Gefährlicher Bewegungsmangel Die Deutschen sitzen zu viel

Im Büro, vor dem Fernseher - die Deutschen sitzen viel. Zu viel, attestiert eine Studie: Im Schnitt verbringen wir mehr als sieben Stunden am Tag im Sitzen. Und Kinder schauen sich das ungesunde Verhalten ab.

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Dauerndes Sitzen ist ein unterschätztes Gesundheitsrisiko Quelle: dpa

Ob Fernsehen, im Internet surfen, lesen oder telefonieren - die Deutschen sind bei ihren liebsten Freizeitbeschäftigungen einfach zu inaktiv. Genauer: Sie sitzen zu viel. Und das macht krank, wie Forscher und Mediziner immer wieder warnen.

Die Untersuchung "Wie gesund lebt Deutschland?" der DKV in Zusammenarbeit mit der Deutschen Sporthochschule Köln zeigt: Die Deutschen sind ein "Volk der Sitzenbleiber", wie es DKV-Vorstand Clemens Muth nennt.

An Werktagen, wenn viele auch stundenlang am Schreibtisch ihres Büros sitzen, kommen die Deutschen auf durchschnittlich 7,5 Stunden täglich, die sie im Sitzen verbringen. Der Unterschied zum Wochenende ist allerdings nicht besonders hoch: Hier reduziert sich die Sitz-Zeit auf sieben Stunden. Das liegt daran, dass die Deutschen in ihrer Freizeit besonders gern fernsehen. Jüngere (18 bis 29 Jahre) verbringen außerdem gerne und viel Zeit vor dem Computer.

Die zehn liebsten Freizeitbeschäftigungen der Deutschen

„Das dauerhafte Sitzen hat weitreichende Folgen für den Fett- und Blutzuckerstoffwechsel und macht die Menschen krank“, mahnt Muth.

Nur die Hälfte der Deutschen schafft es demnach, ausreichend Bewegung in ihren Alltag einzubauen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt für Erwachsene mindestens 150 Minuten moderate Bewegung pro Woche, oder 75 Minuten intensive körperliche Anstrengung. Dabei ist Bewegungsmangel ein erhebliches Gesundheitsrisiko, wie erst kürzlich eine Studie von Wissenschaftlern der Uni Cambridge zeigte. Demnach ist zu wenig Bewegung sogar riskanter für einen vorzeitigen Tod, als Übergewicht.

Und damit nicht genug: Auch das Dauersitzen an sich ist ein eigenständiges Gesundheitsrisiko, dass sich laut Professor Gerhard Huber vom Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität Heidelberg nicht vollständig durch Sport kompensieren lässt. Wer mehr als acht Stunden am Tag auf seinen vier Buchstaben verbringt, dessen Gesundheitsrisiko steige deutlich an, erklärte Huber.

So bringen Sie mehr Bewegung in Ihren Büroalltag

Stillsitzen und Bewegungsmangel sind der Studie zufolge bereits bei den Jüngsten an der Tagesordnung: Nur bei einem Viertel der Kinder bleibt die tägliche Zeit vor dem Bildschirm unter der empfohlenen Dauer von einer Stunde. Einen eigenen Fernseher im Kinderzimmer hatten in der Umfrage mehr als 70 Prozent von ihnen, die Hälfte verfügt über einen Internetzugang. Sie kopierten den ungesunden Lebensstil ihrer Eltern, sagte DKV-Vorstand Muth: "Kinder wachsen praktisch im Sitzen auf."

Insgesamt schneidet bei dem Report nur ein kleiner Teil der Deutschen wirklich gut ab: Bei Ernährung, Bewegung, Umgang mit Stress, Alkohol und Rauchen konnten nur elf Prozent der Befragten die Kriterien der DKV erfüllen. "Dies ist alarmierend, denn wir sollten auf alle Gesundheitsbereiche achten", kommentiert Ingo Froböse, Leiter des Zentrums für Gesundheit durch Sport und Bewegung (ZfG), in einem Vorwort den Report. Im Bundesvergleich verhalten sich die Berliner den Angaben zufolge am wenigsten gesundheitsbewusst: Sie sitzen am längsten, zudem rauchen und trinken sie relativ viel. Am gesündesten lebten Menschen in Mecklenburg-Vorpommern.

Auch Altersunterschiede ließen sich ausmachen: Ältere Menschen legen laut dem Report einen gesünderen Lebensstil an den Tag. Sie trinken etwa deutlich weniger Limonaden (84 Prozent der über-66-Jährigen verzichtet darauf) und rauchen seltener.

Für den Report hat die DKV mehr als 3000 Deutsche zu ihrem Gesundheitsverhalten telefonisch befragen lassen. Durchgeführt wurden die Interviews von der GfK Nürnberg. Dabei wurde auch analysiert, wie lange, an welchen Orten und aus welchen Gründen die Teilnehmer sitzen. Zusätzlich wurden rund 300 Eltern zur Mediennutzung und dem Verhalten ihrer 6- bis 12-jährigen Kinder befragt.

Ein Schwachpunkt der Studie: Körperlich untersucht wurden die Teilnehmer nicht. Die Ergebnisse stützen sich auf Eigenaussagen der Befragten. Dabei gilt das Risiko der sozialen Erwünschtheit einer Antwort etwa auf die Frage nach dem Alkoholkonsum: Denn wer sagt schon von sich selbst, dass er zu viel trinkt. Dennoch gelten laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. etwa 7,5 Millionen Menschen als suchtgefährdet.

Das PDF der Untersuchunge kann >> hier kostenfrei heruntergeladen werden.

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