Gen-Therapie erobert Deutschland Die 1-Million-Euro-Spritze

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Gentherapie gegen Krebs

Der nächste Schwung Gentherapien wird einen echten Massenmarkt betreffen: Krebs, eine der häufigsten Todesursachen in der westlichen Welt. Einer der Pioniere in diesem Feld ist die chinesische Firma Sibiono GeneTech aus Shenzhen. Sie hat bereits seit 2003 in China eine Zulassung, um Tumore im Kopf und am Hals zu bekämpfen. Dazu bringen die Forscher mithilfe eines Virus Wächtergene in die Krebszellen, die dann ein Selbstmordprogramm starten: Der Tumor schrumpft. Diese Gene lassen normalerweise Zellen sterben, deren Erbgut aufgrund ihres Alters, durch UV-Strahlung oder Giftstoffe Defekte bekommen haben. In Krebszellen ist dieser Selbstschutz außer Kontrolle geraten.

Formen der Krebs-Therapie

In Europa und USA waren die Behörden bei ähnlichen Konzepten lange nicht überzeugt, dass der Nutzen der Therapie deren Risiken überwiegt. Denn es ist erfolgversprechender, eine bisher unheilbare Erbkrankheit zu behandeln, die durch einen einzelnen Gendefekt verursacht wird, als Krebs, bei dem häufig mehrere Gene eine Rolle spielen. Zudem können Ärzte heute schon gegen Tumore mit Chemotherapie, Bestrahlungen und Operationen vorgehen.

Diese traditionellen Behandlungen mit der modernen Gentherapie zu kombinieren ist möglicherweise der beste Weg. Erbanlagen, die an der Krebsentstehung beteiligt sind, gibt es genug. Zwei Drittel aller Gentherapieversuche am Menschen richten sich daher derzeit gegen dieses Leiden. Dabei verfolgen viele Forscher das Ziel, das Abwehrsystem des Körpers auf die Krebszellen aufmerksam zu machen, um diese zu entlarven und zu zerstören. Denn Krebszellen sind perfekt darin, sich als harmlose Körperzellen zu tarnen.

Geradezu genial wäre es, mittels Gentransfer typische Altersleiden zu bekämpfen, etwa den Abbau von Nerven. Zumindest bei der Parkinson-Erkrankung mit ihrer Schüttellähmung laufen schon mehrere Studien – auch bei Uniqure. Der Plan: Eine ins Gehirn gespritzte Genfähre soll die Produktion eines fehlenden Botenstoffs anregen. Wie wirksam so eine Therapie auf Dauer ist, muss sich aber erst zeigen.

Das vor einem guten Jahr gegründete US-Start-up Voyager Therapeutics hat bereits erste Parkinson-Patienten behandelt. Im Februar stieg hier der französische Pharmakonzern Sanofi ein und schloss einen Deal im Wert von 845 Millionen Dollar ab.

Selbst die Todesursache Nummer eins, die Herz-Kreislauf-Leiden, glauben die Gentherapeuten bekämpfen zu können. Knapp acht Prozent aller Gentherapiestudien beschäftigen sich bereits damit, die lebenswichtige Blutpumpe wieder fit zu bekommen. So will die kalifornische Celladon den Kalziumhaushalt im Herzmuskel so regeln, dass die Zellen besser und stärker arbeiten können. Denn bei der weitverbreiteten Herzschwäche pumpt der – oft nach einem Infarkt – geschädigte Muskel nur noch mit halber Kraft. Celladons Versuche am Menschen sind bereits weit fortgeschritten.

Auch Uniqure heilt Herzen, wenn auch erst beim Schwein. Dort aber sehr erfolgreich, sagt Aldag, der das Verfahren bald am Menschen erproben will. Die neue Konkurrenz sieht er ganz positiv, denn sie belegt für ihn: „Das Zeitalter der Gentherapie hat gerade erst begonnen.“

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