
Experten fürchten, dass die wegfallenden Kapazitäten vor allem in den Niederlanden und Großbritannien, die einen großen Teil des deutschen Erdgasbedarfs decken, nur schwer ersetzt werden können.„Was die Risiken für die Erdgasversorgung betrifft, haben wir zu lange nur auf Russland geschaut“, sagt Kirsten Westphal, Energieexpertin bei der renommierten Politikberatung Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin in der WirtschaftsWoche. „Dabei sind andere Probleme aus dem Blick geraten.“
So kann sich die europäische Erdgas-Produktion im schlimmsten Fall in den nächsten zehn Jahren halbieren, befürchten Experten. Dabei produzieren Norwegen, die Niederlande und Großbritannien 47 Prozent des Erdgas-Bedarfs in der EU. Russland liefert nur 26 Prozent. Vom deutschen Gasbedarf liefern die Niederlande und Norwegen 46 Prozent, zehn Prozent kommen aus deutschen Vorkommen.
Doch vor allem im riesigen Gasfeld Groningen, vor der Küste der Niederlande und in den britischen Gasfeldern sinkt die Förderung zum Teil dramatisch. So wird die Förderung in Groningen gedrosselt, weil die Region von Erdbeben als Folge der Erdgasförderung bedroht ist. „Einen Förderrückgang in Groningen können die Niederlande nicht auffangen“, fürchtet Tim Boersma, Energieexperte der Brookings Institution, einem US-Thinktank. In Deutschland versiegen die aktiven Felder voraussichtlich 2025 komplett.
In Großbritannien ist die Erdgasproduktion seit 2005 eingebrochen. Alte, seit Jahrzehnten aktive Felder leeren sich rasant. „Mögliche neue Felder sind aber nur mit großem Aufwand zu erschließen“, sagt William Powell, Erdgasexperte beim Analyseunternehmen Platts in London. „Insgesamt befindet sich die Öl- und Erdgasindustrie in Großbritannien in einer Dämmerphase“, so Powell. Laut einer Studie der Universität Oxford versiegen die aktuell in Betrieb befindlichen Felder in weniger als sieben Jahren.