




Rückwärts um die Ecke mit dem Ferienflieger einparken? Nein soweit ist’s noch nicht, woran die Entwickler der Fluggesellschaft Air Berlin gemeinsam mit zwei Technologie-Partnern arbeiten, aber das Ziel – so sonderbar es klingt – ist genau das: Künftig sollen die Airbusse oder Boeings tatsächlich in der Lage sein, nicht mehr nur mit Turbinenkraft vorwärts bis zum Gate zu rollen. In Zukunft sollen die Piloten ihre Jets auch rückwärts zu manövrieren können.
Die dafür erforderliche Technik wollen die deutsche Airline und die beiden Unternehmen WheelTug und FTI Engineering Network nun gemeinsam entwickeln, so die am Rande der Luftfahrtmesse Farnborough International Air Show getroffene Vereinbarung.
Wie die Airlines ihre Flugzeuge leichter machen wollen
Wenn Passagiere über ihre privaten Tablet-PCs auf Filme und Infos zugreifen, kann der Sitzmonitor wegfallen. Das spart, je nach Flieger, bis zu 250 Kilo Gewicht.
Verbundmaterial und LED- statt Energiesparlampen sparen bis zu 40 Prozent Gewicht gegenüber alter Technik.
Um mehr Sitzreihen unterzubringen, bauen die Airlines schmalere Toiletten und Küchen in ihre Flieger ein.
20 Kilo leichtere Kunststoffböden statt Webteppiche sparen Airlines bei Jets wie dem A330 Hunderttausende Euro im Jahr.
Neue Trolleys wiegen pro Stück acht Kilogramm weniger. Langstreckenjets heben so fast 200 Kilo leichter ab.
Sitze mit dünneren Polstern ermöglichen eine engere Bestuhlung und sind rund ein Drittel leichter. Pro Flieger spart das mehr als eine halbe Tonne Gewicht.
Kompaktere Küchen schaffen Platz für mehr Sitze. Die streckenoptimierte Füllung der Wassertanks senkt die Flüssigkeitslast im Mittel um 40 Prozent.
Die Klasse zwischen Business und Economy bietet Passagieren zwar mehr Platz, ist aber für die Airlines bis zu 20 Prozent profitabler.
Möglich machen soll das eine Kombination aus einem Elektroantrieb für die Bugräder der Jets und einem Kamerasystem zur Bodenüberwachung unter und hinter dem Flugzeug. Denn bisher braucht’s– mangels genauer Bodensicht, Rückwärtsgang und Rückspiegel – fürs Ein- und Ausparken Bodenlotsen und sogenannte Push-Back-Fahrzeuge, die die Flieger nach dem Einsteigen wieder auf die Rollfläche zurück drücken.
Das im Technik-Jargon „Pilot Ground Situation Awareness System“ (PGSA) genannte System, das die Entwicklungspartner als Nachrüstlösung für Flugzeuge entwickeln wollen, nicht nur die Abfertigung der Flugzeuge beschleunigen. Schließlich müssen die Maschinen nicht mehr auf die Push-Back-Wagen warten. Der von WheelTug entwickelte Elektroantrieb fürs Bugrad soll auch Lärm vermeiden sowie Sprit sparen helfen und so einen effizienteren Einsatz der Jets ermöglichen.
Denn wenn es reicht, mit der Kraft der in den Naben der Vorderräder montierten Elektromotoren von der Parkposition zur Startbahn zu rollen, „ist das viel effizienter, als den Jet auf dem Weg mit den Turbinen vorandrücken zu müssen“, sagt Oliver Lackmann, Chefpilot der Air Berlin. „Die Triebwerke sind schließlich für den Vortrieb beim Fliegen optimiert und nicht zur Fortbewegung auf den Rollbahnen.“
Was Umwelt und Flughafen-Anwohner schont, entlastet auch die Budgets der Airlines. Denn die stehen aktuell unter extremem Kostendruck und versuchen mit vielfältigsten Tricks, ihre Kosten zu drücken, beziehungsweise die Profitabilität ihrer Flieger zu steigern.
Um Unfälle beim autonomen Rollen zu vermeiden, sollen die von FTI gelieferten Kamerasysteme am Rumpf und am Leitwerk sowie Sensoren an den Flügelspitzen dafür sorgen, dass der Cockpit-Crew beim Vorwärts- und erst recht beim Rückwärtsfahren nicht der Überblick über das Geschehen unter und hinter dem Flieger verloren geht.
Wann die Technik marktreif ist - dazu äußert sich bisher keiner der Partner offiziell. Kenner der Branche aber gehen davon aus, dass sich der Entwicklungs- und – mehr noch – der Zertifizierungsprozess für die neue Rückfahrhilfe leicht über zwei bis fünf Jahre hinziehen kann.