Die Wissenschaftler hoffen, aus dieser Erkenntnis ein neues Medikament für die Krebstherapie entwickeln zu können: Einen spezifischen Wirkstoff, der das Tumor- und Metastasen-befeuernde Ral-Molekül daran hindern kann, aktiv zu werden. Im Vergleich etwa zu einer Chemotherapie, die nicht nur speziell die Krebszellen angreift und zahlreiche Nebenwirkungen haben kann, wäre das für den kranken Körper ungleich schonender.
Bei diesem Ansatz, spezifische Wirkstoffe für ein ganz bestimmtes Ziel im Stoffwechsel zu finden, sprechen Wissenschaftler von sogenannten allosterischen Inhibitoren. Ein Inhibitor ist ein Stoff, der etwa ein Enzym hemmen kann. Dazu muss man wissen, dass grundsätzlich zwischen kompetitiven und allosterischen Inhibitoren unterschieden wird. Ein kompetitiver Inhibitor kann im aktiven Zentrum des Enzyms binden. Er nimmt so dem Stoff, der dort eigentlich umgesetzt werden soll, den Platz weg.
Das Problem: Die Wirkung ist oft unspezifisch. Das ist eine generelle Schwierigkeit in der Wirkstoffforschung: Inhibitoren hemmen nicht nur das eine, gewünschte Enzym, sondern können auch mehrere verwandte Mitglieder einer Enzymklasse blockieren.
"Wir packen das Enzym am Genick"
Allosterisch bedeutet nun soviel wie "an anderer Stelle". Dabei lagert sich ein Inhibitor nicht am aktiven Zentrum des Enzyms sondern an einer anderen Position an. Er verändert dadurch die räumliche Struktur des Enzyms und verhindert so, dass es wie gewohnt funktionieren kann. Der Vorteil: "Allosterische Inhibitoren packen das Enzym bildlich gesprochen am Genick", erläutert Gunkel. "Diese Angriffspunkte außerhalb seines aktiven Zentrums sind in der Regel einzigartig."
Allosterische Inhibitoren sind zwar per se nichts neues. Derzeit werde aber in der Krebsforschung verstärkt nach diesen Stoffen gesucht, erklärt Gunkel weiter. Die Klasse, zu der das nun von der US-Forschergruppe geknackte Ral-Protein gehört, ist in der Krebsforschung hochinteressant. "Das ist toll, ein guter Anfang", sagt Gunkel. "Man muss allerdings auch sagen, dass es noch ein weiter Weg hin zu einem einsatzfähigen Medikament ist - sowohl, was die Zeit als auch was das finanzielle Investment betrifft", schränkte er ein. "Hier steht keine neue Behandlungs- oder Heilungsmöglichkeit unmittelbar vor der Tür, sondern ein interessanter Ansatz, den es zu beobachten gilt".
Bis zu einem einsatzfähigen Medikament könnten also noch Jahre vergehen. Auch Theodorescu sagte, dass noch viel Forschungsarbeit und Tests nötig seien. Unter anderem müsse eine mögliche Giftigkeit der Substanz BQU57 überprüft und ausgeschlossen werden. Auch die beste Art der Gabe von BQU57 - etwa oral oder intravenös - müsse noch erforscht werden.
"Dennoch ist diese Studie ein wertvoller erster Schritt in Richtung einer Entwicklung einer neuen Klasse therapeutischer Mittel, die Ral ins Visier nehmen", betont Theodorescu.