Nach der Uni begann sie in einem Trainee-Programm beim Autobauer Chrysler, fühlte sich in dem Umfeld aber nicht wohl. Im Oktober 1988 heuerte sie bei der Aerospace Corporation an, einer Organisation, die die US-Raumfahrtbehörde Nasa und die Air Force in ihrem Raumfahrtprogramm berät. Zehn Jahre blieb sie dort, aber die langsamen Abläufe im Raumfahrtgeschäft begannen sie zu ermüden. Sie wechselte zu einem Raumfahrt-Start-up namens Microcosm, traf dort Koenigsmann – der Rest ist Geschichte.
Bei SpaceX zeigt sie früh Verkaufstalent: Noch bevor SpaceX überhaupt eine Rakete in die Erdumlaufbahn schoss, gelang es ihr, zahlreiche Kunden für Raketenstarts zu gewinnen und sogar einen Vertrag mit der Nasa zu bekommen, eine Raumfähre zur Versorgung der Raumstation ISS zu entwickeln.
Sie ist die Frau, die Lösungen findet, wenn etwas nicht vorangeht. Etwa, als SpaceX so weit war, seine erste Rakete ins All zu schießen und dafür einen Weltraumbahnhof suchte, der bezahlbar war. Shotwell und ihr Kollege Hans Koenigsmann hängten eine Weltkarte an die Wand und fuhren den Äquator ab, wo Raketen beim Start besonders viel Schwung der Erddrehung mitbekommen. Sie stießen auf das Kwajalein-Atoll im Pazifik, wo das US-Militär lange Jahre Raketentests durchführte. Shotwell machte einen Colonel aus, der dort stationiert war, und schrieb ihm eine E-Mail. Drei Wochen später erhielt SpaceX die Zusage, dort seine Rakete zu testen.
Nach außen ist sie auch das Gesicht von SpaceX, das Zuversicht kommuniziert, auch wenn es gerade schwierig läuft. Und Rückschläge gab es in der Geschichte von SpaceX viele. Als 2016 eine Rakete auf der Startrampe explodierte, sitzt sie zehn Tage später auf dem Podium der wichtigsten Konferenz der Satellitenbranche in Paris, schwarzes Kostüm, hochhackige Schuhe, die einzige Frau zwischen lauter Männern, und strahlt Zuversicht aus: „Was immer das Problem ist - wir werden es finden und wir werden es beheben.“ Und erntet brandenden Applaus.
Gegenüber dem Magazin „Marie-Claire“ gibt Shotwell zu, wie schwer es war, nach dieser Katastrophe die Contenance zu bewahren: „Schon bei der Explosion der Falcon 9 im Juni 2015 weinte ich, und ich bin niemand, dem schnell die Tränen kommen.“ Bei der Explosion im September 2016 verbrannte ein 200-Millionen-Dollar teurer Satellit, der zum Teil Facebook gehörte: „Das war noch schwieriger zu verkraften, weil noch mehr auf dem Spiel stand. Nach diesem Versagen war ich keine gute Chefin. Ich hatte weniger Geduld. Und ich zeigte wohl auch mehr Angst als sonst.“
Dass Shotwell sich auf der Bühne stets modebewusst und weiblich kleidet, ist eine Art Kopfnicken an eine Ingenieurin, die ihr als Teenager auf einer Podiumsdiskussion am Illinois Institute of Technology Ende der Siebzigerjahre zeigte, dass Weiblichkeit und Ingenieurwesen zusammengehen können. „Ich ging nach dem Vortrag zu ihr auf die Bühne und sprach sie auf ihr Outfit an. Und auf ihre Arbeit. Und ich verließ den Saal mit dem Gefühl, dass ich auch Ingenieurin werden könnte“, erinnert sich Shotwell. „Ich weiß nicht, ob ich sie überhaupt angesprochen hätte, wenn sie sich nicht so modisch gekleidet hätte.“
Die inspirierende Ingenieurin hat sie nie wieder ausfindig machen können. Aber heute will sie selbst mehr Frauen ins Ingenieurwesen bringen. Bei SpaceX sind auch nur 15 Prozent der Ingenieure weiblich – trotzdem sieht Shotwell eine kulturelle Veränderung. Auch ihre Tochter Anna studiert im Ingenieurs-Programm von Stanford: „Heute gelten Nerds als cool – meine Tochter und ihre Freunde nennen sich stolz „Nerd Nation“.
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