




Medikamente sollen Kranke gesund machen – theoretisch jedenfalls. Für fast 400 Menschen in Panama, die meisten von ihnen Kinder, brachte ein Hustensaft jedoch den Tod. Denn der Saft, den Eltern ihren Kindern gaben, war statt mit dem süßen, sirupartigen Lebensmittelzusatzstoff Glycerin mit giftigem Diethylenglykol versetzt. Diese billige, ebenfalls süßliche Substanz kennen Autofahrer als Frostschutzmittel. In einem Hustensaft hat sie nichts verloren: Sie löst Nierenversagen und Lähmungen im Körper aus, sodass die Atmung stoppt.
Auch wenn die Tragödie mit Panama ein Schwellenland traf: Gepanschte und gefälschte Medikamente können jeden treffen. Sie sind längst zum Problem auch in hoch industrialisierten Staaten geworden.
Denn längst sind es nicht mehr nur Lifestyle-Medikamente wie das Potenzmittel Viagra, muskelaufbauende Anabolika oder Abnahmepillen, die illegal vertrieben wurden. Inzwischen hat sich der kriminelle Schattenmarkt auf sämtliche Bereiche der Pharmaka und die legalen Verkaufswege ausgedehnt. „Arzneimittelfälschungen stellen ein hohes Risiko für die Gesundheit der Patienten dar“, betont das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in einem aktuellen Bulletin. Mit einer neuen, im vorigen Sommer verabschiedeten Richtlinie gegen Arzneimittelfälschungen versucht die Europäische Union nun gegenzusteuern, bevor die Kontrolle über sichere Medikamente vollends entgleitet.
Kriminelle Energie, weltweit vernetzt
Was Behörden und Qualitätsmanager in den Pharmakonzernen gleichermaßen alarmiert: Die weltweiten Lieferketten der Pharmaproduktion sind inzwischen so verzweigt, komplex und unübersichtlich, dass selbst seriöse Hersteller nicht mehr sicherstellen können, dass in den Medikamenten immer genau das steckt, was hineingehört. Denn sie müssen sich auf ihre Zulieferer verlassen. Doch genau hier liegt das Problem, wie Martin VanTrieste, oberster Qualitätshüter des weltweit größten Biotechnikunternehmens Amgen aus Kalifornien sagt: „Kriminelle sind in unsere Versorgungsketten eingedrungen, sie nutzen deren Komplexität.“

Er spricht nicht von Lieferanten, die hier und da versuchen Kosten zu sparen, indem sie suboptimale Ware liefern. VanTrieste warnt vor einer ganz neuen Qualität des Betrugs bei den Zulieferern von Medikamentenrohstoffen: „Kriminelle, die riesige Profite machen und denen es völlig egal ist, ob sie Menschen gefährden.“
Das tödliche Diethylenglykol im Hustensaft aus Panama ist ein Paradebeispiel dafür. Es zeigt, was für fatale Folgen die Kombination aus weltumspannenden Lieferketten, krimineller Energie, Schlamperei und Gutgläubigkeit haben kann. Und es ist einer der wenigen Fälle weltweit, der inzwischen lückenlos aufgeklärt ist.
Am Beginn der Lieferkette stand die inzwischen geschlossene chinesische Taixing Glycerin Factory in Hengxiang. Dort füllten Mitarbeiter giftiges Glykol in blaue Fässer und deklarierten es als ungiftiges Glycerin. Über mehrere Zwischenhändler und Verladeschritte gelangten die vielfach umetikettierten Fässer über Spanien nach Panama. Dort mischte die Gesundheitsbehörde das Gift in 260 000 Flaschen Hustensaft – unwissentlich, aber ohne Sicherheits-Check. Schließlich war der Rohstoff mit jeder Transportstufe seriöser geworden.