
In Darmstadt bekommen die Raumfahrtexperten und Journalisten erst 14 Minuten später mit, ob alles geklappt hat. Solange brauchen die Funksignale vom Mars zur Erde. Es ist eine aufreibende Viertelstunde, auch für die Esa-Wissenschaftler. Die Landetechnik ist völlig neu - und so kompliziert, dass nicht der kleinste Fehler passieren darf.
„Skycrane gestartet“, tönt es um kurz nach halb acht plötzlich aus dem Nasa-Kontrollzentrum, das per Videoverbindung auf einem Bildschirm in Darmstadt zugeschaltet ist. Applaus brandet auf: Eines der wichtigsten Landemanöver hat funktioniert. Dann Sekunden der Ruhe - und endlich die Erfolgsmeldung: „Touchdown completed“ - Curiosity ist sicher gelandet.
Esa-Missionsbetriebsleiter Manfred Warhaut ballt die Fäuste zu einer Siegesgeste, Thomas Reiter, Direktor für bemannte Raumfahrt bei der Esa, der sich eben noch vor Anspannung auf die Unterlippe gebissen hat, lacht erleichtert auf.
Und dann bricht großer Jubel aus: Curiosity sendet das erste Foto vom Mars zur Erde. Im Kontrollzentrums in den USA fallen sich die Mitarbeiter derart ausgelassen in die Arme, dass man sich bald fragen muss, ob überhaupt noch jemand die Instrumente bedient.





Dabei ist auf dem winzigen Schwarz-Weiß-Foto kaum etwas zu erkennen. Erst das zweite Bild zeigt allerlei Marsgestein, den Schatten des Rovers und eine gleißende Sonne am Marshimmel. „Das ist unglaublich“, ruft einer der Amerikaner, „man sieht bis zum Horizont.“Dieses Bild, hoffen die Forscher, soll der Auftakt werden zur Erkundung einer neuen Welt.
Denn im Vergleich zu den drei vorherigen Marsrovern der Nasa ist Curiosity ein rollendes Superlabor. Es soll der Wissenschaft viel tiefere Blicke in die Entstehungsgeschichte des Mars, der Erde und des Lebens im Universum gewähren. Zwei Jahre soll es unterwegs sein, 20 Kilometer zurücklegen – und unzählige Gigabyte an Daten zur Erde funken.
Die Technik des Marsrovers "Curiosity"
Rund zehnmal so viele technische Geräte wie vorherige Marsmissionen hat der Nasa-Rover „Curiosity“ an Bord. Einiges davon haben deutsche Ingenieure beigesteuert. Die Firma Sensitec aus dem hessischen Lahnau rüstete das Erkundungsgerät mit Sensoren zur Fahrwerkssteuerung aus.
Ein Gerät zur Strahlenmessung - entwickelt unter anderem von Forschern der Universität Kiel und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) - überprüfte bereits die Strahlung beim Flug durch das All und soll auch auf dem Roten Planeten weitermachen. So soll herausgefunden werden, ob es Leben auf dem Mars gegeben hat oder geben kann. Auch für eine mögliche bemannte Mars-Mission sind die Daten wichtig. Auf der Marsoberfläche werden mit dem Kieler Gerät zum ersten Mal Strahlungswerte gemessen. Der rund 1,3 Millionen Euro teure sogenannte Radiation Assessment Detector (Rad) ist nur etwa so groß wie eine Kaffeekanne und wiegt rund 1,5 Kilogramm.
Siemens hat die Software mitgeschrieben, mit der die Nasa das Gefährt konstruiert und getestet hat. Es handelt sich um sogenannte PLM-Software (Product Lifecycle Management), die auch beim Bau von Autos, Flugzeugen oder Maschinen eingesetzt wird. Sie ist eine Art elektronisches Reißbrett, mit dem der Marsrover digital entworfen wurde und seine Funktionen schon vor dem Bau simuliert werden konnten. Siemens zählt zu den drei großen Anbietern von PLM-Software - zusammen mit dem Nasa-Hauslieferanten PTC und der französischen Dassault. Weltraumprojekte sind die Königsdisziplin. Hier wird zwar nicht viel verdient, aber sie sind gut fürs Renommee.
Der Rover wird mit einer Atombatterie betrieben: „Curiositys“ Strom wird von einem Radioisotopen-Generator erzeugt, der die Hitze beim Zerfall von Plutonium 238 nutzt. Dadurch wurden zum Zeitpunkt des Starts etwa 110 Watt produziert. Um die erwarteten Temperaturen von bis zu minus 90 Grad auf dem Mars zu überstehen, werden auch Flüssigkeiten mit Hilfe des Generators erwärmt und durch den Rover gepumpt, um die richtige Betriebstemperatur etwa für die Elektrik des Roboters zu gewährleisten.
Etwa zwei Meter über dem Marsboden trägt er zwei Kameras an einem Mast. Sie können sowohl den Nahbereich als auch die Ferne überblicken. Die „ChemCam“ besitzt unter anderem einen starken Laser und ein kleines Teleskop. Beide werden auf einen Stein oder den Boden im Umkreis von sieben Metern gerichtet. Ein Laserpuls hoher Energie lässt am Stein eine Plasmawolke entstehen. Das ausgesendete Licht empfängt das Teleskop und leitet es an ein Spektrometer weiter. Dessen Daten ermöglichen Rückschlüsse auf die Zusammensetzung der Probe. Hinzu kommt das „APXS“ („Alpha-Particle X-ray Spectrometer“), ein Röntgenspektrometer.
Am Ende des Roboterarms ist der „Mars Hand Lens Imager“ („Mahli“) angeschraubt. Diese Kamera liefert Bilder aus dem Nahbereich und kann die Kristallzusammensetzung von Bodenproben zeigen. Die Bilder helfen besonders den Mars-Geologen. Diese profitieren auch vom „CheMin“, einem Röntgenspektroskop. Pulverisierte Proben werden dort durchleuchtet, um die exakte Zusammensetzung zu bestimmen. Das hilft auch dabei, die Frage zu klären, ob der Mars einst eine geeignete Umgebung für Leben war.
Hinzu kommt das Gerät „Sample Analysis at Mars“ („Sam“), unter anderem ist das ein Massenspektrometer mit aufwendiger Probenvorbereitung. Bodenproben werden in einem Mini-Ofen erhitzt, sie verdampfen Inhaltsstoffe, die dann ins Massenspektrometer strömen. Unter anderem werden damit Methan, Edelgase, Wasser oder Kohlendioxid aufgespürt.
In den Stunden nach der Landung sind die Nasa-Wissenschaftler damit beschäftigt, nahezu ein Dutzend wissenschaftlicher Geräte in Gang zu setzen, darunter hochauflösende Kameras, eine Miniatur-Wetterstation, ein Bodenproben-Analyselabor, ein Strahlenmessgerät und einen Laser, der bis zu sieben Meter entfernte Steine zum Qualmen bringt, um mit einem Spektrometer in den aufsteigenden Gasen die Materialzusammensetzung zu erfassen.
Zusammen können die Instrumente Geologen darüber aufklären, woraus der rote Planet im Einzelnen besteht. Vor allem aber sollen sie nach Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Kohlenstoff, Phosphor und Schwefel Ausschau halten – den Grundbausteinen des Lebens. Treffen sie in der richtigen Zusammensetzung auf, wäre es ein Hinweis darauf, dass es auf dem Mars Leben gegeben hat – oder sogar heute noch gibt.