Zwar gebe es etliche IT-Security-Unternehmen, die über viele Jahre Erfahrung im Programmieren von Antivirenprogrammen, Firewalls und ähnlichem haben. „Aber die können erst reagieren, nachdem ein Angriff erfolgt ist, weil sie allesamt heuristisch vorgehen“, erklärt Barzilai. Also etwa auf Basis bisheriger Angriffe, bestimmter Muster im malignen Code oder Statistiken. „Diese Hersteller versprechen typischerweise, 99 Prozent aller Angriffe in einer Zeit X zu eliminieren. Das ist aber für ein fahrendes Auto unzureichend, denn das kann bereits Sekunden nach einem unbefugten Zugriff in einen tödlichen Unfall verwickelt worden sein“, ergänzt Barzilai.
Karamba setzt also darauf, Hackerangriffe von vornherein unmöglich zu machen. „Die Steuersysteme der Autos werden von uns so programmiert, dass nur vom Automobilhersteller autorisierte Änderungen am Steuergerät zugelassen werden. Alle anderen Manipulationsversuche werden sofort abgeblockt“, erklärt Chefwissenschaftler Harel.
Armeen schreiben normalerweise Technologieaufträge aus oder arbeiten, wie in den USA, in Geheimprojekten mit großen Rüstungskonzernen. Das kleine und von potenziellen Feinden umzingelte Israel kann aber nicht auf einer Wehrtechnikmesse in Dubai dasselbe kaufen wie seine Gegner; es muss einen Schritt voraus sein. Der Yom-Kippur-Krieg 1973, als das Land überraschend von drei Seiten aus angegriffen wurde, habe die israelische Sicht auf neue Militärtechnik entscheidend beeinflusst. Der Überraschungsangriff Syriens, Ägyptens und Jordaniens hat die israelische Öffentlichkeit tief schockiert – und gilt bis heute als größtes Versagen des Mossad und der Verbündeten wie den USA. „Damals merkte man: man kann sich nicht auf gekaufte Aufklärungstechnik und auf seine Verbündeten verlassen“, sagt Cohen.
Die Idee zu Karamba Security kam den Gründern bei der Arbeit an Firewalls, die feindliche Hackerangriffe abwehren sollen. „Wenn man an zehn oder zwölf solchen Projekten gearbeitet hat, ist oft eines dabei, das sich als Start-up später im zivilen Leben weiter nutzen lässt“, sagt Barzilai. „Nirgendwo in der freien Wirtschaft bekäme man in so jungen Jahren so viel Verantwortung und die nötigen Mittel“, meint auch Oren Rosenzweig, ehemaliger Hightechsoldat und Start-up-Gründer. „Als späterer Gründer und Unternehmer lernt man so in einem Jahr etwas, was in der freien Wirtschaft mindestens zehn Jahre dauern würde“, sagt der Laserspezialist.
In seiner Einheit, der 81, arbeitete Rosenzweig mit an opto-elektronischen Systemen. Die Einheit 81 ist so etwas wie ein U-Boot innerhalb der 8200, im Gegensatz zu ihr finden sich aber keine Hinweise auf die 81 auf Firmen-Homepages oder in LinkedIn-Profilen; ganze zwei Zeilen Text weiß Wikipedia über die 81. Auf Anfragen zu dieser Einheit reagiert die IDF grundsätzlich nicht.
Aber es gibt sie: Rosenzweig und seine drei Mitgründer arbeiteten dort an MEMS - opto-elektronischen Microsystemen. Eine Technologie, die zum Beispiel für Lenkwaffen, Nachtsichtgeräte oder Aufklärungsflugzeuge gebraucht wird. Und bald auch in selbstfahrenden Autos. Nach einigen Jahren in den USA gründete Rosenzweig in Kfar Saba nördlich von Tel Aviv das Unternehmen Innoviz, einen Spezialisten für Lidar. Die Technologie macht mit Laserstrahlen im Dunklen oder bei Nebel Konturen sichtbar, sie ist der Schlüssel zum Autonomen Fahren.
Es ist nicht nur das Fachwissen, auch die bei der Einheit 81 geprägte Einstellung hilft den Innoviz-Gründern heute im Geschäftsleben. In nur einem Jahr haben sie ein funktionsfähiges Lidar-System für Automobilhersteller entwickelt und gebaut, erzählt Rosenzweig nicht ohne Stolz, und: „Marktführer Velodyne aus San José in Kalifornien brauchte dazu fast sieben Jahre“.
„Die IDF ist anders als die Bundeswehr oder die französische Armee“, sagt Rosenzweig, „es gleicht eher den Alumni-Netzen der US-Eliteunis. Man hält lebenslangen, engen Kontakt; man stellt sich gegenseitig Investoren und potenzielle Kunden vor, man erörtert technische Probleme.“ Rosenzweig hat zehn Jahre im Silicon Valley gelebt und erkennt deutliche Parallelen. „Aber Tel Aviv ist kleiner, die Beziehungen der IDF-Alumni sind enger“, sagt er. Alle seine drei Mitgründer kennt er vom Militär; sie sind gleich alt und waren in derselben Einheit. „Und auch die ersten 20 Mitarbeiter kennen wir von da.“