
Es ist der 24. Juni, gut zehn Kilometer über dem Atlantik, als die Passagiere von Flug BA 189 Zeugen einer sonderbaren Erscheinung werden: Denn plötzlich beginnen bei vier Fluggästen der Boeing 787 von British Airways, die an diesem Dienstagabend von London nach New York fliegt, die unscheinbar grauen Reisedecken von innen heraus zu leuchten. Mal glimmen sie bläulich, mal strahlen sie rot.
Was besorgte Reisende an Aliens glauben lässt oder ungekannte Nebenwirkungen der Höhenstrahlung, erklärt Frank van der Post ganz unspektakulär: „Das ist ein Test, um zu visualisieren, wie wohl sich unsere Passagiere fühlen“, sagt der Chef der Abteilung Kundenerlebnis bei der britischen Fluglinie.
Möglich machen das Sensoren in Stirnbändern, die die Probanden in der First, Business- und Economy Class tragen. Damit messen BA-Experten die Gehirnströme und leiten daraus ab, wie entspannt die Passagiere reisen. „Happiness Blankets“, zu Deutsch „Glücksdecken“, nennt der Niederländer in britischen Diensten die smarten Stoffe, die künftig regelmäßig die Laune der Passagiere sichtbar machen sollen.
Stimmt die Stimmung, lässt die Elektronik die in den Stoff eingewebten Glasfasern blau leuchten. Sorgen dagegen Luftlöcher oder grantelndes Servicepersonal für Missstimmung oder haut der Vordermann schwungvoll die Rückenlehne des Sitzes an die Kniescheiben seiner Hinterleute, dann strahlt die Decke grellrot.
Wie die Airlines ihre Flugzeuge leichter machen wollen
Wenn Passagiere über ihre privaten Tablet-PCs auf Filme und Infos zugreifen, kann der Sitzmonitor wegfallen. Das spart, je nach Flieger, bis zu 250 Kilo Gewicht.
Verbundmaterial und LED- statt Energiesparlampen sparen bis zu 40 Prozent Gewicht gegenüber alter Technik.
Um mehr Sitzreihen unterzubringen, bauen die Airlines schmalere Toiletten und Küchen in ihre Flieger ein.
20 Kilo leichtere Kunststoffböden statt Webteppiche sparen Airlines bei Jets wie dem A330 Hunderttausende Euro im Jahr.
Neue Trolleys wiegen pro Stück acht Kilogramm weniger. Langstreckenjets heben so fast 200 Kilo leichter ab.
Sitze mit dünneren Polstern ermöglichen eine engere Bestuhlung und sind rund ein Drittel leichter. Pro Flieger spart das mehr als eine halbe Tonne Gewicht.
Kompaktere Küchen schaffen Platz für mehr Sitze. Die streckenoptimierte Füllung der Wassertanks senkt die Flüssigkeitslast im Mittel um 40 Prozent.
Die Klasse zwischen Business und Economy bietet Passagieren zwar mehr Platz, ist aber für die Airlines bis zu 20 Prozent profitabler.
„Ob die Helligkeit in der Kabine stimmt, wann die optimale Zeit fürs Essen ist oder wie zufrieden die Probanden mit ihrem Sitz sind, das wollen wir mit den Glücksdecken untersuchen“, sagt van der Post. Künftig dürften die ungewöhnlichen Lichteffekte daher regelmäßig auf Flügen der britischen Airline für Erstaunen bei den Passagieren sorgen.
Was den BA-Manager umtreibt, beschäftigt derzeit die ganze Flugbranche. Wenn sich ab diesem Montag Airlines und Flugzeughersteller in der Nähe von London zur Farnborough Airshow treffen, wird ein Zielkonflikt viele Gespräche bestimmen: Die Airlines wollen zwar möglichst viele Passagiere möglichst profitabel in ihren Jets transportieren, zugleich aber die Kundschaft keinesfalls mit allzu beengten Sitzen oder frugalem Service vergraulen.
Fast alles ist erlaubt
Denn in der Klemme zwischen steigenden Treibstoffpreisen, höheren Abgaben und Flughafengebühren sowie einem beinharten Preiskampf übt sich die Luftfahrtindustrie in der fortwährenden Erlösoptimierung. Das spiegelt sich nicht nur in immer neuen Sparprogrammen wider, wie etwa aktuell die bei der Lufthansa diskutierten.





Vor allem haben sich Konstrukteure und Kabinendesigner von Fluglinien und Flugzeugbauern eine Radikaldiät über den Wolken verordnet: Sie geizen mit jedem Millimeter Raum und jedem Gramm Gewicht. Denn je mehr Passagiere die Jets transportieren und je leichter die Maschinen sind, desto höher die Profitabilität.
Bei dem Sparprogramm ist fast alles erlaubt. Außer Eingriffen in die Konstruktion der Flieger selbst – denn die erfordern die Zustimmung der Zulassungsbehörden. Und mindestens so inakzeptabel ist, „dass das Sparprogramm der Kundschaft auffällt“, sagt Arend Wedekind, Vertriebsleiter fürs Kabinengeschäft beim Flugzeugausrüster Diehl Aircabin aus dem württembergischen Laupheim. Im Idealfall werde die Einrichtung der Jets leichter, biete mehr Komfort und lasse sich trotzdem effizienter herstellen. „Das ist nicht nur die Quadratur des Kreises, das ist sozusagen das Dreieck des Teufels“, so Wedekind.
Tatsächlich gibt es kaum ein Ausstattungsdetail moderner Jets, dessen Notwendigkeit die Airlines nicht überprüfen. „Wir holen regelmäßig einen Jet aus unserer Flotte zum Komplett-Check, räumen alles raus und fragen uns bei jedem Bauteil, ob es durch etwas Leichteres ersetzbar oder vielleicht auch ganz entbehrlich ist“, sagt Felix Genze.