Green Economy Die Ökonomie der Ökologie

Nachhaltigkeit ist der neue Wachstumstreiber. Was das im Guten wie im Schlechten bedeutet, lesen Sie im wiwo.de-Dossier Nachhaltigkeit.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
WirtschaftsWoche-Chefredakteur Roland Tichy

Egal, ob man den Begriff Nachhaltigkeit verwendet oder dabei die Augen verdreht. Egal, ob man den Klimawandel fürchtet oder ihn in Zweifel zieht, ob man die Zukunft in einer grünen Wirtschaft sieht oder grüne Visionen für Greenwashing hält: Ressourcenschonende Produktion, effizientere Ausnutzung von Energien, neue Formen der Energiegewinnung oder gar die nachhaltige Geldanlage sind Trends, die Menschen weltweit umtreiben, die Konsumenten faszinieren und die damit die Wirtschaft beschäftigen.

Mehr noch: Es sind Themen, die ungeheure Faszination ausüben. So, wie sich in den Sechzigerjahren die Menschen für das Raumfahrtprogramm Apollo begeistert haben und später für das Internet, so sind heute nachhaltige Themen der Stoff, aus dem die Träume sind. Noch ist vielleicht die Wirtschaft nicht grün – aber die Utopien sind es längst. Faszination aber ist die Mutter der Innovation.

Werte verschieben sich: Nicht mehr die schiere Kraft eines Automobils alleine zählt, zunehmend ist es seine Umweltverträglichkeit, die kaufentscheidend wirkt. Aus den Unternehmen wissen wir, dass nachhaltige Projekte zu freiwilliger Mehrarbeit führen oder von Mitarbeitern mit Guerilla-Methoden gegen das Diktat des Kostensparens und der Fokussierung aufgegriffen werden. Junge Menschen entdecken den Ingenieursberuf neu, weil sie darin einen Weg sehen, die Welt zu verbessern. Das ist auch der Grund, warum die WirtschaftsWoche im Rahmen des Deutschen Nachhaltigkeitspreises erstmals die wichtigsten Vordenker der Szene auszeichnet (siehe Bildergalerie).

Fließende Übergänge

Der Übergang zum Social Entrepreneurship ist dabei fließend: Der Ein-Dollar-Turnschuh von Adidas ist nicht nur ein Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung in Bangladesch – so werden die Märkte der Zukunft erschlossen. Die deutsche Wirtschaft braucht solche Lösungen: Unsere Exportstruktur ist zu einseitig auf Europa und die klassischen Industrieländer abgestellt. Im Tata Nano jedoch, dem Billigauto aus Indien, steckt bereits prozentual mehr von deutschen Automobilzulieferern wie Bosch und Freudenberg als im Mercedes oder Golf. Möglich wurde das durch sprunghafte Innovationsleistungen, die herkömmliche Techniken im neuen Umfeld erfolgswirksam machen.

Die ökologischen Utopien stehen in einem wachsenden Spannungsverhältnis zur Ökonomie, je wirkungsmächtiger sie werden. Einerseits ist die Ökologie längst ein Treiber der Wirtschaft. Umgekehrt müssen ökonomische Prinzipien dringend auch auf ökologische Fragestellungen angewandt werden.

Der Umbau der Energieversorgung, die Zukunft der Industriegesellschaft, neue Formen des Verkehrs und des Konsums – das sind elementare Fragen, die über Jahrzehnte unser Leben und unseren Wohlstand bestimmen werden. Aber welche Technik hilft uns wirklich, die knappen Ressourcen effizient zu nutzen? Antworten muss letztlich eine ökonomische Analyse der Ökologie geben. Wenn beispielsweise die Kosten für die Vermeidung einer Tonne CO2 bei Windkraftanlagen 124 Euro betragen, bei der Solartechnik aber 846 Euro – dann sollte diese Information wichtiger für die Allokation der Mittel sein als ein grüner Traum.

Solche Ökorationalität ist aber nicht nur von Unternehmen gefragt – sondern auch vom Staat. Die Begeisterung für ökologische Fragen verführt dazu, dass neuerdings nationale 50-Jahres-Pläne aufgestellt werden, ungeheure Milliardensummen in bestimmte, augenblicklich bemerkenswert erscheinende Technologien gelenkt werden und detaillierte Regelungen flächendeckend Wirtschaft und Gesellschaft verändern sollen.

Es ist oft Ausdruck eines ökologischen Machbarkeitswahns, der mit den Prinzipien einer sozialen Marktwirtschaft kollidiert und die Zukunft eher belastet, als deren Probleme zu lösen. Dies sind die Themen, die zukünftig die Redaktion der WirtschaftsWoche mit dem Sonderheft „Green Economy“ behandeln wird. Wir freuen uns auf den Diskurs mit Ihnen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%