




Beinahe jedes sechste Kind in Deutschland ist nach Zahlen des Robert-Koch-Instituts übergewichtig – die Rate hat sich seit den Neunzigerjahren verdoppelt. Das Übergewicht von Kindern und Jugendlichen schafft Leid und kostet Geld: Dicke Kinder werden meist dicke Erwachsene und sie haben ein erhöhtes Risiko für Krankheiten wie Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen. Außerdem ist die sogenannte Adipositas ein Risikofaktor bei der Entstehung von Krebs. Übergewicht verursacht auch hohe Kosten im Gesundheitssystem und damit für die gesamte Gesellschaft.
Salzig-fettige Chips und Tiefkühlpizzen, pappsüße Joghurts, Kinder-Ketchup, das mehr Zucker enthält als konventionelles Ketchup, fettig-süße Nuss-Nougat-Creme oder übersüßte Softdrinks: Die lieben Kleinen essen schlicht zu viel Zucker und Fett.
Laut aktuellem Welternährungsbericht des Washingtoner International Food Policy Research Institute sind die Deutschen Vizeweltmeister: Pro Tag verputzen sie knapp 103 Gramm Zucker und fast 87 Gramm Fett. Nur Amerikaner respektive Belgier übertreffen sie. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt lediglich 50 Gramm Zucker und 65 Gramm Fett pro Tag.
Hinter welchen Bezeichnungen sich Zucker versteckt
Zuviel Zucker ist ungesund - das weiß jedes Kind. Doch die süße Zutat versteckt sich hinter allerlei Bezeichnungen. Ein Blick auf häufige Deklarationen, um den Durchblick zu wahren:
Das ist der gewöhnliche Haushaltszucker, der aus einem Molekül Glucose und einem Molekül Fructose besteht. Gewonnen wird er aus Zuckerrübe, Zuckerrohr und Zuckerpalme. Übrigens: brauner Zucker ist nicht gesünder als weißer. Beide haben gleich viele Kalorien (400 kcal pro 100 Gramm) und sind gleich schädlich. Weißer Zucker wird einfach häufiger gereinigt. Brauner Zucker kann zwar noch minimale Mineralstoff-Spuren enthalten, das ist aber so wenig, dass es gesundheitlich keinerlei Vorteil bringt.
Hinter dem Begriff Laktose verbirgt sich der Milchzucker. Er setzt sich aus einem Molekül Glukose und einem Molekül Galaktose zusammen. Für Menschen mit einer Laktoseintoleranz ist der Zucker problematisch: Sie können ihn nicht verdauen, was zu Blähungen und Durchfall führt. In der Lebensmittelherstellung ist Laktose beliebt, weil sie billig ist und damit eine cremige Konsistenz erzeugt werden kann, was zum Beispiel bei Schokoriegeln erwünscht ist.
Generell lässt die Endung -ose auf Zucker schließen, etwa Dextrose oder Fruktose.
Es ist ein Nebenprodukt der Käseverarbeitung und besteht zu etwa 72 Prozent aus Milchzucker.
Er wird auch als Glucose-Sirup, Bonbonsirup, Isoglukose, Corn Sirup oder Maiszucker bezeichnet. Es handelt sich um einen Zuckersirup, der durch enzymatische Aufspaltung einer stärkehaltigen Lösung entsteht und aus Glukose und Fruktose (in veränderlichen Anteilen) besteht. Er kann besonders billig aus Mais, aber auch aus Kartoffeln und Weizen gewonnen werden. Diese Zuckersirup-Arten werden vor allem für Pralinen, Riegel oder Frühstücksflocken als Bindemittel eingesetzt, weil sie so klebrig sind. Kalorientechnisch steht der Sirup dem Haushaltszucker in nichts nach.
Er wird mit Säure oder einem Enzym (der sogenannten Invertase) aus Saccharose hergestellt, die dabei in ihre beiden Bausteine Glukose und Fruktose zerlegt wird. Dadurch schmeckt er etwas milder und fruchtähnlicher. Invertzuckersirup wurde früher auch "Kunsthonig" genannt. In der Lebensmittelindustrie wird er ähnlich wie Glukosesirup eingesetzt, weil er nicht so leicht kristallisiert.
Maltose, der Malzzucker, ist ein Abfallprodukt in der Stärkeherstellung aus zwei Glukosemolekülen. Er entsteht zum Beispiel beim Bierbrauen. Zucker verbirgt sich außerdem hinter allen Bezeichnungen, die mit "Malto" beginnen, etwa Maltodextrin oder Maltoextrakt.
Er gilt als Alternative zum Zucker, enthält aber fast so viele Kalorien wie normaler Zucker, da er zu etwa 80 Prozent aus Zucker besteht. Verbreitet sind zum Beispiel Agaven- oder Apfeldicksaft.
Um den gefährlichen Trend zum Kugelbauch und dicken Waden zu stoppen, fordern Experten jetzt Radikales: „Wir brauchen endlich eine Zucker-, Fett- und Salzsteuer“, verlangt Dietrich Garlichs, Geschäftsführer der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Garlichs weiß sich darin einig mit insgesamt 17 medizinischen Fachgesellschaften – darunter etwa das Deutsche Krebsforschungszentrum und die Deutsche Krebshilfe - die sich unter dem Namen Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) zusammengeschlossen haben - auch um ihren Forderungen mehr Nachdruck zu verleihen. Gleichzeitig könnte die Bundesregierung die Abgaben für gesunde Lebensmittel wie Obst und Gemüse senken.
Bisher hatte die Politik vor allem auf freiwillige Selbstverpflichtungen der Lebensmittelhersteller gesetzt. Die sollten bei Kindern nicht für Nahrungsmittel werben, die nicht den Anforderungen an ausgewogene Kinderlebensmittel der WHO entsprechen. Denn das Tückische an Zucker, Fett und Co.: Die Leckereien gewöhnen Kinder bereits früh an ungesunde Geschmacksrichtungen. „Eine Prägung, die sich ähnlich wie beim Rauchen später nur sehr schwer ändern lässt“, sagt Garlichs.
Werbeverbot für ungesunde Produkte
Doch die Selbstverpflichtung namens EU Pledge greift nicht, so eine Studie von Diabetes Gesellschaft, Deutscher Adipositas Gesellschaft, Deutscher Diabetes Hilfe und der Verbraucherorganisation Foodwatch. Bei 90 Prozent von 281 untersuchten Produkten wie Kinderjoghurt, Frühstücksflocken und Kinderschokolade zeigte sich: Sie sind nach den Kriterien der WHO keine ausgewogenen Kinderlebensmittel.
Wieviel Zucker steckt in...
In dem Schokoriegel (18 Gramm) stecken rund sechs Gramm Zucker.
In einem Riegel (58 Gramm) stecken rund 39 Gramm Zucker.
20 Gramm der Schokocreme enthalten rund 12 Gramm Zucker.
200 Milliliter Apfelsaft enthalten 20 Gramm Zucker.
200 Milliliter Cola enthalten etwa 18 Gramm Zucker.
200 Milliliter Milch enthalten 10 Gramm Zucker.
Eine Portion (50 Gramm) dieses Kinderprodukts enthält 7,6 Gramm Zucker.
Zwiebelsuppe aus der Tüte von Maggi enthält laut Hersteller 24 Gramm Zucker auf 100 Gramm der trockenen Zubereitung. Fertig gekocht entspricht das bei einer Portion von 250 Millilitern 3,3 Gramm Zucker.
Neben den Strafsteuern fordern die Organisationen deshalb auch ein „gesetzliches Werbeverbot für ungesunde Kinder-Produkte“. Für die WHO Europa zählt beispielsweise auch Speiseeis zu den Produkten, die aufgrund ihres extrem hohen Zucker- und zum Teil auch Fettgehaltes grundsätzlich nicht beworben werden sollten.
Die WHO empfiehlt jedenfalls, einerseits den Zucker-, Fett- und Salzgehalt in Lebensmitteln zu reduzieren und andererseits den Konsum von gesunden Lebensmitteln zu fördern. Eine differenzierte Lebensmittelsteuer, die ungesunde Lebensmittel verteuert und gesunde Lebensmittel verbilligt, kann demnach eine gesunde Ernährung unterstützen.