Genfood gegen Herzinfarkt und Falten? Die unerfüllten Versprechen der grünen Gentechnik

Bei gentechnisch veränderten Lebensmitteln warten die Verbraucher noch immer auf Produkte mit Zusatznutzen. Dabei hatten die Gen-Ingenieure viel versprochen, selbst Gemüse gegen Herzinfarkt, Krebs und Falten.

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Enttäuschung pur bei den Verbrauchern: Bisher ist noch keine einzige der einst versprochenen Gentech-Pflanzen mit Zusatznutzen aus den Laboren der Agrachemie-Konzerne gekommen Quelle: dpa

Um den Hunger in der Welt zu bekämpfen und die Ernährung zu sichern, setzen viele große Saatgut-Konzerne seit Mitte der Achtziger Jahr auch auf die grüne Gentechnik. Die Gen-Ingenieure wollen Nutzpflanzen per Erbgut-Transfer leistungsfähiger und robuster gegen Schädlinge und Klimaschwankungen machen – und so auch die Ernährung für immer mehr Erdenbewohner sichern.
Das Hauptproblem dabei: Die meisten Versprechen der grünen Gentechnik haben sich bisher nicht erfüllt, denn die Produkte nützen vor allem den industriell arbeitenden Landwirten. Denn es erwies sich als ziemlich schwierig, komplexe Eigenschaften von Pflanzen zu verändern, sie also mit Hilfe von gentechnischen Veränderung an Salzwasser oder Trockenheit zu gewöhnen.

Sehr viel einfacher war es dagegen, einzelne Gene in Pflanzen einzuschleusen, die sie zum Beispiel resistent und widerstandsfähig gegenüber sogenannten Totalherbiziden wie Glyphosat machen. Der Vorteil für die Bauern: Sie können ihre Felder auch während der Wachstumsphase der von ihnen angebauten Kulturpflanzen mit dem umstrittenen und möglicherweise krebserregenden Unkrautkiller spritzen. Ihre Gentech-Pflanzen überleben das, jedes andere Gras oder Kraut stirbt ab. Bei konventionellen Pflanzen können Bauern nur vor der Aussaat oder kurz vor der Ernte mit Glyphosat arbeiten.

Doch weder ist damit der Hunger von dieser Welt verschwunden, noch haben Verbraucher seither irgendeinen Zusatznutzen durch das Genfood.
Lauter leere Versprechen

Die Konzerne und ihre Pflanzenbiotechnologen hatten den Mund jedoch ziemlich voll genommen. Was hatten sie seit den 90er Jahren nicht alles für hochfliegende Pläne. Der mit Vitaminen angereicherte sogenannte goldene Reis – eine Erfindung von Freiburger Forschern für Länder der Dritten Welt – kam niemals auf den Markt. Die Anti-Matsch-Tomate, einst von der kalifornischen Calgene entwickelt, ist schon seit 1997 wieder verschwunden – und Calgene samt seiner verbraucherfreundlichen Ideen vom US-Agar-Konzern Monsanto geschluckt worden, den die deutsche Bayer AG gerade zu übernehmen versucht. Genech-Gemüse, das vor Krebs oder Herzinfarkt schützen sollte, war ebenfalls lange en vogue - blieb aber immer immer ein leeres Versprechen.

Der damalige Nestle-Chef Peter Brabeck-Letmathe verstieg sich 1998 sogar zur Aussage: „Selbst Kosmetik zum Essen kann ich mir in Zukunft vorstellen – für schönere Haut oder einen gesunden Teint.“ Doch auch aus dem Anti-Falten-Genfood wurde nie etwas.
Das alles trug nicht zur Glaubwürdigkeit der Agar-Konzerne bei. Anfangs hätten die Hersteller die grüne Gentechnik viel zu positiv dargestellt, räumt der langjährige KWS-Chef Philip von dem Bussche ein, dem einzigen deutschen Saatguthersteller, der noch aktiv ist in der Gentech-Forschung: „Da müssen wir uns als Branche an die eigene Nase fassen.“

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