Ernährung Gefällig, gesund – und genverändert

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Vorbehalte gegenüber Genfood verpuffen, wenn es appetitlich aussieht

Auch J. R. Simplot setzt auf die farblichen Vorzüge von Genfood. Und darauf, dass es gesünder ist. Von den Aufsichtsbehörden in Japan, Kanada und den USA hat der amerikanische Agrarkonzern bereits die Zulassung für die Designerkartoffel Innate erhalten. Die wird nach dem Aufschneiden nicht braun und produziert beim Frittieren kaum Acrylamid. Nach Einschätzung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit steigert ein erhöhter Verzehr von Acrylamid das Krebsrisiko. Deshalb hat die EU kürzlich eine Verordnung erlassen, die Restaurants eine Acrylamid-reduzierte Zubereitung von Kartoffeln vorschreibt. Die Politik verleiht dem Geschäft mit dem gesunden Genfood dadurch indirekt Schwung. Das, was Restaurants und Supermärkte nicht anbieten, kann schließlich auch keiner kaufen.

Gleichwohl: Bis es Genfood in die Regale schafft, braucht es langwierige Genehmigungsverfahren und viel Überzeugungsarbeit. Apfelbauer Carter hat Okanagan deshalb vor drei Jahren an den Biotechkonzern Intrexon verkauft, der auch genetisch veränderte Moskitos in Umlauf bringt, um in Südamerika das Zika-Virus zu bekämpfen. Nur so, sagt Carter, habe es sein Arctic Apple letztlich in den Supermarkt geschafft. „Bei Konsumenten verpuffen die Vorbehalte gegenüber Genfood, solange ein Produkt appetitlich aussieht“, sagt Carter. Viel schwieriger sei es, die großen Supermarktketten zu überzeugen: „Die fürchten Demonstranten mit Anti-Genfood-Plakaten vor ihren Läden.“

Der Widerstand von Aktivisten ist nach wie vor groß, selbst in den USA. Im Fall der niemals braun werdenden Kartoffel, die auch vor Krebs schützen soll, ist es den Kritikern sogar gelungen, McDonald’s auf ihre Seite zu ziehen: Die Innate kommt vorerst nicht in seine Küche, ließ der Burgerbrater wissen. Und weil McDonald’s der wichtigste Kunde des Agrarkonzerns ist, dürfte Simplot auch in Zukunft vor allem auf etablierte Sorten setzen.

In Europa sind viele Genprodukte nicht nur unpopulär, sondern auch verboten. Greenpeace verkündete kürzlich, in 19 EU-Staaten Regeln durchgesetzt zu haben, die den Anbau genveränderter Pflanzen verbieten. In Deutschland gelten die schärfsten Gesetze. Und das hat Folgen. Gehören deutsche Pflanzen-Genetiker bei der Grundlagenforschung nach wie vor zur Weltspitze, so ist die angewandte Forschung hierzulande inzwischen ausgestorben, klagt Klaus-Dieter Jany, Vorstand im Wissenschaftlerkreis Grüne Gentechnik.

Dabei seien in Deutschland etwa 60 Millionen Euro an staatliche und universitäre Einrichtungen geflossen, um mögliche Nebenfolgen der Gentechnik für die Umwelt und die Gesundheit von Mensch und Tier zu untersuchen. Nachweisen ließ sich nichts, sagt Jany, Leiter des Molekularbiologischen Zentrums an der Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel. Aber: „Wissenschaftliche Erkenntnisse spielen in der öffentlichen und politischen Meinung keine Rolle, wenn es um Genfood geht.“

Nicht nur Jany sieht darin ein Problem. Im vergangenen Jahr appellierten 129 Nobelpreisträger an Greenpeace, die Ablehnung von Genfood aufzugeben. Ihr stärkstes Argument: Der von den deutschen Biologen Ingo Potrykus und Peter Beyer initiierte „goldene Reis“ könne Millionen Menschenleben retten. Die Reissorte ist gentechnisch so verändert, dass eine Portion den Bedarf an Vitamin A, Zink und anderen Vitaminen deckt – und damit die Unterernährung in Teilen der Erde beenden könnte. Jedes Jahr sterben laut Unicef bis zu zwei Millionen Menschen in Afrika, Indien und Südostasien an Vitamin-A-Mangel.

Was hinter den Kulissen von Monsanto passiert
Monsanto Quelle: Jonathan Gayman für WirtschaftsWoche
Monsanto Quelle: Jonathan Gayman für WirtschaftsWoche
Monsanto Quelle: Jonathan Gayman für WirtschaftsWoche
Monsanto Quelle: Jonathan Gayman für WirtschaftsWoche
Monsanto Quelle: Jonathan Gayman für WirtschaftsWoche
Monsanto Quelle: Jonathan Gayman für WirtschaftsWoche
Monsanto Quelle: Jonathan Gayman für WirtschaftsWoche

Vorbild Babymöhre

Greenpeace gibt sich unbeeindruckt – und verweist auf die unkalkulierbaren Risiken der grünen Gentechnik für die Umwelt. Man könne die Wirkung einmal ausgesäter genveränderter Pflanzen nicht zurückholen, sagt Dirk Zimmermann, der für die Organisation in Deutschland Kampagnen rund um die Landwirtschaft steuert. Auch von Carters Arctic Apple hält er nicht viel: Der bringe nur ein bisschen mehr Bequemlichkeit, weil der Kunde die Äpfel nicht selbst schneiden müsse – und sie trotzdem schön im Supermarkt aussehen. Das sei aber auch alles.

Doch vielleicht ist das Wenige schon genug. Nachdem der kalifornische Karottenbauer Mike Yurosek 1986 die Babykarotte erfand, indem er aus großen krummen Karotten praktische Minikarotten schnitzte, verdreifachte sich der Karottenabsatz in den USA binnen weniger Jahre. Carter hofft auf einen ähnlichen Effekt für seinen Arctic Apple.

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