Fleisch ist nicht immer gleich Fleisch Verbraucherschützer prangern Mogel-Wurst an

Wo Fleisch drauf steht, muss nicht unmittelbar Fleisch drin sein, mussten Verbraucherschützer während einer europaweiten Untersuchung feststellen. In Großbritannien gibt es sogar Lamm, das kein Gramm Lamm enthält.

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Fleisch ist nicht immer gleich Fleisch, mussten die Verbraucherschützer feststellen. Quelle: dpa

Wenn auf einem Etikett in Europa eine bestimmte Fleischsorte steht, muss das nicht unmittelbar bedeuten, dass sich in der Verpackung auch genau dieses Fleisch befindet. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des europäischen Verbraucherschutzverbandes Beuc, der von April 2014 bis August 2015 in Portugal, den Niederlanden, Belgien, Italien, Tschechien, Großbritannien und Spanien unterschiedliche Fleischprodukte untersucht hat. Denn laut Studie sind viele Produkte unzureichend etikettiert oder enthalten nicht die die richtigen Zutaten. Die Konsequenz: Die Konsumenten wissen gar nicht, was sie da genau in den Supermärkten kaufen.

So fanden die Verbraucherschützer heraus, dass 40 Prozent der verpackten Lammprodukte in Großbritannien durch andere Inhaltsstoffe, beispielsweise Rind und Huhn, verunreinigt waren – 7 Prozent enthielten sogar gar kein Lamm. Außerdem kritisieren die Verbraucherschützer, dass Firmen die Namen von hochwertigen Produkten leicht abändern und dann ihre Waren so bezeichnen, sodass der Kunde im Endeffekt ein vermeintlich besseres Produkt kauft.

So krank macht Fleisch
Vegetarische Wurst Quelle: dpa
Geringeres Risiko für LeberkrebsEine Studie, die im Journal "Alimentary Pharmacology & Therapeutics" veröffentlicht wurde, zeigt, dass der Verzehr von sogenanntem weißen Fleisch (Geflügel) und Fisch das Risiko von Leberkrebs senken kann. Die Forscher werteten Daten aus Langzeitbeobachtungen von 1956 bis 2013 aus und kamen zu dem Ergebnis, dass die Leberkrebs-Gefahr so um 31 Prozent (hoher Anteil von Geflügelfleisch) beziehungsweise 22 Prozent (hoher Fischkonsum) sinkt. Zwischen rotem Fleisch (z.B. Rind, Lamm, Schwein) oder stark verarbeiteten Fleischwaren und Leberkrebs fanden die Forscher keinen Zusammenhang.Viele andere Studien belegen hingegen die gesundheitlichen Risiken des Fleischkonsums: Quelle: dpa
Mehr als zehn Prozent der deutschen Bevölkerung ernähren sich ohne Fleisch, wie die Gesellschaft für Konsumforschung ermittelt hat. Viele Menschen essen jedoch permanent zu viel Fleisch und zu wenig Gemüse oder Obst – und zwar quer durch alle Altersgruppen. Laut dem Fleischatlas 2014 des BUND liegt der Pro-Kopf-Verzehr derzeit bei 60 Kilogramm im Jahr. Rund 40 Prozent der Kalorien, die wir in Deutschland täglich zu uns nehmen, stammen aus tierischen Lebensmitteln. Zum Vergleich: In Italien machen Fleisch- und Milchprodukte nur 24 Prozent der täglichen Energiezufuhr aus. Besonders der Verzehr von sogenanntem roten Fleisch, dazu zählen Rind- Schweine- und Lammfleisch, wird von Ernährungsexperten kritisch gesehen. Quelle: dpa
Brustkrebs-RisikoEine aktuelle Studie aus den USA zeigt die Gesundheitsrisiken durch den regelmäßigen Verzehr von roten Fleischwaren wie Steak, Bratwurst, Burger und Co. auf. Die Studie vom Juni 2014, die von Forschern der Universität Harvard verfasst wurde, untersuchte über einen Zeitraum von 20 Jahren rund 88.800 Frauen. Es wurden Ernährungsprotokolle und Fälle von Brustkrebs dokumentiert. Über die Jahre wurden 2830 Brustkrebs-Erkrankungen dokumentiert. Dabei zeigte sich, dass ein höherer Konsum von rotem Fleisch mit einem erhöhten Risiko für Brustkrebs einhergeht. Bei hohem Konsum von Geflügelfleisch, Fisch, Eiern, Hülsenfrüchten und Nüssen wurde hingegen keinerlei Verbindung zu Brustkrebserkrankungen festgestellt. Im Gegenteil zeigte sich, dass der Ersatz von Mahlzeiten aus rotem Fleisch durch eine der anderen Eiweiß-Quellen das Risiko für Brustkrebs um bis zu 24 Prozent senken konnte. Quelle: dpa
Darm- und MagenkrebsDie sogenannte EPIC-Studie (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition) ist eine breit angelegte Studie, an der zehn europäische Länder beteiligt sind. Darin werden rund 520.000 Personen mit signifikanten Unterschieden in der Ernährungs- und Lebensweise untersucht. Die Studie richtet ihr Augenmerk auf den Einfluss der Ernährung auf die Entstehung von Krebs und anderen chronischen Erkrankungen, und bezieht neben Ernährungsweise und -status auch den Lebensstil sowie genetische und Stoffwechsel-Faktoren mit ein. Die Studienergebnisse weisen darauf hin, dass rotes und verarbeitetes Fleisch das Risiko für Darm- und Magenkrebs erhöht. Zugleich weisen die Ergebnisse auf eine mögliche Senkung des Risikos für Darmkrebs durch Ballaststoffe und Fisch hin.Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) weist auf die positiven Auswirkungen von Ballaststoffen sowie die Risiken durch Fleisch für den Darm hin. Die DGE beruft sich auf eine Studie der internationalen Krebsforschungsorganisation (World Cancer Research Fund, WCRF) aus dem Jahr 2011. In Deutschland ist Dickdarmkrebs derzeit die zweithäufigste Krebskrankheit. Aus der Studie ergeben sich die Ernährungsempfehlungen, zur Senkung des Dickdarmkrebsrisikos weniger Fleisch und Fleischprodukte sowie weniger Alkohol zu konsumieren. Pflanzliche Lebensmittel mit geringem Verarbeitungsgrad und hohem Ballaststoffgehalt sollten bevorzugt werden. Quelle: dpa
HerzversagenDas Augenmerk auf Männer legte eine Studie aus Polen. Der Konsum von verarbeitetem roten Fleisch (also etwa Hack für Burger, Bacon, Würste etc.) und das Risiko für Herzversagen wurden in einer Zusammenarbeit der Warschauer University of Life Sciences und dem Karolinska Institut Stockholm untersucht. Die Untersuchung, die im April 2014 veröffentlicht wurde, nahm eine schwedische Kohortenstudie über rund 37.000 gesunde Männer im Alter von 45 bis 79 Jahren, die in ihrer Krankheitsgeschichte bisher weder Krebs noch Herzkrankheiten aufwiesen, unter die Lupe. Mithilfe eines Fragebogens wurde der Fleischkonsum erhoben. In den folgenden rund zwölf Jahren wurden 2891 Fälle von Herzversagen dokumentiert, von denen 266 tödlich endeten. Beim Vergleich der Fälle von Herzerkrankungen mit den Ernährungsgewohnheiten zeigte sich ein deutlicher Zusammenhang: Männer, die täglich 75 Gramm oder mehr an verarbeiteten Fleischwaren zu sich nahmen, hatten ein um 28 Prozent höheres Risiko für Herzversagen als die, die weniger als 25 Gramm Fleischwaren täglich verspeisten. Das Risiko für einen tödlichen Ausgang war sogar mehr als doppelt so hoch... Quelle: dpa
...das zeigt, dass bereits ein moderater Konsum von rotem, verarbeitetem Fleisch zu einem erhöhten Risiko führt. Die Fleischprodukte sind häufig geräuchert, gepökelt, gesalzen oder mit Konservierungsstoffen versetzt, um sie haltbar zu machen. Auch Forscher der Uni Harvard zogen bereits 2010 aus der Auswertung von rund 1600 Studien den Schluss, dass verarbeitetes Fleisch das Risiko für Herzerkrankungen um bis zu 42 Prozent erhöht und auch die Wahrscheinlichkeit für Diabetes um 19 Prozent steigt. Ein täglicher Konsum von 50 Gramm verarbeiteten Fleischwaren würde hierzu ausreichen, schlussfolgerten die Harvard-Experten. Da diese Studie keine Effekte von unverarbeitetem rotem Fleisch nachweisen konnte, schlossen die Wissenschaftler daraus, dass nicht die Fettsäuren im Fleisch für die gesundheitsschädlichen Wirkungen verantwortlich sind, sondern Schadstoffe, die bei der Verarbeitung und durch zugesetzte Stoffe wie Nitritpökelsalze entstehen. Eine Krebsgefahr durch diese Stoffe wird in der Wissenschaft kontrovers diskutiert. Quelle: dpa/dpaweb

In den Niederlanden untersuchten die Verbraucherschützer Schweine- und Hühnerfleisch – und mussten auch hier feststellen, dass der Kunde nicht das bekommt, was ihm vorgegaukelt wird. Für den Verbraucher wirkten die Produkte wie aus ganzen Fleischstücken hergestellt. Die Verbraucherschützer fanden aber heraus, dass es sich bei drei von vier Produkten um Formfleisch handelte – zusammengemixt aus kleinen Fleischstückchen und Hackfleisch. Auch die für die Niederlande bekannten Fleisch-Kroketten sind nicht das, was sie nach außen hin zu sein scheinen: Einige enthielten weniger als die Hälfte an Fleisch, als das Etikett vermittelt.

In der Tschechischen Republik mussten die Experten feststellen, dass die Produkte bis zu 25 Prozent weniger von dem Fleisch enthalten, das auf der Verpackung angegeben wurde. Stattdessen ersetzen die Produzenten das Fleisch durch andere Sorten oder Wasser.

Der Verbraucherschutzverband fordert, dass in den einzelnen Ländern Etiketten häufiger und akkurater kontrolliert werden. Außerdem solle die Europäische Union dem Lebensmittel-Schwindel eine größere Bedeutung geben und die Richtlinien für die Fleischetikettierung intensiver diskutieren.

Erst vor wenigen Wochen hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Unruhe mit ihrer Einschätzung gesorgt, dass Fleisch krebserregend sei. Jeder siebte Deutsche will nach der Krebs-Warnung weniger Fleisch essen. Die meisten Deutschen ignorieren die Warnung aber.

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