So erhalten Tausende von Deutschen jedes Jahr die Diagnose Alzheimer, obwohl es dafür keinen Nachweis gibt. Dass Alzheimer bislang nicht nachzuweisen ist, wird von höchster Stelle bestätigt. Zum Beispiel in der aktuellen „S3-Leitlinie Demenzen“. Das Schriftwerk wurde von den führenden Fachleuten verfasst. Es gilt als Kompendium des besten verfügbaren Wissens zum Thema und dient als Handlungsempfehlung für alle Ärzte, die Demenz-Kranke betreuen. Das Genaueste, was eine Untersuchung laut dieser Leitlinie liefern kann, sei die Diagnose „wahrscheinliche Alzheimer-Demenz“. Eindeutige Kriterien zur Unterscheidung von anderen Demenzen, gestehen die Experten, gebe es nicht. Nicht einmal dann, wenn ein Patient bereits schwer demenzkrank ist.
Stattdessen erfolgt die Diagnose nach dem Ausschlussprinzip: Wenn der Arzt nichts findet, was in seinen Augen erklären könnte, warum der Betroffene verwirrt, vergesslich oder desorientiert ist – dann muss es wohl Alzheimer sein.
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Alle Eiweißmoleküle bestehen aus einer Kette von Aminosäuren. Diese faltet sich in eine bevorzugte räumliche Form. Manche Proteine können aber eine gefährliche abnorme Gestalt annehmen. Solche "korrumpierten" Proteine zwingen in einer Kettenreaktion ihresgleichen in die toxische Form und verursachen degenerative Erkrankungen. Mehr als zwanzig dieser Proteopathien sind bekannt, oft ist das Nervensystem betroffen.
Stets tödlich wirken übertragbare Hirnschwammerkrankungen . Diese werden von Prion-Proteinen (PrP) ausgelöst. Beim Menschen zählt Kuru dazu, die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD) oder die Fatale Familiäre Insomnie. Bei Tieren ist es die Scrapie unter Schafen, BSE bei Rindern und das Chronic Wasting Syndrome bei Elchen und Rentieren. Andere menschliche Proteopathien sollen nicht übertragbar sein: Dazu zählen die lähmende Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) oder die Huntington-Krankheit.
Neben dem Amyloid-β bei Alzheimer steht bei Parkinsonkranken das α-Synuclein im Fokus. Diese als prionähnlich bezeichneten Proteine gelten als verdächtig, weil sie experimentell auf Versuchstiere übertragbar sind. Auch bei Parkinson wird die Hypothese intensiv untersucht. Man beobachtet eine Übertragung und Ausbreitung typischer Hirnschäden bei Mäusen, denen Hirngewebe oder Hirnextrakt von Patienten übertragen wurde. Und fötales Hirngewebe wird nach einer Transplantation in Parkinsonpatienten von α-Synucleinaggregaten durchsetzt. Ein Bild wie bei einer Infektion.
Tatsächlich ist Demenz nicht gleich Demenz. Dahinter können zahlreiche Ursachen stecken: irreparable Hirnschäden durch Schlaganfälle, jahrelange Alkoholexzesse, unerkannte Stoffwechselstörungen oder aber unberechenbare Nebenwirkungen jener Medikamenten-Cocktails, die viele ältere Menschen täglich schlucken. Viele der Ursachen lassen sich behandeln, verhindern oder beheben – vorausgesetzt, sie werden nicht als Alzheimer verkannt.
Heilung ist bisher unmöglich
Eine Therapie gegen Alzheimer oder gar eine Möglichkeit, das undefinierbare Leiden aufzuhalten, gibt es – anders als vom Hamburger MPCH-Chef Bamberger behauptet – nicht. „Für keine der degenerativen Demenz-Erkrankungen existiert eine Therapie zur Verminderung der Progression beziehungsweise Heilung“, heißt es im S3-Kompendium.
Für Jürgen Windeler, den Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), sind die Aussagen des Hamburger Diagnostikzentrums daher „Fehlinformationen, mit denen falsche Erwartungen geweckt werden“. Aus ärztlicher Sicht sei derlei Irreführung unvertretbar, sagt der Spezialist für Medizinische Biometrie und Klinische Epidemiologie. „Hier werden mit menschenverachtender Dreistigkeit und wissenschaftlichem Unsinn Ängste geschürt und Geschäfte gemacht.“ Das MPCH-Angebot „grenzt an Scharlatanerie“, sagt Windeler. Wie will ein Arzt eine Krankheit erkennen, wenn er sie nicht mal nachweisen kann, nachdem sie bereits ausgebrochen ist?
Das Problem dabei: Es machen so viele Ärzte beim Diagnose-Schmu mit, dass selbst haltloseste Versprechen den meisten Menschen heute glaubhaft erscheinen.
Kein Wunder. Rührten doch selbst angesehenste Forscher wie der deutsche Alzheimer-Papst und Bundesverdienstkreuzträger Konrad Beyreuther jahrelang die Propagandatrommel für fragwürdige Diagnoseverfahren. Heute rückt er davon ab.