Diese Pille ist eine Bombe – sie droht die Kassen der Krankenversicherer weltweit zu sprengen. Und sie ist ein Lebensretter: Denn das Mittel Sovaldi des kalifornischen Unternehmens Gilead Sciences kann für Millionen Menschen Heilung bedeuten. Es bekämpft erfolgreich das tückische Hepatitis-C-Virus, das die Leber befällt und bei etwa einem Drittel der Betroffenen das Organ zerstört. Weltweit sind rund 170 Millionen Menschen infiziert, allein 300.000 in Deutschland.
Doch eine einzelne Sovaldi-Pille kostet aberwitzige 700 Euro, gut 60.000 Euro die zwölf Wochen dauernde Behandlung. Der niedersächsische AOK-Chef Jürgen Peter warnt bereits, nur dieses eine Mittel könnte die deutschen Krankenkassen bis zu fünf Milliarden Euro im Jahr kosten – das wäre ein Fünftel der Ausgaben für alle am Markt befindlichen Medikamente.
Formen der Krebs-Therapie
Bei einer Operation wird der Tumor entfernt, häufig auch die umliegenden Lymphknoten um eine Streuung zu vermeiden. Eine Operation allein reicht meist nicht aus.
Quelle: Bayerische Krebsgesellschaft
Dabei kommen bestimmte Medikamente, sogenannte Zytostatika, zum Einsatz. Sie können bösartige Tumoren zerstören oder zumindest ein weiteres Wachstum verhindern. Die Medikamente greifen in den Zell-Stoffwechsel ein. Weil sie aber nicht zwischen gesunden Zellen und Tumorgewebe unterscheiden können, kommt es zu Nebenwirkungen, etwa Haarausfall, Erbrechen, Immunschwäche. Weil sich das Normalgewebe aber schneller regeneriert, wirkt die Chemotherapie auf Krebszellen stärker.
Der Tumor wird vor, nach oder anstelle einer Entfernung mit energiereicher Strahlung beschossen. Die Bestrahlung kommt nur lokal zum Einsatz und kann das Wachstum des Tumors bremsen, indem die Tumorzellen zerstört werden.
Es handelt sich um einen jungen Therapieansatz, auch "targeted therapy" (zielgerichtete Therapie) genannt. Hierunter fällt die in der US-Studie erforschte Blockierung des Ral-Proteins. Spezifische Wirkstoffe sollen zielgenau die Krebszellen angreifen.
Hierbei werden Antihormone gegeben. Sie können vor allem Tumoren der Geschlechtsorgane und Brustkrebs im Wachstum stoppen oder verlangsamen.
Hierunter versteht man die Überwärmung des Körpers oder einzelner Körperteile. Dies kommt beispielsweise ergänzend zu einer Strahlentherapie zum Einsatz, und kann ihre Wirkung verstärken.
Deutlich günstiger wäre es, die Menschen mit einer Impfung vor dem Virus zu schützen. Genau das versucht der britische Pharmakonzern GlaxoSmithKline (GSK) zusammen mit dem Schweizer Biotech-Unternehmen Okairos: Der Impfstoff der 2013 von GSK übernommenen Firma schützte in ersten Studien die behandelten Menschen sehr gut vor dem Erreger und wird nun weiter getestet. Weil er ganz anders wirkt als traditionelle Schutzimpfungen, hofft Okairos-Chef Riccardo Cortese, auch viele weitere tückische Erkrankungen in den Griff zu bekommen – von Aids über Malaria bis hin zu Ebola: „Solche Impfungen werden in den nächsten zehn Jahren beim Kampf gegen Infektionskrankheiten entscheidend sein.“
Impfungen gegen Pickel und Karies
Impfen hat eine glänzende Zukunft, darüber sind sich die Experten einig – dank enormer wissenschaftlicher Fortschritte, aber auch angesichts explodierender Gesundheitskosten. Dabei geht es längst nicht mehr nur um klassische Infektionskrankheiten wie Masern, Windpocken oder Kinderlähmung: Moderne Impfungen schützen auch vor Krebs, Diabetes oder Herzinfarkten – und eines Tages vielleicht sogar vor Alzheimer. Forscher wollen so sogar Karies oder Pickel bekämpfen, die durch Bakterien verursacht werden.
Tatsächlich ist Impfen der medizinisch eleganteste und zugleich preiswerteste Weg, um gegen Krankheiten vorzugehen. Der Grund ist simpel: Statt Patienten wochen- oder monatelang mit teuren Pillen zu behandeln, genügen bei Impfungen oft wenige Spritzen, um lebenslang vor Viren oder Bakterien zu schützen.
Der Trick ist immer derselbe: Die Impfung bringt den körpereigenen Abwehrkräften – dem Immunsystem – bei, Erreger zu erkennen und gegen sie vorzugehen, wenn sie den Körper befallen. Hilfe zur Selbsthilfe sozusagen. Dabei treten im Vergleich zu Medikamenten, die Patienten über längere Zeiträume einnehmen, seltener Nebenwirkungen auf. Und die Mediziner haben lange Erfahrung mit dem Konzept: Bereits 1796 impfte der englische Landarzt Edward Jenner erfolgreich einen Patienten: gegen die Pocken.
Heute stehen die Mediziner vor drei Aufgaben: Vorhandene Impfungen zu verbessern und neue gegen Seuchen wie Ebola zu entwickeln ist traditionell ihr Metier. Neu kommt hinzu, Impfstoffe auch gegen chronische Krankheiten oder Krebs zu richten.
Impf-Cocktail aus vier Viren soll besser vor Grippe schützen
Verbesserungspotenzial gibt es zum Beispiel bei Impfungen gegen die Grippe, deren Saison jetzt wieder mit dem Herbst beginnt. Weil sich ihre Erreger, die Influenza-Viren, sehr schnell genetisch verändern und zudem verschiedenste Virenstämme grassieren, mixen die Pharmafirmen jedes Jahr einen neuen Impfcocktail aus drei Virentypen. Nicht immer treffen aber die Vorhersagen der von der Weltgesundheitsorganisation WHO beauftragten Forscher 100-prozentig zu. Deshalb bietet GSK in dieser Saison einen Wirkstoff mit vier Virusvertretern an. Das erhöht die Chance für den Geimpften, auf all die Grippeviren vorbereitet zu sein, denen er im Laufe des Winterhalbjahrs begegnen wird.
Wie man Antibiotika richtig einsetzt
Bakterien verändern sich ständig, um sich an wandelnde Umweltbedingungen anzupassen. Kleine Variationen im Erbgut, die Mutationen, verschaffen manchen Mikroben einen Überlebensvorteil. Sie vermehren sich daraufhin stärker als ihre übrigen Artgenossen. Dieses Grundprinzip der Evolution hilft auch Krankheitserregern, sich gegen Antibiotika zu wehren, etwa indem sie Wirkstoffe zerstören, bevor sie ihnen gefährlich werden. Doch man kann es den Keimen schwerer machen, diese Resistenzen zu bilden, wenn einige Dinge beachtet werden.
Auch wenn es banal klingt – nur wenn ein Bakterium mit einem Antibiotikum in Kontakt kommt, bringt ihm eine Resistenz einen Überlebensvorteil. Daher sollten Mediziner die Mittel nur dann verordnen, wenn es aus medizinischen Gründen wirklich erforderlich ist. Doch noch immer setzen sie Antibiotika viel zu lax und häufig ein. Sogar dort, wo sie gar nicht wirken: etwa bei Erkältungen. Die werden meist von Viren verursacht, gegen die jedes Antibiotikum machtlos ist. Erste Schnelltests für Hausärzte gibt es schon, die zwischen Viren oder Bakterien unterscheiden.
Verordnet ein Arzt ein Antibiotikum, darf es nicht zu niedrig dosiert oder die Behandlung zu früh abgebrochen werden. Sonst überleben genau jene Keime, die Abwehrstrategien entwickelt haben. Sie geben die Resistenzen dann an ihre Nachkommen weiter.
Krankenhäuser sind ein Paradies für Keime: Die vielen vorkommenden Erreger können Resistenzgene austauschen; alte, immungeschwächte Patienten bringen neue Keime ins Haus, jede Operation eröffnet den Erregern ideale Einflugschneisen in den Körper. Deshalb ist penible Hygiene und Desinfektion in Kliniken extrem wichtig.
Ebenfalls zu den Klassikern gehören Allergie-Impfungen. Sie sollen den Körper an Stoffe gewöhnen, gegen die er seine Immuntruppen versehentlich in Stellung bringt, weil er sie als gefährlich einstuft – wie Wespengift, Erdnusseiweiß oder Blütenpollen. Bisher müssen Allergiker drei bis fünf Jahre lang alle paar Wochen eine Spritze bekommen. Um das Immunsystems schneller umzuerziehen, arbeiten Forscher seit einiger Zeit statt mit Naturstoffen mit künstlichen Eiweißen.
Neue Impfung gegen Birkenpollen-Allergie
Das scheint jetzt zu klappen: Die Firma Anergis aus der Nähe von Lausanne hat eben eine Studie abgeschlossen, bei der Patienten innerhalb von acht Wochen fünf Injektionen mit einem neuen Impfstoff gegen Birkenpollen bekamen. Anergis-Chef Vincent Charlon kann sich freuen: „Auch im zweiten Jahr nach der Behandlung traten keine Allergiesymptome mehr auf.“
Klassische Impfkonzepte richten Forscher neuerdings aber auch gegen Erreger, die Krebs auslösen können. Erst in den Siebzigerjahren haben Forscher herausgefunden, dass etwa Viren für Tumore verantwortlich sind. Für die sensationelle Entdeckung erhielt der deutsche Krebsforscher Harald zur Hausen den Medizin-Nobelpreis. Mittlerweile testen Pharmafirmen eine Reihe von Krebsimpfungen. Auch die Impfstoffe gegen Hepatitis-C- und -B-Viren gehören dazu, denn diese Viren zerstören nicht nur die Leber, sie sind auch eine wesentliche Ursache für Leberkrebs. Ähnlich sieht es beim Epstein-Barr-Virus aus: Das verursacht einerseits das Pfeiffersche Drüsenfieber und ist anderseits der Auslöser für zahlreiche Blutkrebsarten.
Immerhin existieren bereits für eine Gruppe der krebsauslösenden Viren – die humanen Papillomaviren (HPV) – zwei zugelassene Impfstoffe der Hersteller GSK und Sanofi-Pasteur MSD. HP-Viren führen zur Warzenbildung und meist gutartigen Wucherungen. Diese können jedoch entarten und tödliche Tumore bilden, am häufigsten betroffen ist der Gebärmutterhals. Frauen können sich mit den Impfungen davor schützen.
Kampf gegen Krebsviren
Und weil der Schutz am effektivsten ist, wenn Mädchen sich vor dem ersten Sexualkontakt impfen lassen, hat die Ständige Impfkommission in ihrer neuesten Empfehlung gerade die Altersgrenze auf neun Jahre herabgesetzt. An diese Vorgaben des unabhängigen Expertengremiums sollen sich Ärzte in Deutschland halten, die Krankenkassen übernehmen in der Regel die Kosten. Derzeit arbeitet Sanofi-Pasteur MSD an einem Impfstoff, der neun statt aktuell vier HPV-Virenstämme beinhaltet.
Diese Bekämpfung von Krebsviren ist nicht zu verwechseln mit einer Reihe von Behandlungen, die unter dem Begriff therapeutische Impfungen firmieren. Hier geht es darum, die Abwehrkräfte bereits an Krebs erkrankter Menschen mit sogenannten Immunmodulatoren gezielt auf die Tumorzellen zu lenken. Denn die sind wahre Meister darin, sich zu tarnen und den körpereigenen Abwehrtruppen zu entgehen.
Mit Provenge gegen Prostatakrebs hat die US-Firma Dendreon 2011 einen ersten Immunmodulator auf den Markt gebracht. Auch deutsche Biotech-Unternehmen wie Immatics, Curevac oder Biontec arbeiten an therapeutischen Krebsimpfungen und erproben sie bereits am Menschen.
Forscher müssen immer wieder um die Ecke denken
Gelegentlich stoßen die Forscher auch auf echte Überraschungen. Etwa bei der Grippeimpfung. Sie senkt verblüffenderweise die Herzinfarkt-Rate, wie Raina MacIntyre und ihr Team von der Universität New South Wales in Sidney jüngst herausfand. Über 50-Jährige, die gegen Grippe geimpft sind, bekamen nur halb so oft einen Infarkt wie ungeimpfte, so das Studienergebnis.
Das vermutete Wirkprinzip: Eine Grippeerkrankung löst Entzündungsprozesse im Körper aus. Die könnten wiederum dazu führen, dass sich Ablagerungen – die Plaques – in Adern lösen und diese Gerinnsel bereits verengte Gefäße im Herz blockieren. Genau das ist ein Infarkt.
Die wichtigsten Fakten zu Aids
Ursache für die Krankheit Aids ist das Humane Immunschwächevirus (HIV).
Das HI-Virus wird heute vor allem durch ungeschützten Geschlechtsverkehr und infizierte Injektionsnadeln übertragen.
Der Erreger legt unter anderem bestimmte Immunzellen lahm. Deshalb kann das Abwehrsystem des Körpers Krankheitserreger wie Bakterien und Viren nicht mehr wirkungsvoll bekämpfen. Selbst an sich harmlose Infektionen können so zur tödlichen Bedrohung werden.
Nach einer erkannten HIV-Infektion lassen sich Ausbruch und Symptome von Aids (Acquired Immune Deficiency Syndrome, Erworbenes Immunschwäche-Syndrom) heute mit verschiedenen Medikamenten bekämpfen. Sie verhindern die Vermehrung des Erregers im Blut. Lebensqualität und -erwartung von Patienten sind durch diese Therapien deutlich gestiegen. Eine Heilung ist noch nicht möglich.
Viele Tests für einen Impfstoff sind bisher gescheitert. Als größtes Problem gilt, dass das Virus sehr wandlungsfähig ist.
Ähnlich um die Ecke gedacht sind die Versuche mehrerer Forschergruppen, Autoimmunkrankheiten zu bekämpfen, bei denen der Körper versehentlich eigenes Gewebe angreift. Sie nutzen die klassische Impfung gegen Tuberkulose (TB), um die erbliche Zuckerstoffwechselkrankheit Diabetes oder die multiple Sklerose zu behandeln. Hier geht es darum, dem überaktiven Immunsystem ein anderes Ziel anzubieten, an dem es sich abreagieren kann.
Oft hilft der Zufall weiter
So gelang es Forschern aus Boston, das Immunsystem von Diabetikern davon abzuhalten, die Insulin produzierenden Zellen zu zerstören. Nach der TB-Impfung stellte ihr Körper das blutzuckersenkende Insulin wieder selbst her, das sie über Jahre hatten spritzen müssen .
Mit derselben Strategie konnten mehrere Wissenschaftlergruppen nach ersten Anzeichen einer multiplen Sklerose ein weiteres Fortschreiten der Krankheit verhindern. Auch hier lautet die Hypothese, dass das Vortäuschen einer leichten Infektion die fehlgeleiteten Abwehrtruppen des Körpers davon abhält, Unheil anzurichten. Denn unbehandelt zerstören die Abwehrzellen die elektrischen Isolierschichten, die die Nerven umgeben. Ohne diese Schutzschicht kommt es zu Kurzschlüssen und Fehlschaltung der elektrischen Nervenimpulse. Das verursacht Schmerzen und im Extremfall tödliche Lähmungen.
Auch beim Altersleiden Alzheimer half den Wissenschaftlern der Zufall weiter, wie es jüngst Walter Schmidt erlebte. Das von ihm mitgegründete Wiener Unternehmen Affiris testete an 322 Patienten einen Impfstoff namens AD02, der Plaques auf den Nervenzellen abbauen sollte. Diese Ablagerungen werden für Alzheimer verantwortlich gemacht.
Adjuvans gegen geistigen Verfall
Doch weil die Flüssigkeit, die die Affiris-Mediziner spritzten, trübe war, musste für die Kontrollgruppe eine ebenso trübe Lösung ohne Wirkstoff her. Die Affiris-Forscher versetzten die Kontrolllösung deshalb mit einem bereits bekannten Impfverstärker, einem Adjuvans.
Nach Abschluss der Studie stellten die Affiris-Forscher überrascht fest: Der eigentliche Wirkstoff hatte nicht den geringsten Effekt, die Kontrolle schon. Schmidt sagt: „Das Adjuvans stoppte das für Alzheimer typische Schrumpfen der Hirnregion namens Hippocampus – und auch den geistigen Verfall.“