Das haben auch die drei großen Industrie-Vereinigungen erkannt, der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) und das Sprachrohr der IT-Industrie Bitkom. In einer gemeinsamen Geschäftsstelle wollen sie die Verschmelzung von IT- und Produktionswelt vorantreiben, über gemeinsame Projekte oder indem sie einheitliche Standards für die Datenkommunikation entwickeln. Das Ziel skizziert VDMA-Geschäftsführer Hartmut Rauen: „Die neue Weltsprache der Produktion muss aus Deutschland stammen.“
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso würde sie gerne etwas europäischer klingen lassen. Doch auch er sieht im intelligenten Zusammenspiel von Produktion und Service den entscheidenden Hebel, den Industrieanteil an Europas Bruttoinlandsprodukt bis 2020 von heute knapp 16 auf 20 Prozent anzuheben. Das hat die Kommission als Ziel ausgegeben.
Um es zu erreichen und ihre globale Wettbewerbsfähigkeit auszubauen, brauchen Europa und Deutschland aber dringend ein neues Alleinstellungsmerkmal. Das industrielle Internet könnte dazu werden. Seine Entwicklung anzuführen, so sehen es die Brüsseler Kommissare, wird zur Schicksalfrage für den alten Kontinent.
Das wird schwierig genug. Denn auch die USA drängen mit Macht in das neue Geschäft. Ihr Vorteil: Mit Giganten wie Google, Amazon und Facebook dominieren sie das weltumspannende Datennetz, und sie sind besonders erfahren darin, es zu kommerzialisieren. Um mehr industrielle Arbeitsplätze gegen die Jobmisere zu schaffen, fördert Präsident Barack Obama innovative Fertigungsstrategien bis zum Ende seiner Amtszeit gleich mit einer Milliarde Dollar. Wer den Wettlauf gewinnt, ist noch nicht abzusehen.
Das Kräftemessen beginnt gerade erst. Nun geht es darum, wer die neuen Regeln und Prinzipien der Produktion als Erster beherrscht.
Die Bremer Fabrikforscher wollen weiter ganz vorne dabei sein. In einem neuen Projekt wollen sie ihre Erkenntnisse aus der Rücklichterproduktion jetzt auf den realen Fabrikalltag übertragen. Mit dem baden-württembergischen Antriebsspezialisten Wittenstein aus Igersheim in der Nähe von Würzburg bauen sie eine Zahnradproduktion nach den Prinzipien der Selbstorganisation auf. Spätestens 2015 sollen erste Probeläufe stattfinden.
Firmenchef Manfred Wittenstein ist ein überzeugter Pionier der Industrie-4.0-Bewegung. „Hier an der Spitze zu sein ist unabdingbar für die Sicherung des Produktionsstandorts Deutschland.“ Für dieses Ziel wagt er sich immer wieder auf Neuland.
In Zukunft sollen Kunden über Online-Portale direkt den Status ihres Auftrags abrufen können. Und nicht nur das: Dank der durchgängigen Vernetzung können sie die Ausführung der Zahnräder noch während der Produktion spezifizieren, zum Beispiel deren Geometrie ändern.
Auch deutsche Industrieikonen tasten sich in die neue Fertigungsphilosophie vor. Im Bosch-Motorenteilewerk in Homburg an der Saar lotsen kleine Funkchips blaue Kisten und ihren Inhalt präzise durch die Produktion: Gussstücke, Ventile und andere Teile, aus denen Einspritzdüsen für Dieselmotoren werden. Die unscheinbaren Chips führen alle notwendigen Informationen über die Bearbeitung mit.