Mit dem Herbst wird es dunkler und kühler in Deutschland. Für viele Menschen geht die Jahreszeit mit einer Phase der Antriebslosigkeit einher. Sie fühlen sich schlapp, haben auf nichts Lust und würden am liebsten nur schlafen – oder unablässig Süßes in sich hinein stopfen. Der Winterblues ist weit verbreitet: Jeder vierte Bundesbürger leidet in Herbst und Winter unter Beeinträchtigungen, sagt Iris Hauth, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN).
Doch bei manchen Menschen bleibt es nicht bei einem leichten Knick in der Stimmung und ein paar Pfund Winterspeck auf den Hüften. Mitunter entwickeln sie eine Winter-Depression. Fachleute sprechen dabei von der SAD, einer saisonal abhängigen Depression. Mehrere Studien zeigten: „Es sind zwei bis fünf Prozent der Bevölkerung, die im Herbst regelmäßig eine saisonal abhängige Depression bekommen. Darunter mehr Frauen als Männer“, erklärt Hauth. Manche brauchen dann auch ärztliche Hilfe. Experten sprechen erst von einer echten SAD, wenn sich mindestens zwei Jahre hintereinander im Herbst und Winter depressive Symptome zeigten.
Diese sind teils ähnlich zur klassischen Depression, erklärt Friedrich Straub, Chefarzt der Schlossparkklinik Dirmstein und unter anderem spezialisiert auf Burnout-Erkrankungen und Depressionen: Betroffene haben keine Energie, leiden unter Interessenlosigkeit, sind niedergeschlagen und ängstlich.
Doch während Menschen mit einer gewöhnlichen Depression häufig appetitlos sind und nicht schlafen können, haben Winterdepressive großen Appetit auf Kohlenhydrate, vor allem Süßigkeiten, und ein höheres Schlafbedürfnis.
Symptome einer Depression
Deutliche Geschlechtsunterschiede finden sich bei der sogenannten unipolaren Depression, von der Frauen doppelt so häufig betroffen sind wie Männer. Diese Form ist gekennzeichnet durch Symptome wie verminderten Antrieb oder gesteigerte Müdigkeit, ...
... depressive Stimmung in einem ungewöhnlichen Ausmaß, die fast jeden Tag mindestens über zwei Wochen hinweg auftritt, ...
...Verlust an Interessen, keinerlei Freude mehr an Tätigkeiten, die einem früher mal Spaß und Befriedigung gebracht haben, ...
...Verlust des Selbstvertrauens und des Selbstwertgefühls sowie Selbstvorwürfe und Selbstzweifel,...
...Konzentrationsschwäche, Schlafstörungen, Appetitverlust oder gesteigerter Appetit.
(Quelle: Ursula Nuber, "Wer bin ich ohne dich?", Campus-Verlag)
Dass die trübe Jahreszeit so aufs Gemüt schlägt, hängt vor allem mit dem Mangel an Tageslicht zusammen. Er führt zu einer höheren Ausschüttung des Botenstoffs Melatonin im Körper. Das Schlafhormon steuert den Tag-Nacht-Rhythmus und senkt außerdem die Stimmung.
Nach aktuellem Kenntnisstand ist auch das Wohlfühl-Hormon Serotonin an der Winterpression beteiligt. Denn für die Produktion von Melatonin wandelt der Körper Serotonin um. Zugleich wird weniger von dem Wohlfühl-Hormon produziert. Der Serotoninspiegel sinkt. Und das beeinflusst wiederum die Stimmung und macht unbändige Lust auf Kohlenhydrate.
Dass am 21. Dezember Wintersonnenwende ist, ist kaum tröstlich. Ab dann werden die Tage zwar wieder länger. Doch der Winterblues ist trotzdem noch nicht an seinem Tiefpunkt angelangt. Er steigert sich meist im Januar und Februar, wenn sich Kälte und Dunkelheit lange hinziehen, weiß Hauth. Im März klingen die Symptome dann von selbst wieder ab.
Nachfolgend finden Sie die wichtigsten Tipps gegen den Winterblues:
5 Tipps: Das hilft gegen den Winterblues
Bewegung an der frischen Luft bei Tageslicht ist wichtig. Hier kann schon täglich eine halbe Stunde Spazierengehen oder Joggen hilfreich sein, rät Friedrich Straub, Chefarzt der Schlossparkklinik Dirmstein. Das bringt nicht nur den Kreislauf in Schwung. Auch bei trübem Wetter mit bedecktem Himmel ist das Licht draußen intensiver. Das wirkt stimmungsaufhellend. Zusätzlich stärkt die Bewegung an der frischen Luft das Immunsystem und senkt so das Risiko einer Erkältung.
Wer durch Job oder Familie stark eingespannt ist und den ganzen Tag im Büro oder zu Hause sitzt, sollte hier für eine helle Atmosphäre sorgen und möglichst viel Sonnenlicht hereinlassen, rät der Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie. Seien Sie gesellig: Gemütliche Runden mit Freunden und Familie helfen gegen das Stimmungstief. Tun Sie sich etwas Gutes und schaffen sich persönliche Wohlfühl-Momente, sei es eine Wellness-Behandlung oder ein ausgiebiges Schlemmer-Menü.
Ist der Winterblues besonders schlimm, kann eine Lichttherapie mit speziellen Lampen von 2500 bis 10.000 Lux hilfreich sein. Damit lösen immer mehr Skandinavier und Isländer das Problem der langen Dunkelheit in ihrer Heimat. Das Kunstlicht hat keinen schädlichen UV-Anteil und fördert die Serotonin-Ausschüttung. Bei der Behandlung sitzen die Patienten täglich eine halbe Stunde vor einer solchen Lampe. „Die Mehrzahl der Patienten verspürt nach zwei- bis dreiwöchiger Behandlung mit der „Lichtdusche“ eine Besserung der Beschwerden“, sagt Straub.
Um Depressionen vorzubeugen empfehlen Experten sogenannte Achtsamkeits-Trainings. Besonders für Menschen, die unter Dauer-Stress stehen oder bei denen bereits schon mal eine Depression festgestellt wurde. Die Trainings könnten eine sinnvolle Ergänzung zu Psychotherapie und Antidepressiva sein, „je nach Schweregrad manchmal auch eine Alternative“, sagt Juliane Stern, zuständige Therapeutin der Schlossparkklinik Dirmstein. Es gehe dabei nicht in erster Linie darum, sich besser zu fühlen, sondern „eigene Gefühle und Gedanken besser wahrzunehmen und zu verstehen.“
Wer über einen längeren Zeitraum, etwa zwei Wochen, unter depressiven Verstimmungen leidet, sollte einen Arzt aufsuchen, der beurteilen kann, ob psychologische Hilfe notwendig ist.
Bei leichten Verstimmungen können Johanniskraut-Tabletten helfen. Vor der Einnahme sollte aber unbedingt ärztlicher Rat eingeholt werden, weil es zu Neben- und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten kommen kann.
Bei schweren Depressionen empfehlen Fachärzte nicht selten eine Wach-Therapie. Ein kontrollierter Schlafentzug unter ärztlicher Aufsicht verändert den Haushalt der Botenstoffe im Gehirn und kann laut Straub bei etwa jedem zweiten Patienten zu einer Verbesserung der Stimmungslage führen. Er mahnt jedoch: „Oft folgt bereits nach der nächsten durchgeschlafenen Nacht eine weitere Phase tiefer Schwermut“. Experimentieren Sie also nicht, sondern suchen Sie sich ärztlichen Rat.
Mit Material von dpa