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Innovationen Wie das Neue in die Welt kommt

Die Rolle des Zufalls bei revolutionären Erfindungen. Quelle: imago images

Innovationen lassen sich nicht planen, im Gegenteil. Bei vielen revolutionären Erfindungen spielte der glückliche Zufall eine Rolle. Durch ihn lässt sich finden, wonach man gar nicht gesucht hat.

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Beginnen wir mit einem Gedankenexperiment: Vor Ihnen stehen ein Motorboot, ein Panzer, ein Fahrrad und ein Paar Ski. Welches Gefährt könnten Sie daraus bauen – und wie würden Sie dabei vorgehen?

Auf den ersten Blick haben diese Fortbewegungsmittel wenig bis gar nichts miteinander zu tun – es sei denn, man bedient sich einer Methode namens first principles thinking. Das „Denken in ersten Prinzipien“ geht zurück auf Aristoteles. Der griechische Philosoph glaubte, erst wenn man einen Gegenstand oder ein Problem in dessen Kernbestandteile zerlegt (das „Ding an sich“), kann man etwas wirklich verstehen – und daraus Neues schaffen.

Also noch mal: Das Boot hat einen Motor. Zum Panzer gehören eine Laufrolle und Stahlplatten. Und das Fahrrad hat einen Lenker und einen Sattel. Man nehme nun also Lenker und Sattel vom Fahrrad, den Kettenantrieb des Panzers, den Motor des Boots und das Paar Ski. Und fertig ist das Schneemobil.

Als Johannes Gutenberg im Mittelalter die Bibel mehr Menschen zugänglich machen wollte, hätte er versuchen können, Mönche schneller schreiben zu lassen oder weiter in die Welt hinauszuschicken. Gutenberg dachte von Grund auf anders. Er kombinierte die Techniken der mechanischen Presse für das Weinkeltern oder die Münzprägung mit beweglichen Lettern und erfand den Buchdruck. Quelle: imago images

Die Dinge in ihre Einzelteile zerlegen, sie bis auf eine Sammlung letzter, nicht mehr teilbarer Bestandteile zu reduzieren, das bedeutet das „Denken in ersten Prinzipien“. Aus diesen Einzelteilen lässt sich dann Neues schaffen. Solche Beispiele finden sich in allen Branchen und allen Epochen.

Als Johannes Gutenberg im Mittelalter die Bibel mehr Menschen zugänglich machen wollte, hätte er versuchen können, Mönche schneller schreiben zu lassen oder weiter in die Welt hinauszuschicken. Dann hätten wir einen Haufen überarbeiteter Mönche auf zerfetzten Sohlen angetroffen, die Aufklärung aber hätte es nie gegeben. Gutenberg dachte von Grund auf anders. Er kombinierte die Techniken der mechanischen Presse für das Weinkeltern oder die Münzprägung mit beweglichen Lettern und erfand den Buchdruck.

Denken in ersten Prinzipien heißt, alles radikal infrage zu stellen. Menschen, die das tun, bekommen entweder einen Tritt in den Hintern oder Nobelpreise. Manche gelten als Genies, andere als Spinner – aber zumindest wird es mit ihnen nie langweilig. Das erste thermodynamische Prinzip der Disruption ist auch eine Alles-oder-nichts-Regel. Entweder du bist der Phoenix. Oder du bist die Asche.

Vor einigen Jahren präsentierte IBM die Ergebnisse einer weltweiten Umfrage. Mehr als 1500 Führungskräfte aus 60 Ländern und 33 Branchen hatten Auskunft darüber gegeben, wie sie die Zukunft sehen. Wenig überraschend: 79 Prozent der Befragten erwarteten, dass das wirtschaftliche Umfeld komplexer wird. Schon erstaunlicher war jedoch, wie die Manager diesen schwierigen Herausforderungen begegnen wollten. Mit Disziplin? Mit Durchsetzungsvermögen? Nichts dergleichen. Auf Platz eins der wichtigsten Führungsqualitäten der Zukunft landete: Kreativität.

Viele denken bei dem Wort spontan an Jahrhundertgenies, an Künstler wie Wolfgang Amadeus Mozart und Pablo Picasso oder Wissenschaftler wie Albert Einstein und Isaac Newton. „Kreativität hat für die meisten Menschen eine fast magische Anziehungskraft“, sagt Teresa Amabile, Organisationsforscherin an der Harvard Business School.

Auch deshalb, weil die meisten Menschen zu echten Innovationen gar nicht fähig sind. Sie neigen dazu, das Ungewöhnliche aus ihrer menschlichen Erfahrung heraus zu betrachten – womit es das Gewöhnliche bleibt. Wer nicht nach dem Unbekannten sucht, wird nur Bekanntes finden. Wie aber kommt dann Neues in die Welt? Wie entstehen die Innovationen, die uns bewegen?

Vielleicht hilft es, zunächst mal mit einem Mythos aufzuräumen: Es kommt nicht zwingend darauf an, der Erste zu sein. Facebook war nicht das erste soziale Netzwerk der Welt, Google nicht die erste Suchmaschine, Ebay nicht das erste Auktionshaus. Als die Angebote an den Markt gingen, gab es bereits Wettbewerber. Die Deutschen suchten Schulfreunde bei StudiVZ, Informationen bei Altavista und Gebrauchtwaren bei Alando. Oder noch so ein Mythos: Innovationen sind planbar. Dabei spielt in Wahrheit häufig serendipity eine Rolle. Das schöne englische Wort beschreibt den glücklichen Zufall, durch den sich entdecken lässt, wonach man gar nicht gesucht hat.

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