Innovationspreis Sieger Großunternehmen: Otto - das Online-Orakel

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"Wichtig neue Wege zu gehen"

Die Finalisten beim Deutschen Innovationspreis
Der Deutsche Innovationspreis: Unternehmen mit den besten Ideen werden ausgezeichnet
Otto: Software optimiert VerkäufeSieger in der Kategorie Großunternehmen: Zwei Millionen verschiedene Produkte verkauft der Handelskonzern Otto via Internet und Katalog. Bei der Entscheidung, wie viel Stück von jeder Ware die Einkäufer ordern, hilft eine neue Software, die Otto entwickelt hat: Sie prognostiziert laufend die zu erwartenden Bestellungen, basierend auf 200 Faktoren wie Wetter, Farbe oder Verkäufen der Vorjahre. Die Vorhersagen sind bis zu 40 Prozent genauer als früher. Quelle: dpa
Actuator Solutions: Draht mit GedächtnisSieger in der Kategorie Mittelstand - Große Ideen kommen manchmal ganz klein daher: So auch beim Startup Actuator Solutions aus Gunzenhausen, das im Markt für Handykameras reüssieren will: mit einem haarfeinen Draht aus Gedächtnismetall. Je nach dem, wie lange er unter Strom steht, dehnt er sich wie ein Muskel aus oder zieht sich in die Ursprungsform zusammen. So bewegt er Linsen im Foto-Handy und stellt das Bild scharf. Die Technik ist kleiner, leichter und stromsparender als bisher genutzte Elektromotoren.
iThera Medical: Scharfe Bilder aus dem KörperSieger in der Kategorie Startup_ Mit Licht Töne zu erzeugen – mit diesem neuen Trick, der Opto-Akustik, stellen Ärzte Adern, Gewebe oder Zellen in nie gekannter Auflösung dar. Sie jagen dazu kurz getaktete Laserblitze in das Gewebe. Das erwärmt sich kurz und dehnt sich für einen Moment ein wenig aus. Diese Minibewegungen erzeugen akustische Druckwellen. Detektoren registrieren sie, und eine Software setzt sie zu einem Bild zusammen. Erste Geräte hat die Münchner iThera Medical bereits verkauft, derzeit vor allem für die Forschung. Analysegeräte, die etwa Krebszellen aufspüren, sollen folgen. Quelle: Presse
Aesku Systems: Roboter gegen RheumaEs passiert immer wieder: Das Immunsystem greift den eigenen Körper an. Rheuma und Diabetes sind Beispiele solcher Autoimmunerkrankungen. Sie zu analysieren war mühsam. Labormitarbeiter müssen Patienten-Blutproben mit Farbstoffen behandeln, die so entstehenden Leuchtmuster unter dem Mikroskop begutachten und fotografieren. All das erledigt der Roboter Helios von Aesku Systems aus Wendelsheim in Rheinland-Pfalz zeit- und kostensparend automatisch. Quelle: Presse
Deutsche Telekom: Dolmetscher im HausSo wie einst bei Videorekordern verschiedene Systeme um die Vorherrschaft konkurrierten, entspinnt sich nun der Systemstreit im Boom-Markt vernetzter Häuser. Noch kommunizieren Sensoren, Steuerungen und Schalter vieler Hersteller mit inkompatiblen Funktechniken. Einen smarten Dolmetscher offeriert die Deutsche Telekom mit der Qivicon-Plattform. Für die hat der Konzern eine Vielzahl von Hardwarelieferanten in einer Allianz vereint. Basis ist eine Steuereinheit, die zwischen den Funktechniken übersetzt und es dem Hausbesitzer ermöglicht, von fern unter anderem Licht oder Heizung zu schalten. Quelle: Presse
IFM Electronic: Sensoren für produktive FabrikenDamit die Produktion nicht stockt, müssen etwa Fertigungsroboter wissen, wann das Bauteil zur Montage bereitsteht, und Abfüllmaschinen, wann die Flasche unter die Einfülldüse fährt. Die Essener Ifm Electronic hat einen optischen Sensor entwickelt, der wenig kostet, die Position von Werkstücken aber dank neuer Messtechnik zuverlässig wie nie zuvor erfasst. Dabei lässt er sich weder von Farben noch von spiegelnden Oberflächen irritieren. Zudem ist er schnell montiert und aktiviert. Quelle: Screenshot

Das Ergebnis ist beeindruckend: Gegenüber früheren Prognose-Verfahren, die oft nicht viel mehr als die Verkaufszahlen des Vorjahres berücksichtigten, kann Otto heute die Verkäufe je nach Produktkategorie um 20 bis 40 Prozent genauer vorhersagen. Die Folge: Die Produkte sind nicht mehr zu früh ausverkauft – und bleiben trotzdem auch seltener im Lager liegen. „Das ist gut für unsere Kunden“, sagt Michael Heller, Otto-Bereichsvorstand Categories und zuständig für Einkauf, Vertrieb und Angebotssteuerung, „es ist gut für uns, und nicht zuletzt auch gut für die Umwelt.“

Hinter Ottos Orakel, das inzwischen beim Tochterunternehmen Blue Yonder seinen Dienst tut, steht ein Algorithmus namens Neurobayes, eine komplizierte Rechenfolge, die der Physiker Michael Feindt vor Jahren entwickelt hat. Es ging dem Forscher damals nicht um Artikel aus dem Online-Shop, sondern um Atome: Feindt, Leiter des Instituts für experimentelle Kernphysik an der Universität Karlsruhe, baute Neurobayes mit dem Ziel, Ereignisse zu prognostizieren, die bei der Kollision von Atomen im Teilchenbeschleuniger am CERN nahe Genf stattfinden, dem weltweit größten seiner Art.

Im Jahr 2012 entdeckten die CERN-Forscher das lang-gesuchte Higgs-Teilchen, nicht zuletzt auch dank des Neurobayes-Algorithmus.

Das alles war sechs Jahre zuvor noch nicht zu erahnen, als Otto-Mitarbeiter auf Feindts Entwicklung stießen. Der Konzern hatte gerade ein Team ausschwärmen lassen, um nach Software zu suchen, mit der sich das Sortiment des Versenders präziser steuern lassen würde. „Es war absehbar, dass herkömmliche Prognoseverfahren der zunehmenden Komplexität des Geschäftsmodells auf Dauer nicht mehr gerecht werden können“, sagt Vorstand Heller. „Daher war es uns wichtig, neue Wege zu gehen und zu schauen, welche Alternativen denkbar sind.“

Drei verschiedene Programme traten im Wettbewerb gegeneinander an, gefüttert mit reichlich Daten von Otto. „Feindts Ergebnisse waren um Längen besser als die der anderen“, erinnert sich Otto-Datenexperte Sinn. Das Management entschied sich dazu, den Atom-Algorithmus für den Versandhandel umzuschreiben. Eine Entscheidung ohne Erfolgsgarantie.

Doch sie sollte sich auszahlen. Die Restbestände zum Saisonende sanken um bis zu 20 Prozent. „Und unsere Mitarbeiter“, sagt Otto-Experte Sinn, „können sich jetzt ganz auf die Vermarktung unserer Waren konzentrieren.“

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