
Ein Forscherteam des Fraunhofer-Instituts hat ein EKG-System entwickelt, das erkennt, wann Kraftfahrer übermüdet sind oder der Herzrhythmus unregelmäßig ist. Ein Nothalteassistenzsystem soll dann in solchen potenziellen Unfallsituationen das Fahrzeug vollautomatisch zum Stehen bringen.
Im Zeitraum von Januar bis Juli 2015 haben Verkehrsteilnehmer in Deutschland laut Statistischem Bundesamt mehr als 2200 Unfälle verursacht, bei denen Personen verletzt oder sogar getötet wurden, weil sie körperlich oder geistig nicht dazu in der Lage waren, ein Fahrzeug zu führen. "Neben Übermüdungszuständen sind kardiovaskuläre, also das Herz oder die Gefäße betreffende, medizinische Notfälle wie Herzinfarkte oder Herzrhythmusstörungen die Hauptursache für eine plötzlich auftretende Fahruntüchtigkeit bei Autofahrern", heißt es im Forschungsbericht.





Das Team aus dem Forschungsbereich Photonische Mikrosysteme IPMS hat deshalb ein Verfahren entwickelt, das permanent die Herzaktivität des Lkw-Fahrers misst und daraus ein EKG ableitet – und das ohne Hautkontakt. Das System befindet sich im Sitz. Durch Kleiderschichten hindurch stellen Elektrode und Körperoberfläche einen Kontakt her. Die Signalübertragung erfolgt dann über Platten, die im Sitz verbaut sind und mit der Körperoberfläche einen Kondensator bilden. "Selbst bei mehreren Kleiderschichten und kleineren Bewegungen funktioniert das System einwandfrei", erklärten die Forscher.
Die einzige Schwierigkeit ist, die schwachen Signale von äußeren Störeinflüssen zu trennen – und trotzdem die Herzfrequenz zu messen. Doch dafür haben die Forscher eine Lösung gefunden: Auf der Elektrodenplatine um die Messplatte herum haben sie einen Schirmring und eine innenliegende Schirmebene angebracht, um äußere Einflüsse abzuwenden.
Die Forscher können sich durchaus vorstellen, dass das Messverfahren auch in anderen Bereichen eingesetzt werden kann: in Krankenhausbetten oder Textilien. Wann die neue Technik auf dem Markt eingeführt wird, ist bislang noch unklar. Das Forscherteam beschäftigt sich ausschließlich mit dem EKG-System, das die Informationen über die Herzaktivitäten bereithält. "Autohersteller müssen in einem nächsten Schritt ein System entwickeln, wie das Auto durch die Signale zum Bremsen gebracht wird", sagt Michael Scholles, Leiter des Forschungsteams, auf Anfrage von WirtschaftsWoche Online.
Bisher gebe es noch keine konkreten Anfragen von Autoherstellern.
Damit das automatische Bremsen in einer Notfallsituation nicht zu einer Gefahrenquelle auf den Straßen wird, müssten Autohersteller diverse Szenarien entwickeln, um das Fahrzeug sicher zum Stehen zu bringen.