
Der Arbeitstag von Cornelis Leendert van der Pols beginnt an diesem Montagmorgen in aller Herrgottsfrühe. Um kurz nach vier kriecht der Raumschiff-Steueringenieur aus dem Bett, setzt sich seine übergroße Bill-Gates-Brille auf die Nase, streift ein graues Jackett über und macht sich auf zum Satellitenkontrollzentrum der Europäischen Weltraumagentur Esa, gleich hinter dem Darmstädter Hauptbahnhof.
Van der Pols ist dafür verantwortlich, dass der Esa-Satellit Mars Express jederzeit genug Strom hat. Und heute wird das besonders wichtig sein. Denn die Sonde der Europäer soll mit ihren Antennen die Landung des Mars Science Laboratory überwachen - der bisher ambitioniertesten Marsmission der US-Raumfahrtbehörde Nasa: 2,5 Milliarden Dollar teuer, 900 Kilogramm schwer.





An diesem Sommermorgen entscheidet sich, ob der Rover Curiosity in den nächsten Jahren auf die Suche nach Spuren von Leben auf dem Mars gehen wird - oder bei der Landung zu einem Klumpen Elektroschrott verdampft. Binnen Sekunden wären mehr als zehn Jahre Arbeit von dutzenden Ingenieuren vernichtet. Satelliten-Pilot van der Pols, der mit seinen US-Kollegen mitfiebert, sähe das Unglück kurze Zeit später in nüchternen Zahlenkolonnen und Kurvendiagrammen auf seinem Bildschirm.
Während sich dutzende Journalisten an seinem Schreibtisch vorbeischieben, Kameras klicken und Filmlampen aufleuchten, schießt 288 Millionen Kilometer entfernt die Nasa-Raumsonde mit 20000 Stundenkilometern auf die Marsatmosphäre zu. Was nun folgt, ist eines der härtesten Landemanöver der Menschheit - Nasa-Experten nennen es die „sieben Minuten des Terrors“.
Die Geschichte der Mars-Missionen
Dezember 1996 - Das US-Raumschiff „Pathfinder“ startet mit dem Marsrover „Sojourner“ zu unserem Nachbarplaneten. Nach mehreren Fehlversuchen landet mit „Sojourner“ erstmals 1997 ein ferngesteuertes Fahrzeug erfolgreich auf unserem Nachbarplaneten und sendet Daten zur Erde.
Juni 2003 - Der Mars-Landeroboter „Spirit“ der Nasa hebt vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral ab. Im Juli wird nach mehrfachen Startverschiebungen auch sein Zwilling „Opportunity“ losgeschickt.
Januar 2004 - Nach einer mehr als 480 Millionen Kilometer langen Reise setzt „Spirit“ sicher auf dem Mars auf. Das kleine Roboterfahrzeug soll nach Spuren von Leben suchen. Am 1. April findet „Spirit“ Hinweise auf früher existierendes Wasser. Drei Wochen nach „Spirit“ landet auch „Opportunity“ auf der anderen Seite des Planeten.
Mai 2009 - „Spirit“ bleibt im Marssand stecken. Alle Versuche der Nasa, ihn zu befreien, scheitern. Im Mai 2011- rund siebeneinhalb Jahre nach seiner Landung auf dem Mars - nimmt die Nasa Abschied von „Spirit“. Wie die Behörde mitteilt, wird sie ihre Versuche einstellen, Kontakt zu dem Roboterfahrzeug aufzunehmen. Die letzte Kommunikation gab es 14 Monate zuvor.
November 2011 - Der neue Rover „Curiosity“ wird auf die Reise zum Mars geschickt. Er soll sein Ziel am 6. August 2012 erreichen. Der Roboter soll dann nach organischen Materialien suchen und herausfinden, wie lebensfreundlich oder auch -feindlich der Planet einst war und ist.
Januar 2012 - „Opportunity“ ist bereits sensationelle acht Jahre auf dem Mars im Einsatz. Erwartet worden waren nur 90 Tage.
Februar 2012 - Nasa-Chef Charles Bolden gibt bekannt, dass die US-Weltraumbehörde aus Spargründen aus zwei gemeinsam mit der Europäischen Raumfahrtbehörde Esa geplanten Marsmissionen aussteigt. Dazu gehört eine für 2018 geplante Landung eines Rovers auf dem Planeten, der Gesteine und Boden zur späteren Beförderung auf die Erde sammeln soll.
August 2012 - Im Kontrollzentrum in Kalifornien brachen Jubel und Applaus aus, als das unbemannte Erkundungsfahrzeug am 6. August um 7.32 Uhr (MESZ) im Gale-Krater nahe des Mars-Äquators aufsetzte. „Curiosity“ hat die Größe eines kleinen Autos und wiegt fast eine Tonne – viel mehr als „Spirit“ oder „Opportunity“. Daher gestaltete sich auch die Landung äußerst schwierig. Um die Wucht des Aufpralls abzufangen, wurde die Sonde von einer Art schwebendem, Raketen betriebenem Rucksack abgeseilt, die Halteseile bei der Landung gekappt und der Rucksack in einiger Entfernung zum Absturz gebracht.
Elf Kilometer über der Oberfläche des Planeten öffnet die Sonde einen Fallschirm, der sie auf 300 Stundenkilometer abbremst. Dabei wirken Kräfte auf die Raumsonde, die kein Mensch überleben würde. In eineinhalb Kilometern Höhe lösen Sprengkapseln den Fallschirm und ein so genannter Skycrane, eine Raketendüsenplattform, bremst den Anflug weiter ab, während darunter der Marsrover an einem Seil abgelassen wird. Wenige Sekunden später setzt das Fahrzeug auf dem Sandboden auf und kappt die Verbindung zu seinem fliegenden Kran. So lautet der Plan.