Gentechnik in Deutschland Biotechnik verbreitet sich immer schneller

Bei Gen- und Biotech-Unternehmen fallen oft vor allem Namen von Schwergewichten aus dem Ausland. Die Branche wird aber auch in Deutschland immer wichtiger.

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Die umsatzstärksten Medikamente der Welt
Platz 10: MabTheraDer Wirkstoff nennt sich Rituximab. Das Medikament wird für die Behandlung von Lymphomen eingesetzt. In der EU vertreibt Roche es unter dem Handelsnamen MabThera, in den USA heißt es Rituxan. 2013 brachte es rund 6,26 Milliarden Dollar ein. Das waren 5,7 Prozent mehr als im Vorjahr.Bild: Roche Pharma AGDatenquelle: IMS Health Quelle: Presse
Platz 9: CymbaltaDer Wirkstoff dieses Medikaments heißt Duloxetin. Dabei handelt es sich um ein Mittel, das bei Depressionen und Angststörungen eingesetzt wird. Vermarktet wird es von Eli Lilly; der Firma spülte es im Jahr 2013 6,46 Milliarden Dollar in die Kassen - eine Steigerung um 13,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.Bild: Lilly Deutschland GmbH Quelle: Presse
Platz 8: RemicadeRemicade ist der Handelsname von Infliximab. Dabei handelt es sich um einen Antikörper, der das Immunsystem vielfach beeinflusst. Eingesetzt wird das Medikament vor allem gegen Rheuma-Erkrankungen. In Deutschland wird es von MSD vertrieben. 2013 erzielte es einen Umsatz von rund 7,68 Milliarden Dollar - 7,8 Prozent mehr als im Vorjahr.Bild: MSD Sharp & Dohme GmbH Quelle: Presse
Platz 7: AbilifyOtsuka Pharmaceuticals vertreibt das Arzneimittel Aripiprazol unter dem Namen Abilify. Es wird zur Behandlung von Schizophrenie eingesetzt. Mit 7,83 Milliarden Dollar in 2013 landet es auf Rang sieben. Das entspricht einem um 14,6 Prozent höherer Umsatz als noch im Vorjahr.Foto: "Abilify bottle" by Eric Gingras, via Wikipedia Quelle: Creative Commons
Platz 6: NexiumDas Magenmittel von AstraZeneca mit dem Wirkstoff Esomeprazol  liegt im Mittelfeld bei den Top-Ten-Präparaten. Der Umsatz 2013 lag bei 7,86 Milliarden Dollar - ein Plus von 7,0 Prozent.Bild: AstraZeneca Quelle: Presse
Platz 5: Lantus Lantus wird von Sanofi-Aventis hergestellt. Es enthält "Insulin glargin" und wird zur Behandlung von Diabetes eingesetzt. Mit einem Zuwachs von 23,3 Prozent legte es die stärkste Steigerung innerhalb der Top Ten hin. Umsatz 2013: 7,94 Milliarden Dollar. Quelle: dpa
Platz 4: Enbrel7,95 Milliarden Dollar Umsatz (plus 8,7 Prozent) machte dieses Medikament von Pfizer. Der Wirkstoff Etanercept wird zur Behandlung von Rheuma und der entzündlichen Hautkrankheit Psoriasis eingesetzt. Quelle: AP

Mit dem Milliardengebot von Bayer für den US-Saatgutriesen Monsanto flammt in Deutschland auch die Gentechnik-Debatte wieder auf. Als größter Saaten-Hersteller steht der Konzern aus St. Louis (Missouri) wegen genetischer Veränderungen bei Lebensmittel-Pflanzen wie Mais und Soja seit Jahren in der Kritik.

Insgesamt spielt die Gentechnik hierzulande nach anfänglichen Widerständen aber eine immer größere Rolle. „Grüne Biotechnologie“ auf dem Acker kämpft weiter um Akzeptanz - ihre „rote“ Schwester, bei der es um Medikamente geht, hat sich dagegen oft schon durchgesetzt.

In der Medizin kommt Gentechnik vielfach zum Einsatz: Zahlreiche Arzneien und Impfstoffe werden mit ihr hergestellt, und die Forschung arbeitet auf Hochtouren an neuen Mitteln. Kernfelder sind schwerwiegende Leiden wie Krebs- oder Autoimmunerkrankungen. Der Markt wächst stark. Aktuell liegt der Jahresumsatz mit „roter“ Biotechnologie in Deutschland nach Schätzungen der Industrievereinigung Biotechnologie (DIB) bei rund 20 Milliarden Euro - Exporte mit eingerechnet.

Biotech in Deutschland: Die spannendsten börsennotierten Unternehmen

Der Einsatz der Gentechnik in der Medizin hat einen steinigen Weg hinter sich. Beispiel Insulin: Das unverzichtbare Medikament für zuckerkranke Menschen wird seit 1999 in Frankfurt (Höchst) vom heutigen Pharmaunternehmen Sanofi gentechnisch hergestellt. Schon seit den 1980er Jahren wäre die Herstellung hier möglich gewesen - aber wegen der Diskussion über die Risiken der Gentechnik bekam die damalige Hoechst AG keine Lizenz dafür.

Dies sei das „Aus für die Gentechnik in der Bundesrepublik“ gewesen, schrieb das Unternehmen 2008 in einer Festschrift zum 125-jährigen Bestehen des Standortes. „Deutschland verliert für Jahrzehnte den Anschluss an die internationale Spitzenforschung auf diesem wichtigen Gebiet.“

Ganz entgehen lassen wollten sich viele die Chancen aber nicht. Bayer etwa ist in der Pharmaforschung seit Jahren auf dem Gebiet aktiv. So wird das Blutermittel Kovaltry biotechnologisch hergestellt. Doch wurde der Bereich gezielt im US-Bundesstaat Kalifornien aufgebaut. Erst jetzt baut Bayer auch in Wuppertal eine Produktion auf.

Auch Boehringer Ingelheim und die Darmstädter Merck produzieren Medikamente auf biotechnologischer Basis oder arbeiten daran - auch in Deutschland. Dazu kommen Firmen, die allen Finanzierungssorgen zum Trotz zum Teil aussichtsreiche Ergebnisse liefern.

Genveränderte Produkte lassen bei Bayer die Kassen klingeln

Widerstand gibt es besonders bei der Anwendung der Gentechnik in der Landwirtschaft. So stellte der Chemieriese BASF nach langem Streit Anbau und Vermarktung seiner Industrie-Kartoffel Amflora ein. Das Unternehmen verlegte 2012 seine Gentechnik-Sparte in die USA - wegen fehlender Akzeptanz bei Verbrauchern, Bauern und Politikern. Nun will BASF Investitionen auf dem Gebiet reduzieren und die Hälfte der Jobs streichen. Nur besonders aussichtsreiche Projekte laufen weiter.

Auch Bayer hat seine Forschungszentren mit dem Schwerpunkt Saatgut vor allem in den USA und in Belgien angesiedelt. Eingesetzt wird Gentechnik inzwischen bei Baumwolle, Raps und Soja. Für den europäischen Markt entwickelt Bayer aber nichts, auch Feldversuche finden hier nicht statt. Dennoch lassen gentechnisch veränderte Produkte die Kassen bei Bayer klingeln: Ihr Anteil am Saatgut-Umsatz von insgesamt rund einer Milliarde Euro liegt bei etwa 60 Prozent.

Kritiker wie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) bemängeln, die Versprechen, mit gentechnisch veränderten Pflanzen höhere Erträge und weniger Chemie auf dem Acker zu haben und den Hunger zu bekämpfen, hätten sich nicht erfüllt. Mehr Spritzmittel würden eingesetzt, bei Unkraut und Insekten entwickelten sich Resistenzen. Die Gesundheit von Mensch und Tier sei in Gefahr.

Neue Verfahren führen aber auch dazu, dass der Einsatz der Gentechnik genauer und einfacher wird - und sich somit in den Laboren schneller verbreitet. Was einerseits ein Fortschritt ist, muss nach Meinung von Christoph Then, promovierter Tierarzt und Leiter eines Instituts für die Folgenabschätzung in der Biotechnologie, kontrolliert werden: „Ohne geregelte Zulassungsverfahren und Kennzeichnungen verlieren wir den Überblick.“ In den USA sei das der Fall. Er weist darauf hin, dass es mit den neuen Methoden wenig Erfahrung gebe. „Nur wenn ich es prüfe, kann ich feststellen, was gefährlich ist und was nicht.“

Befürworter mahnen dagegen, neue Methoden in der Gentechnik nicht gleich im Keim zu ersticken. „Man kann nicht eine Technologie per se regulieren, das beeinflusst unser Innovationspotenzial“, sagt Matthias Braun, DIB-Vorstand und Mitglied der Geschäftsführung bei Sanofi Deutschland. Vorbehalte in der Nahrungsmittelindustrie sollten nicht eins zu eins auf die Medizin übertragen werden. „Wir haben heute drei bis fünf Jahre Wissensvorsprung. Wenn wir nicht bald mitziehen, haben wir in fünf Jahren nur noch die rote Laterne.“

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