Theo Waigel gehört nicht zur Zielgruppe – das wilde Wachstum seiner Augenbrauen ist das markanteste Kennzeichen des früheren Bundesfinanzministers. Nach Waigels Devise, „alles so lassen, wie es der liebe Gott geschaffen hat“, lebt die Mehrheit aller Männer. Frauen sind da anspruchsvoller. Die Brauen werden gezupft, die Konturen mit dem Stift nachgezogen, die Wimpern sollen lang und seidig glänzend sein, wie bei Kleopatra. Notfalls wird mit künstlichen Wimpern nachgeholfen. Wer den Kleber nicht verträgt, braucht viel Selbstbewusstsein, um sich nicht als Mauerblümchen zu fühlen.
Genau bei diesem Gefühl setzt das Kosmetikunternehmen M2 Beauté aus Köln an. Das 2008 gegründete Startup entwickelt, produziert und vertreibt sogenannte Wirkstoffkosmetik, die einen alten Menschheitstraum erfüllen soll: Sie bringt zum Wachsen, was nicht (oder nicht mehr) wachsen will – in diesem Fall Wimpern und Augenbrauen. Das kleine Unternehmen hat eine Marktlücke getroffen. „Wir haben vom ersten Tag an schwarze Zahlen geschrieben und unseren Umsatz jedes Jahr verdoppelt“, sagt Geschäftsführer Uwe Moysies. „Für 2013 erwarten wir ein Gesamtvolumen im guten zweistelligen Millionenbereich.“
Von der Nebenwirkung zum Wimpern-Wunder
Was der ehemalige IT-Unternehmer Moysies zusammen mit seinen knapp 20 Mitarbeitern erfolgreich an die Frau bringt, funktioniert offenbar. Das Institut Dermatest in Münster hat die Wirkung bestätigt. Von einem „Wimpern-Wunder“ schreibt die Frauenzeitschrift „Madame“, einen „Wachstumsbooster“ hat die deutsche „Vogue“ ausgemacht. Die Foren-Einträge auf einschlägigen Internet-Seiten gehen in die gleiche Richtung: „Das beste Produkt, was es auf dem Markt gibt“, schwärmt etwa Purzel2301 auf gofeminin.de.
Genauso interessant wie das Produkt ist die Geschichte dahinter. Denn was M2 Beauté verkauft, ist eigentlich die Nebenwirkung des US-Arzneimittels Lumigan. Die Augentropfen helfen gegen grünen Star, fördern aber auch das Haarwachstum. Das Wissen um die haarige Nebenwirkung brachte eine Freundin von Uwe Moysies 2007 aus den USA mit. Die Visagistin hatte durch ihren Job davon gehört.
Innovationsmanagement
Um aus der Idee ein Geschäft zu machen, war Eile nötig. „Wir mussten damit rechnen, dass jemand anders den gleichen Einfall hat“, erinnert sich Moysies. Die Tropfen mussten so verändert werden, dass sie nicht mehr als Arzneimittel gelten, der Kosmetikverordnung entsprechen und keine Nebenwirkungen verursachen, den gewünschten Effekt auf Wimpern und Augenbrauen aber behalten. Gleichzeitig mussten ein Partner für Produktion und Logistik sowie ein Vertriebs- und Marketingkonzept her.
Den Mann, der sich darum kümmern sollte, fanden die Moysies in der eigenen Familie: ihren Schwiegersohn Frank Zurlino. Der Unternehmensberater, im Hauptjob Partner der Düsseldorfer Strategieberatung Horn & Company und davor Chef der IBM-Consulting in Deutschland, hatte das nötige Geld und Know-how. Heute ist der 48-Jährige Hauptinvestor und Aufsichtsrat von M2 Beauté „Ich hatte kurz vorher ein Buch über Innovationsmanagement geschrieben, wollte aber schon immer mal was Praktisches machen.“
Hoffnung für kahle Häupter?
Das brachte den frischgebackenen Unternehmer zu Beginn tüchtig ins Schwitzen. Zurlino hatte das Startkapital investiert, kurz bevor die US-Investmentbank Lehman pleiteging: „Kein schönes Gefühl, das war ein ordentlicher Teil unserer Ersparnisse.“ Um sein Geld muss sich Zurlino keine Sorgen mehr machen. M2 Beauté ist der Einstieg in ein Geschäft gelungen, das sich lohnt: Hersteller von Wirkstoffkosmetik arbeiten mit Margen „im deutlich zweistelligen Prozentbereich“, so Zurlino.
Zu kaufen gibt es die Präparate in 30 Ländern, vertrieben werden sie über Parfümerieketten wie Douglas, Schönheitskliniken oder über exklusive Kaufhäuser wie das KaDeWe in Berlin, Harrods in London oder Gum in Moskau. M2 Brows für Augenbrauen und M2 Lashes für Wimpern kosten jeweils gut 120 Euro. Die Ampullen mit fünf Milliliter Inhalt reichen für rund drei Monate, „erste Ergebnisse sieht man nach etwa fünf Wochen“, versprechen Moysies und Zurlino. Damit der Erfolg bleibt, muss frau dranbleiben – Kundenbindung, die von allein funktioniert.
Ideen für neue Produkte haben die beiden schon: Mit der Wiederaufforstung von Männer-Glatzen ließen sich Millionen verdienen. Aber noch müssen sich die Betroffenen gedulden: „Grundsätzlich könnte das funktionieren, aber die Entwicklung ist noch nicht marktreif“, sagt Zurlino.