Entstehung des Universums Abschied vom kleinen Bruder des Gottesteilchens

Um das Universum direkt nach dem Urknall erklären zu können, suchen Forscher nach einem Teilchen ähnlich dem „Gottesteilchen“ Higgs-Boson. Doch Daten des Teilchenbeschleunigers LHC liefern bislang keine Spuren.

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Forscher suchen in den Zerfallsprodukten nach Spuren des mysteriösen Inflatons. (Foto: LHCb Collaboration, CERN)

Berlin In den ersten Momenten nach dem Urknall muss sich unser Universum mit unvorstellbarer Geschwindigkeit ausgedehnt haben. So legt es zumindest die Theorie der kosmischen Inflation nahe, mit der Kosmologen versuchen, die ersten Sekundenbruchteile nach jenem großen Knall zu beschreiben, mit dem vor knapp 14 Milliarden Jahren das Universum seinen Anfang nahm.

Der Charme der 1981 von dem US-Physiker Alan Guth entwickelten Inflationstheorie liegt darin, dass sie einige Probleme des klassischen Urknallmodells löst – unter anderem die heute nachweisbare Homogenität der kosmischen Hintergrundstrahlung im Universum.

„Wenn wir in den Himmel schauen, blicken wir in Regionen, die zum Teil so weit voneinander entfernt sind, dass nichts von dem, was in der einen passiert, Auswirkungen auf die andere haben sollte“, erläutert Marcin Chrzaszcz von der polnischen Akademie der Wissenschaften. „Trotzdem sind, wohin wir auch schauen, die Temperaturen in fernen Regionen des Kosmos überall nahezu gleich.“

Chrzaszcz gehört zu einem Team von Wissenschaftlern, das nach dem „Motor“ der kosmischen Inflation sucht – ein Kraftfeld, das der extremen Gravitation des gerade entstandenen Universums entgegenwirkte. „Die Annahme eines solchen Feldes bedeutet aber, dass es auch ein Teilchen als Träger des Effekts geben muss“, so Chrzaszcz. „Lange wurde das berühmte Higgs-Boson als möglicher Kandidat gehandelt. Doch als dieses Elementarteilchen schließlich mit dem Teilchenbeschleuniger LHC nachgewiesen werden konnte, erwies es sich als zu schwer.“

Seither suchen Teilchenphysiker nach einem „kleinen Bruder“ von Higgs – einem Elementarteilchen mit ähnlichen Eigenschaften, das aber leichter ist als sein berühmter Verwandter. Einen Namen hat dieses hypothetische Teilchen auch schon: Inflaton.

Mit dem Nachweis dieses Teilchens tun sich die Experten allerdings schwer. Und bestimmte mit dem LHC gesammelte Daten lassen die Befürchtung aufkommen, dass sie sich sogar ganz von der Inflaton-Theorie verabschieden müssen.


Ein leichtes Inflaton existiert wohl nicht

Gäbe es das Inflaton in der angenommenen Form, müsste es sich beim Zerfall bestimmter subatomarer Teilchen, den B-Mesonen, nachweisen lassen. „Daher nahmen wir uns Daten zum Zerfall von Mesonen vor, die am LHC in den Jahren 2011 und 2012 gesammelt worden waren“, so Chrzaszcz‘ Kollege Andrea Mauri von der Universität Zürich.

Doch obwohl die Forscher nahezu den gesamten Massebereich untersuchten, der für das Inflaton angenommen wird, fanden sie keine Spur des mysteriösen Teilchens. „Wir können mit hoher Sicherheit sagen, dass ein leichtes Inflaton einfach nicht existiert“, so Chrzaszcz.

Entweder müssen die Forscher also ihre Suchparameter ändern und nach einem schwereren Inflaton Ausschau halten - was wiederum Auswirkungen auf die dahinter stehende Theorie hätte. Oder die kosmische Inflation wurde von einem völlig anderen Motor angetrieben. Ihn zu finden, wäre dann eines der größten Rätsel, das die moderne Astronomie zu lösen hätte.

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