Hirndoping Mit diesen Drogen pimpen Manager ihr Gehirn

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Deutlicher Anstieg des Medikamentenmissbrauchs

Der britische Schriftsteller Aldous Huxley experimentierte in den Fünfzigerjahren mit Drogen, vor allem mit LSD, um sich in die Tief- und Abgründe des Menschen zu versenken. Ihn trieben neben einem draufgängerischen Experimentiergeist erkenntnisphilosophische Fragen um: „Wie können geistig Gesunde je erfahren, was für ein Gefühl es eigentlich ist, wahnsinnig zu sein? Oder wie können wir, wenn wir nicht eben ein Visionär, ein Medium oder ein musikalisches Genie sind, je in die Welten gelangen, in denen Blake, Swedenborg, Johann Sebastian Bach sich bewegten?“

Es muss um das Jahr 2010 herum gewesen sein, dass die ersten Berichte über den zunehmenden Einsatz von Medikamenten zur Leistungssteigerung in Prüfungsphasen oder auch im Arbeitsalltag durchs Internet geisterten. Es gibt kaum offizielle Zahlen über den Medikamentenmissbrauch zur Leistungssteigerung. Aber dass er stattfindet, ist seit Jahren kein Geheimnis mehr. An der Harvard University schwirrte 2010 die (natürlich nie verifizierte) Zahl von 80 Prozent der Studierenden herum, die in Prüfungszeiten das Medikament Ritalin zu sich nähmen. Ritalin ist der bekannteste Markenname für Methylphenidat, bei dem es sich um ein Amphetaminderivat handelt. Das Medikament wird zur Behandlung von Aufmerksamkeitsstörungen und Hyperaktivität gebraucht. Oder eben missbraucht zur Bekämpfung von Müdigkeit und Schlaf in Belastungsphasen.

Einige Statistiken zeigen, dass der Gebrauch des gängigsten Medikaments zur geistigen Leistungssteigerung erheblich zugenommen hat. Nach Angaben des Suchtkontrollrats der Vereinten Nationen ist die Zahl der täglichen Dosen von Methylphenidat weltweit von etwa 50 Millionen im Jahre 1990 auf fast 2,5 Milliarden in 2013 angestiegen. Die erste Verbreitungswelle ist für den Beginn der Neunzigerjahre verzeichnet. So war die weltweite Nutzung 1994 fünf Mal so hoch wie 1980, ein wesentlicher Teil davon entfiel (und entfällt auch heute noch) auf den US-amerikanischen Markt. Aber auch in einigen europäischen Ländern, darunter Deutschland, ging die Kurve seit Beginn der Neunzigerjahre steil nach oben.

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Ähnlich wirken auch Amphetamine, die ebenfalls zur Therapie von Aufmerksamkeits- oder Hyperaktivitätsstörungen verschrieben werden. Amphetamine regen aktiv die Ausschüttung von Neurotransmittern an. Die höhere Konzentration von Botenstoffen versetzt auch bei diesem Medikament die Nervenzellen in Alarmbereitschaft, so dass man sich besser konzentrieren kann. Es steigert das Selbstwertgefühl und führt zu einem euphorischen Empfinden. Das in den USA gängigste Medikament ist Adderall, das beinahe zur Legende im Missbrauch von Medikamenten zur Leistungssteigerung geworden ist.

Mode-Doping des Managements

Ritalin und Adderall ersticken die Impulsivität und sind deshalb in der Therapie von ADHS-Erkrankungen sinnvoll und effektiv einsetzbar. Gesunde Menschen können mit dem Stoff einen ausgeprägten Fokus entwickeln: keine Ablenkung mehr, kein Abschweifen zu anderen, weniger fordernden Tätigkeiten, kein Prokrastinieren. Acht Stunden am Stück ohne Pause pauken? Kein Problem. Die Nacht hindurch lernen und die nächste auch? Kein Problem. Überstunden kloppen bis tief in die Nacht, um ein Projekt nach dem anderen abzuarbeiten? Auch kein Problem. Das klingt für viele offenbar reizvoll. Nicht nur an amerikanischen Elite-Universitäten, sondern auch in deutschen Büros. Eine Studie der DAK hat für Deutschland 2015 ermittelt, dass fast drei Millionen Menschen schon einmal stimulierende Medikamente genommen haben, um im Job fitter zu sein oder Stress am Arbeitsplatz auszuhalten.

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