McKinsey-Studie Diese Innovationen entscheiden über Deutschlands Wohlstand

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Konkurrenz für Konzerne

Wichtigster Partner für das junge Unternehmen Streetscooter ist aber weiter die Post. Der Bonner Konzern verfügt über eine Flotte von rund 80 000 Fahrzeugen, die er modernisieren will. Das ehrgeizige Ziel: Bis 2020 möchte die Post ihre CO2-Bilanz gegenüber 2007 um 30 Prozent verbessern. Wenn die Streetscooter-Fahrzeuge dazu entscheidend beitragen können, bedeutet das auch für das Aachener Unternehmen so etwas wie einen Ritterschlag.

Einer der Treiber des Projekts ist Achim Kampker, 40-jähriger Professor für Produktionsmanagement an der RWTH. Er will unter anderen beweisen, dass sich kleine Serien für spezielle Einsatzzwecke, wie etwa der Lieferwagen für die Post, kostengünstig in Deutschland entwickeln und fertigen lassen. Mehr als 60 Mitarbeiter umfasst die Streetscooter GmbH mittlerweile – und wächst weiter.

Die kleine Firma rüttelt damit auch an den großindustriellen Strukturen der Autoindustrie, die mit mehr als zwei Billionen Dollar Gesamtumsatz jährlich zu den größten Branchen weltweit zählt.

Penetrante Figuren

Wer hätte gedacht, dass penetrante Fantasiefiguren wie Crazy Frog oder der Hase Schnuffel einmal so wichtig für den Standort Deutschland würden? Mit diesen und anderen Figuren warben vor rund zehn Jahren die Brüder Oliver, Marc und Alexander Samwer im Fernsehen für die Handyklingeltöne ihrer Firma Jamba. Das Trio gab damals mehr Geld für TV-Spots aus als der Fast-Food-Riese McDonald’s – eine Investition, die sich auszahlte: Die Gründer verkauften den Klingeltonanbieter für 273 Millionen Dollar an den US-Kommunikationskonzern Verisign.

Das Geschäft verschaffte ihnen die nötigen Mittel, um ihr Internet-Imperium aus dem Boden zu stampfen. Ihre Firmenschmiede Rocket Internet ist heute ein Zentrum der Berliner Gründerszene. Die Gebrüder schicken immer wieder neue Online-Firmen wie den Modehändler Zalando an den Start, dessen Kollektionen Kunden zunehmend auch mobil ansteuern. Andere Unternehmen setzen gleich ganz auf das mobile Internet. Payleven etwa macht Handys zu Kreditkartenlesern.

Vor allem aber ist Rocket die inoffizielle deutsche Gründeruni. Dutzende ehemalige Mitarbeiter der Talentschmiede haben eigene Start-ups gegründet. Einer der erfolgreichsten hat sein Handwerk sogar noch bei Jamba gelernt. Sieben Jahre war Jens Begemann bei der Klingeltonfirma, 2009 gründete er dann Wooga. Heute ist das Unternehmen mit 250 Mitarbeiter einer der führenden Entwickler von Computerspielen für Smartphones und Tablets.

Zauderer und Zögerer

Die dynamische Gründerszene ist laut McKinsey ein deutscher Trumpf im Bereich mobiles Internet. Allerdings ist die Vielfalt an Start-ups auch die einzige deutsche Stärke, an global führenden Großunternehmen oder Mittelständlern mangelt es dagegen. Auch bei den Aktivitäten von Forschungseinrichtungen und staatlicher Förderung gibt es Nachholbedarf.

Die Berater bescheinigen dem Standort Deutschland daher eine geringe Wettbewerbsfähigkeit. Ein wesentlicher Grund: Datenschutzbedenken und rechtliche Beschränkungen; das mobile Internet werde daher nur langsam eingeführt. Zudem gebe es keine eigene Technologiehoheit.

Dazu passend haftet selbst den erfolgreichsten deutschen Gründern das Image eines Klon-Kriegers an. Die Samwers sind dafür berüchtigt, erfolgreiche Geschäftsmodelle aus den USA zu kopieren.

Letztlich ist die Zahl global erfolgreicher Start-ups aus Deutschland begrenzt. Zu den international relevanten Entwicklern von Smartphone-Apps gehören etwa EyeEm, Konkurrent der Bilderplattform Instagram, oder 6Wunderkinder mit ihren To-do-Listen Wunderlist. Erst kürzlich benannten die Macher von iLiga ihre beliebte Fußball-App in Onefootball um. Damit wollen sie jenseits von Deutschland noch erfolgreicher werden – schon jetzt stammen 80 Prozent des Wachstums aus dem Ausland.

Zwar wächst allmählich das Interesse ausländischer Investoren und Konkurrenten an den hiesigen Unternehmen. So gab es in diesem Jahr schon einige Finanzierungsrunden in zweistelliger Millionenhöhe. Doch der große Exit eines deutschen Start-ups mit einer milliardenschweren Bewertung lässt noch auf sich warten.

Vorläufige Höhepunkte sind Übernahmen wie der Kauf von Skobbler, einem Berliner Entwickler von Karten- und Navigations-Apps für fast 24 Millionen Dollar durch einen US-Konkurrenten. Umgekehrt scheint kein deutscher Anbieter das Zeug dazu zu haben, durch Zukäufe zu einem globalen Marktführer aufzusteigen.

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