




Die Spur der Keime in deutschen Krankenhäusern ist lang, und manchmal endet sie tödlich: Mindestens drei Babys sind seit 2011 im Klinikum Bremen-Mitte auf der Frühchenstation gestorben. Rund 30 Todesfälle stehen seit 2010 am Uni-Klinikum Leipzig im Verdacht, auf das Konto eines multiresistenten Erregers zu gehen. Gleich zweimal geriet die Berliner Charité wegen Keimen in die Schlagzeilen. Warum sind deutsche Kliniken so anfällig für Krankenhausinfektionen? Eine Spurensuche.
Beim Betreten der Frühchenstation im Berliner Virchow-Klinikum der Charité stolpern Besucher förmlich über diese hellgelbe, im Boden eingelassene Mahnung. Rechts neben der Tür fällt der Blick auf den Spender mit Desinfektionsmittel, halbvoll. „Wir haben den höchsten Verbrauch an der gesamten Charité, die Goldmedaille sozusagen“, sagt Christoph Bührer, Direktor der Klinik für Neonatologie (Neugeborenenmedizin).
„Die Eltern nehmen es damit sehr genau“, berichtet Bührer. Nur einen Raum weiter liegen zwei winzige Frühchen. Eine junge Mutter steht neben einem Brutkasten, komplett in blauer Schutzkleidung, mit Mundschutz und Handschuhen. „Vorsorglich. Ich war letzte Woche etwas erkältet“, sagt sie mit besorgtem Blick auf ihre kleine Tochter.
Problem-Keime in Krankenhäusern
Etwa drei bis fünf Prozent der Krankenhauserreger sind Stämme des auf Haut und Schleimhaut lebenden multiresistenten Staphylococcus aureus (MRSA), gegen die es noch vier bis fünf wirksame Antibiotika gibt. Andere, im Darm lebende Bakterien (ESBL) hingegen produzieren bestimmte Enzyme, die sie gegen die meisten Antibiotika-Klassen resistent machen. Besonders schwierig sind Infektionen mit KPC (Carbapenemase bildende Bakterien der Art Klebsiella pneumoniae) zu behandeln, weil hier auch Carbapeneme als letzte neue Wirksubstanzen versagen und die Ärzte auf ein veraltetes Antibiotikum ausweichen müssen. Die Entwicklung neuer Antibiotika hinkt hinterher.
Etwa 90 Prozent der Krankenhausinfektionen rühren von Keimen her, die mit einem Antibiotikum wirksam bekämpft werden können. Problematischer sind Erreger, die Resistenzen entwickelt haben. Das geschieht vermutlich unter anderem, weil Antibiotika in der Tiermast, aber auch bei Menschen zu häufig und nicht zielgenau verabreicht werden. Dadurch werden Antibiotika-empfindliche Bakterien abgetötet, während die Antibiotika-resistenten sich umso konkurrenzloser vermehren können.
Das Gros der Keime, die in Krankenhäusern für Infektionen sorgen, sind normalerweise harmlose Bakterien, mit denen viele Menschen besiedelt sind. Geraten diese zumeist im Darm vorkommenden Keime jedoch in Blutbahn, Blase oder Lunge, können sie vor allem immungeschwächten Menschen zur Gefahr werden.
Freundlich und ruhig ist die Stimmung auf der Station. Die Erinnerung an die Wochen im vergangenen Herbst, als Serratienkeime bei mehr als einem Dutzend Babys der Klinik gefunden wurden und die öffentliche Aufregung hochkochte, scheint fast irreal. „Wir haben hier nicht geschlampt“, betont Bührer. Doch nicht jede Ansteckung lasse sich verhindern. Das Gros der Keime, die im Krankenhaus Probleme machen, seien Bakterien. Sie lebten im Darm zahlreicher Menschen. Erst wenn sie in die Blutbahn oder in eine Wunde gelangen, droht eine Infektion. Gute Hygiene-Maßnahmen sollen das verhindern.
Das gelingt nicht immer. Das Bundesgesundheitsministerium geht von 400.000 bis 600.000 Patienten aus, die jedes Jahr durch medizinische Behandlungen Infektionen bekommen - und von bis zu 15.000 Toten. Manche Experten halten diese Zahlen noch für viel zu niedrig.
Spezielle Waschmaschine
Die Achtsamkeit für das Einhalten der Hygiene-Regeln sei seit dem Herbst nochmals gewachsen, sagt Charité-Arzt Bührer. Eine spezielle Waschmaschine nur für die Säuglingswäsche wurde angeschafft. Räume, die bisher Platz für mehrere Inkubatoren boten, werden zu Einzelzimmern umgebaut. „Das sind teure, wichtige Maßnahmen, um die wir sonst kämpfen mussten. Aber jetzt ist es gegenüber der kaufmännischen Leitung leichter durchsetzbar.“
Eine positive Folge der heftigen Tage im Oktober. Erst spät und zögerlich war die Charité mit dem Keim-Ausbruch an die Öffentlichkeit getreten. Zwar zeigte sich schließlich, dass die Serratien nicht für den Tod eines Kindes verantwortlich waren. Aber Überschriften von angeblichen „Killerkeimen“ waren in der Welt - und vorschnelle Parallelen zu den toten Babys von Bremen. Sie sind nicht vergessen.