Die Natur erwacht aus dem Winterschlaf: Die Sonne kommt hinter den Wolken hervor, die ersten Knospen sprießen, die Vögel kehren aus dem Süden zurück. So schön der Lenz auch ist – so schwer macht er vielen Menschen doch zu schaffen. Sobald die Temperaturen schwanken, fühlen sie sich unwohl, sind tagsüber müde und leiden teilweise sogar unter Schwindel.
Wenn diese Symptome auftreten, sprechen viele von Frühjahrsmüdigkeit. Doch ist das eine medizinisch anerkannte Krankheitsdiagnose? "Nein", sagt Andreas Matzarakis, Leiter des Zentrums für Medizin-Meteorologische Forschung des Deutschen Wetterdienstes und außerplanmäßiger Professor an der Uni Freiburg. "Frühjahrsmüdigkeit gilt bislang nur als eine Befindlichkeitsstörung." Frühjahrsmüdigkeit ist kein medizinischer, sondern ein Begriff der Umgangssprache. Das Phänomen sei noch zu wenig erforscht, um es als Krankheitsbild festzumachen.
Und deshalb stellen Wissenschaftler laut Matzarakis anhand vereinzelter Studien bislang nur Vermutungen über die genauen Ursachen der Frühjahrsmüdigkeit an. "Ein Grund ist sicherlich die hormonelle Umstellung", sagt Matzarakis. Im Winter schüttet der Organismus vermehrt Melatonin aus – das ist das Schlafhormon, das den Tag-Nacht-Rhythmus steuert. Im Frühjahr – wenn es tagsüber wieder länger hell ist – produziert der Körper mehr Serotonin, auch Glückshormon genannt. "Die beiden Hormone müssen im Frühjahr erst einmal in ein neues Gleichgewicht kommen", sagt der Experte. Die Melatonin-Produktion geht zurück, der Körper schüttet mehr Serotonin aus.
Hinzu kommt, dass im Frühjahr das Wetter enorm unbeständig ist. Mal zeigt das Thermometer fünf Grad Celsius an und es regnet. Am darauf folgenden Tag scheint die Sonne und die Temperaturen klettern auf bis zu 20 Grad. "Dieser schnelle Wetterwechsel führt bei vielen Menschen zu Kreislaufproblemen", weiß Matzarakis.
Besonders anfällig für die sogenannte Frühjahrsmüdigkeit sind laut Matzarakis Frauen und Menschen mit Vorbelastungen – wie Kreislaufproblemen oder Depressionen. Wie lange sie andauert, hängt von der jeweiligen Person ab. "Bei manchen dauert die Befindlichkeitsstörung eine Woche, bei anderen wiederum wesentlich länger", sagt Matzarakis.
Zwar gibt es kein Patentrezept gegen das Unbehagen im Frühjahr. Allerdings können sich Wetterfühlige auf den Jahreszeiten-Übergang vorbereiten. "Menschen, die sich im Frühjahr unwohl fühlen, sollten sich in dieser Zeit auf keinen Fall in einen Raum zurückziehen, in dem immer dieselben Licht- und Luftbedingungen herrschen", warnt Matzarakis.
Stattdessen rät der Experte Betroffenen dazu, sich möglichst oft im Freien zu bewegen, sich dem Sonnenlicht auszusetzen, nachts ausreichend zu schlafen und viele frische Lebensmittel zu essen. "Im Winter gibt es viele Obst- und Gemüsesorten nicht, die wichtige Nährstoffe beinhalten." Die gilt es im Frühjahr wieder aufzunehmen, um fit zu bleiben.