Industrie 4.0 Bezahlbare Einzelstücke aus der digitalen Fabrik

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Ökologisch und preiswert

Erst die Vernetzung hat das Tor zur vierten industriellen Revolution weit aufgestoßen. Am Ende der Entwicklung, glauben Experten wie Acatech-Präsident Kagermann, vergeben Unternehmen Aufträge in globalen Produktionsnetzwerken dorthin, wo gerade Kapazitäten frei sind und das benötigte Material am preiswertesten und zugleich ökologischsten zu beschaffen ist. Außerdem wenden sich die Hersteller von den heutigen Mammutfabriken ab. Stattdessen rücken sie mit kleinen, flexiblen Werken nah an ihre Kunden heran.

Organisieren die Unternehmen ihre Produktion zudem künftig in Kreisläufen, bei denen Materialien und Energie größtenteils zurückgewonnen werden, ist ein weiterer Schritt in eine grüne Wirtschaft getan. Der Leiter des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA), Thomas Bauernhansl, ist überzeugt, dass diese Materialwende kommt. „Verschwender riskieren ihre Wettbewerbsfähigkeit, weil ihnen die Kosten davonlaufen.“

Die digitalen Gedächtnisse in den Chips, mit denen alle Produkte künftig ausgestattet sein werden, erleichtern es, ihnen ein zweites Leben einzuhauchen. Denn die darauf gespeicherten Daten verraten, aus welchen Materialien sie bestehen und wie die sich recyceln lassen. Experten der britischen Ellen MacArthur-Stiftung errechneten, dass die Nahrungs-, Verpackungs- und Bekleidungsindustrien jährlich global 500 Milliarden Euro sparen könnten, wenn sie möglichst viele Ausgangsstoffe wiederverwerten.

Acatech-Präsident Kagermann ist sich sicher: Zählt man alle Effizienzgewinne von Industrie 4.0 zusammen, lassen sich Energie- und Ressourceneinsparungen von 20 bis 25 Prozent realisieren.

Dabei ist noch gar nicht ausgemacht, wie die Produktionswelt des Industrie-4.0-Zeitalters genau aussehen wird. Ebenso wenig, was der Totalumbau der Fabriken kostet. Einig sind sich die Fachleute aber darin, dass sich die Arbeitsinhalte der Fabrikbeschäftigten massiv verändern.

Statt für ermüdende Fließbandarbeit würden sie künftig vermehrt für kontrollierende und dirigierende Funktionen gebraucht, sagt Fraunhofer-Präsident Reimund Neugebauer voraus. Ob die mit der Selbstorganisation einhergehende weitere Automatisierung der Fertigung Arbeitsplätze kostet oder zusätzliche schafft, darüber streiten die Experten noch.

Ganz Mutige, wie der Chefökonom des US-Industriekonzerns General Electric, Marco Annunziate, glauben sogar an ein neues Wirtschaftswunder. Wegen seiner höheren Produktivität, zitiert er das Ergebnis einer hausinternen Studie, könnte das industrielle Internet die Einkommen der Menschen um bis zu 30 Prozent erhöhen. Allerdings werden nach Meinung von Accenture-Chef Riemensperger noch zehn Jahre verstreichen, bis die ersten Fabriken komplett digitalisiert sind.

Das Warten aber, versprechen die Verfechter, werde sich lohnen: Die Produktionswelt wandelt sich zu einer Wünsch-dir-was-Ökonomie. Spaß garantiert.

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