Konkurrenz für Lilium und Volocopter „Ein Flugtaxi werden sich auch normale Menschen leisten können“

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Am Augsburger Flughafen öffnet das chinesische Unternehmen Autoflight ein Entwicklungszentrum für sein Flugtaxi. Wer soll all die autonomen Flieger brauchen? Und was können die Chinesen besser als Lilium oder Volocopter?

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Nun gibt das Unternehmen den Start eines Entwicklungszentrums in Augsburg bekannt geleitet vom Ex-Airbus-Manager Mark Henning. Der hat 26 Jahre in der Luftfahrtbranche gearbeitet – und erzählt im Interview mit der WirtschaftsWoche, warum die Welt noch einen Lufttaxi-Hersteller braucht, was die ersten Anwendungen für die Geräte sein werden und wie sich der Markt aus seiner Sicht entwickeln wird.

WirtschaftsWoche: Herr Henning, als neuer Europachef von Autoflight bauen Sie ein Entwicklungszentrum in Augsburg auf. Was haben Sie dort vor?
Mark Henning: Wir wollen das erste Flugtaxi von Autoflight durch die europäische Zertifizierung bringen. Die zuständige Behörde EASA hat weltweit die höchsten Standards – klappt die Zulassung dort, folgen die anderen Ländern in der Regel auch. 2025 wollen wir so weit sein und bis dahin auch schon die Serienfertigung des Flugtaxis vorbereiten. Dazu bauen wir am Flughafen Augsburg zunächst ein Team von 30 bis 50 Mitarbeitern auf.

Ex-Airbus-Manager Mark Henning leitet nun das Flugtaxi-Start-up Autoflight. Quelle: Presse

Sie haben viele Jahre führend in der Entwicklung von Helikoptern gearbeitet. Nun der Wechsel ins Flugtaxi-Geschäft – das bisher noch eine Wette ist. Was hat Sie dazu bewogen?
Einen elektrischen Senkrechtstarter zu entwickeln, ist eine einmalige Gelegenheit im Leben. Senkrecht starten und landen ist die Königsdisziplin im Fliegen. Hubschrauber machen das zwar – aber sie fliegen nicht weit und nur bedingt effizient. Jetzt wollen Start-ups wie Autoflight das elektrisch schaffen und die Fortschritte bei Elektromotoren, Batterien und Elektronik nutzen. Wir haben jetzt die Chance, den Flugzeugbau zu revolutionieren, wie wir nicht mehr getan haben seit 80 Jahren, als die Jettriebwerke eingeführt wurden.

Wie groß schätzen Sie die Chance, dass das auch klappt?
Technisch wird es auf jeden Fall klappen. In China hat Autoflight schon tausende Flüge mit unbemannten Senkrechtstarter-Drohnen absolviert. Das Team mit 350 Mitarbeitern dort hat auch bereits einen Vorläufer beziehungsweise eine Konzeptstudie des Flugtaxis gebaut, 1,5 Tonnen schwer, der im Wesentlichen den Aufbau des geplanten Flugtaxis hat. Vor einer Woche hat der schon den ersten Transitionsflug – senkrecht starten, horizontal weiterfliegen – erfolgreich absolviert.

Was muss nun passieren, bis ein Serienmodell daraus wird?
Wir wollen bis zum Herbst die finale Konfiguration einfrieren: So groß sind die Flügel, dort sitzt die Kabine, die Propeller haben jenen Durchmesser. Dann arbeiten wir daran, die Bauvorschriften für elektrische Senkrechtstarter der EASA zu erfüllen, die es seit vergangenem Jahr gibt. Jedes Bauteil muss enorm hohen Standards entsprechen. Wir müssen nachweisen, dass die Wahrscheinlichkeit eines tödlichen Unfalls so extrem gering ist wie bei einem Linienflugzeug. Das wird kein Spaziergang, aber bei der Sicherheit machen wir keine Kompromisse.

Gleichzeitig wollen Sie die Massenfertigung vorbereiten – die schon in weit weniger komplexen Industrien, etwa der Herstellung von E-Autos, eine Riesenherausforderung ist.
Ja, das stimmt. Bei Hubschraubern fertigt man von einem Modell vielleicht 30 Exemplare im Jahr, wenn es ganz gut läuft 100. Bei Flugtaxis reden wir von 10.000 und mehr. Da braucht es ganz andere Technologien und Fertigungsverfahren, wir brauchen ein Netz aus Zulieferern und ein Konzept für Wartung und Kundendienst weltweit. 

Was macht Sie optimistisch, dass es überhaupt so viel Nachfrage geben wird? 
Studien, die wir gesehen, aber auch selbst angefertigt haben, gehen von Millionen von Flugtaxis aus, die in 15 Jahren benötigt werden – ein unglaublicher Markt. 

Wo sehen Sie die ersten attraktiven Flugrouten?
Ein erster Anwendungsfall sind Flüge vom Flughafen ins Stadtzentrum – etwa von Heathrow in die Londoner City. In vielen Megacities kommen auch Flüge quer durch die Stadt in Frage – wo Sie mit dem Taxi eine Stunde brauchen, sind Sie per Flugtaxi in zehn Minuten da, inklusive Anschnallen und Abschnallen. Unser Flieger wird außerdem eine Reichweite von mehr als 200 Kilometern haben und kann von Stadtzentrum zu Stadtzentrum fliegen. 

Wer soll sich das leisten können?
Aufgrund unserer niedrigen Kosten für Herstellung und Betrieb werden sich das auch normale Menschen leisten können. Wenn ich mit meiner Frau von Augsburg nach München ins Theater möchte, steigen wir hier ein und fliegen für 50 Euro pro Person in die Münchener Innenstadt, statt mit dem Auto zu fahren. Straßen und Schienen zu bauen ist so teuer, dass Flugtaxis die klassischen Transportsysteme entlasten können. Nicht umsonst heißt es: The sky is unlimited.

Das setzt voraus, dass sich in der Münchener Innenstadt auch ein Landeplatz findet, gegen den kein Anwohner protestiert.
Sicher, der Lärm muss gering sein, daran arbeiten wir. Im Vergleich zu Hubschraubern werden wir deutlich leiser sein – das zeigen unsere Tests schon jetzt. Und in Reiseflughöhe werden Sie unser Flugtaxi überhaupt nicht hören. Das spannende wird sein, die Regulierung für den Luftraum hinzubekommen – wir brauchen Luftstraßen, auf denen wir unterwegs sein können. Darauf drängen inzwischen viele Anbieter. Bei der EASA laufen die Vorbereitungen. 

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In Deutschland arbeiten schon Lilium und Volocopter an Flugtaxis, weltweit gibt es mehr als hundert Start-ups. Warum sollte es Autoflight in die erste Liga schaffen?
Unser Team in Shanghai hat jahrelange Erfahrung mit Lastendrohnen und ist rasend schnell. Für den Vorläufer des bemannten Flugtaxis hat es nur hundert Tage gebraucht. Wir können jetzt am Modell im 1:1-Maßstab wesentliche Erfahrungen sammeln, ohne vorher mit einem Modell langwierig in den Windkanal gehen zu müssen. Bei anderen Firmen dauert dieser Vorlauf mehrere Jahre. Asiatische Schnelligkeit, deutsche Stringenz – das ist eine erfolgversprechende Kombination. 

Wenn Sie 2025 am Markt sind, wollen aber auch andere schon dort sein.
Wenn wir hunderttausende Flugtaxis in der Luft haben, ist genug Platz für zehn Anbieter, sind es Millionen, können die den Bedarf schon nicht mehr decken. Sobald Autoflight auch nur einige zehntausend Flugtaxis baut, ist das schon ein Riesenerfolg – wirtschaftlich und technologisch.

Mehr zum Thema: Die Flugindustrie muss sich neu erfinden. Der Klimaschutz zwingt sie, heutige Technologien infrage zu stellen.

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