Hormonell wirksame Stoffe Jedes dritte Kosmetikprodukt betroffen

Der Bund für Umwelt und Naturschutz hat 62.000 Kosmetika untersucht - und in fast einem Drittel hormonell wirksame Substanzen gefunden. Sie stehen im Verdacht, mit Unfruchtbarkeit oder Brustkrebs zusammenzuhängen.

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Eine Frau cremt ihren Fuß ein. In vielen Kosmetikprodukten fanden Umweltschützer hormonell wirksame Stoffe. Quelle: dpa

Bodylotion, Rasierschaum, Haargel - schon beim Start in den Tag verwenden wir allerlei Chemie, um unseren Körper zu reinigen und zu pflegen. Doch dabei nehmen wir auch unerwünschte Substanzen auf, die im Verdacht stehen, das menschliche Hormonsystem zu beeinflussen. Laut einer Studie des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) enthält fast ein Drittel der Körperpflegeprodukte in Deutschland hormonell wirksame Stoffe.

Der Zusatz dieser Chemikalien sei zwar legal, sie stünden aber im Verdacht, beim Menschen etwa die Fruchtbarkeit bei Männern zu mindern oder die Pubertät speziell bei Mädchen früher beginnen zu lassen, teilte der BUND am Mittwoch mit. Auch weisen Studien auf einen Zusammenhang mit Brust- und Prostatakrebs hin. Ihr Einsatz ist daher umstritten; kritische Forscher halten besonders Kinder und Jugendliche sowie Ungeborene im Mutterleib für besonders gefährdet. Der BUND rät besonders Schwangeren und Teenagern daher, belastete Produkte nicht weiter zu verwenden. Die hormonell wirksamen Chemikalien könnten die "gesunde körperliche und geistige Entwicklung stören", warnen die Umweltschützer auf ihrer Internetseite.

Anteil der belasteten Produkte der zehn größten Hersteller

Für die Studie wertete die Organisation die Angaben zu Inhaltsstoffen von mehr als 62.000 Körperpflegeprodukten aus. Die Kosmetika wurden dabei auf 15 bestimmte Chemikalien gescannt, für die in Tierversuchen eine hohe hormonelle Wirksamkeit im Körper dokumentiert wurde, begründen die Umweltschützer ihre Auswahl.

Die Stoffe werden der Studie zufolge vor allem als Konservierungsmittel (zum Beispiel Parabene) und chemische UV-Filter eingesetzt. Untersucht wurden unter anderem Duschgel, Zahnpasta, Gesichtscreme, Sonnencremes, Rasierschaum, Wimperntusche, Handcremes und Bodylotions.

Das Ergebnis: Fast 30 Prozent der Kosmetika enthielten solche Substanzen. Besonders häufig wurden sie demnach in Produkten der Marktführer Beiersdorf (bekannt etwa durch die Marke Nivea) und L'Oreal. Bei diesen Firmen steckten in nahezu jedem zweiten Kosmetikprodukt hormonell wirksame Chemikalien. Bei L'Oreal stehe dies in besonderem Maße im Widerspruch zu den vom Unternehmen selbst gesetzten Maßstäben in Hinblick auf die Nachhaltigkeit der Produkte: Der Konzern hatte laut BUND bereits vor vier Jahren angekündigt, alle Rohstoffe vor der Verwendung auf hormonelle Wirksamkeit testen zu wollen.

Nur Naturkosmetik ist unbedenklich

100 Jahre L'Oréal
1908 Quelle: L'Oréal
1915 Quelle: L'Oréal
1921 Quelle: L'Oréal
1927 Quelle: L'Oréal
1932 Quelle: L'Oréal
1950 Quelle: L'Oréal
1961 Quelle: L'Oréal

Auch im Hochpreissegment kleinerer Hersteller gab es auffallend viele betroffene Produkte: So sind etwa 66 Prozent der Chanel-Produkte und 50 Prozent der Shiseido-Produkte belastet. Nur bei Naturkosmetik gab es gute Noten: Sie kommt in der Regel ohne die untersuchten Substanzen aus - ist aber auch teurer. Zu den größten Unternehmen ohne belastete Produkte gehören etwa Weleda Naturkosmetik oder Laverana Naturkosmetik.

Ebenfalls recht gut schnitten im Test die Eigenmarken der Drogeriekette dm ab; hier waren nur 17 Prozent der Produkte betroffen. Dies zeige, dass die Verwendung von hormonell wirksamen Stoffen in Kosmetika überflüssig sei, schlussfolgern die BUND-Experten.

Losgelöst von den Herstellern waren Haarwachs (36 Prozent), Sonnenschutzmittel (33 Prozent), Rasierschaum/-gel/-creme (30 Prozent), Lippenstifte (27 Prozent) und Zahnpasta (20 Prozent der Produkte) besonders häufig belastet. Selbst bei Babyshampoos enthielten 9 Prozent der untersuchten Produkte hormonell wirksame Chemikalien.

Die Weltgesundheitsorganisation hat hormonell wirksame Substanzen als "globale Bedrohung" bezeichnet. Im körpernahen Bereich hätten die Stoffe nichts zu suchen, so der BUND. Er fordert die Hersteller auf, sie eigenverantwortlich aus ihren Produkten zu verbannen, auch wenn es noch kein Verbot gebe.

Die neue Smartphone-App "Tox Fox App" des BUND für das iPhone soll Verbrauchern künftig helfen, vor dem Kauf möglicherweise bedenkliche Produkte zu erkennen. Die App ist kostenlos im iTunes-Store erhältlich. Sie liest den Strichcode der Ware aus und zeigt die BUND-Bewertung für Shampoo, Creme und Co. Wer kein iPhone besitzt, kann einen kostenlosen Einkaufsratgeber beim BUND bestellen. Für Nutzer anderer Smartphones gibt es aus Kostengründen derzeit noch keine App, sie können die mobile Webseite nutzen.

Mit Material von dpa

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