ausstattung für den Umgang mit gesundheitsgefährdenden Stoffen gehören in der Regel ein Kittel, zwei Paar Handschuhe, eine Gesichtsmaske und ein Augenschutz. Es gibt strenge Protokolle dafür, wie diese Schutzausrüstung richtig angewendet wird. Die Kleidung wird im Rahmen eines „Buddy-Systems“ jeweils mit einem Kollegen an- und ausgezogen. Dieser passe auf, dass das korrekt laufe, erklärt Dr. Dennis Maki, Spezialist für Infektionskrankheiten von der University of Wisconsin in Madison.
Die Behörden konzentrieren sich auf zwei Aspekte: Darauf, wie die Schutzkleidung entfernt wurde und auf die medizinischen Verfahren bei der Behandlung von Thomas Eric Duncan. Dazu gehörten eine Dialyse und der Einsatz eines Atmungsgeräts. Bei beiden Vorgängen werden Schläuche eingeführt - entweder in Blutgefäße oder in einen Atemweg. Dies erhöht die Gefahr, dass Klinikbeschäftigte in Kontakt mit den Körperflüssigkeiten des Patienten kommt - die Voraussetzung für eine Ebola-Übertragung.
„Die Entfernung der Ausrüstung kann wirklich die höchste Gefahr darstellen“, sagt Dr. Eileen Farnon von der Temple University. „Man muss äußerst vorsichtig sein und jemanden haben, der einen beobachtet, um sicherzugehen, dass man sich an alle Schritte erinnert.“ Nach jedem dieser Schritte würden in der Regel die Hände mit Desinfektionsmittel oder Chlorspray gereinigt, erklärt Farnon.
Ein Teil der Schutzkleidung könnte beim Ausziehen mit einer Oberfläche in Berührung kommen und diese verunreinigen. Neues Datenmaterial legt nahe, dass selbst winzige Tropfen einer Körperflüssigkeit eines Patienten das Virus enthalten könnten, sagt Maki. „Ich kann den Anzug anhaben und sehr vorsichtig sein, aber ich kann irgendwelche Sekrete oder Körperflüssigkeiten an einer Oberfläche aufnehmen“, und auf diesem Weg verbreiten, erklärt er.
Spezialabteilungen sind das Ideal, aber in den USA gibt es davon weniger als ein halbes Dutzend. Zudem verfügen diese nicht über eine unbegrenzte Anzahl an Betten. „Die Verlegung von Patienten stellt auch selbst ein hohes Risiko dar“, sagt Farnon. Dabei würden potenziell mehr Personen dem Virus ausgesetzt.
Die Seuchenbehörde CDC rät dazu, dass eine Klinik die Zahl der Mitarbeiter verringert, die einen Ebola-Patienten betreuen. Zudem sollten sich diese auf die unbedingt nötige Behandlung des Patienten beschränken. Des Weiteren sollte laut CDC ein Vollzeitbeauftragter für Infektionskontrolle ernannt werden, während in einem Krankenhaus ein Ebola-Patient behandelt wird.
CDC-Leiter Tom Frieden hat angekündigt, dass sich die Behörde auch mit der persönlichen Schutzausrüstung befassen werde. Es sei nicht zwangsläufig sicherer, mehr Ausrüstung anzuziehen, da dies es erschweren könnte, „effektive Pflege zu leisten“, erklärt Frieden.
Das Gesundheitsressort forderte Aufklärung von den USA und Spanien. Dort hatten sich eine Krankenschwester und eine Pflegehelferin trotz Schutzkleidung angesteckt. Geklärt werden müsse, wie das passieren konnte, wie die Sprecherin deutlich machte. Die Spanierin soll sich beim Ausziehen des Schutzanzugs mit einem Handschuh versehentlich ins Gesicht gefasst haben. Zudem häufen sich die Anzeichen, dass es in der Klinik deutliche Mängel bei der Ausrüstung gibt: Ein unter Quarantäne stehender Arzt beklagte etwa, die Ärmel seines Schutzanzugs seien zu kurz gewesen.
Bei der infizierten US-Krankenschwester wird mit Hochdruck nach der genauen Ursache geforscht. Der Chef der US-Gesundheitsbehörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention), Tom Frieden, sagte am Sonntag, "an irgendeinem Punkt gab es einen Verstoß im Protokoll und der Verstoß führte zur Infektion.“ US-Gesundheitsexperten beklagen gar, in allen Kliniken des Landes werde die Schulung der Mitarbeiter für den Umgang mit der Krankheit vernachlässigt.
Ansteckungsrisiko war in beiden Fällen hoch
Sowohl der Patient in Spanien als auch der in den USA hätten bereits starke Symptome und damit eine sehr hohe Viruslast gehabt, erläuterte Christian Drosten vom Institut für Virologie des Universitätsklinikums Bonn. Damit sei das Risiko für eine Übertragung in beiden Fällen vergleichsweise hoch gewesen. Das Ausziehen des Schutzanzuges sei ein komplexer Prozess, bei dem die Reihenfolge einzelner Handgriffe exakt eingehalten werden müsse.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat inzwischen weit über 8000 Ebola-Fälle in den drei am stärksten von Ebola betroffenen Ländern Guinea, Liberia und Sierra Leone registriert. Mehr als 4000 Menschen starben. Experten gehen zudem von einer hohen Dunkelziffer aus.
Hochrangige Vertreter der EU-Staaten sollen am Donnerstag in Brüssel über bessere Abstimmungen bei Vorkehrungen gegen Ebola beraten. „Die Idee ist, insbesondere über die Frage von Ankunftskontrollen in der EU zu diskutieren“, sagte ein Sprecher. Er verwies darauf, dass Großbritannien Untersuchungen auf den gefährlichen Erreger bei der Einreise angekündigt hat. In den USA werden Reisende am New Yorker John F. Kennedy-Flughafen auf mögliche Symptome untersucht, vier andere große US-Flughäfen sollten folgen. Die EU-Staaten könnten solche Vorkehrungen für Reisende an Flughäfen oder Bahnhöfen treffen, sagte der Sprecher. Dabei sollten sie sich aber grundsätzlich abstimmen.