Medikamente Warum der Nocebo-Effekt so gefährlich ist

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Beratung und Aufklärung unabdingbar

Ärzte stecken in einem weiteren Dilemma: Zum einen haben sie die Pflicht, ihre Patienten über mögliche Risiken und Nebenwirkungen der Behandlung aufzuklären. Zum anderen wollen sie aber auch jedes Risiko einer medizinischen Behandlung minimieren, wozu auch die Vermeidung des Nocebo-Effekts zählt. Also müssen Ärzte den Mittelweg finden zwischen notwendiger Aufklärung und dem Zurückhalten bestimmter Informationen zum Schutz des Patienten.

„Unter Medizinern wurde die Bedeutung einer guten, wirkungsvollen ärztlichen Gesprächsführung in den letzten Jahren erkannt und sie wird zunehmend im Studium sowie in der ärztlichen Fort- und Weiterbildung berücksichtigt“, sagt Häuser. Beratung und Aufklärung ist und bleibt unverzichtbar, sind sich die Experten einig – egal ob Pflegepersonal, Mediziner oder Apotheker.

Arzt-Patient-Kommunikation

Dabei kommt es auf die Wortwahl und den Fokus des Gesprächs an: „Bei der Aufklärung von Kunden über mögliche Nebenwirkungen können Apotheker und PTA Nocebo-Effekte reduzieren, indem sie zum Beispiel bei häufigen Nebenwirkungen davon sprechen, dass 90 bis 99 Prozent der Anwender das empfohlene Arzneimittel gut vertragen, statt zu sagen, dass bis zu zehn Prozent der Anwender Nebenwirkungen verspüren“, sagt etwa der Apotheker Dr. Chalid Ashry.

Um Nocebo-Effekte zu vermeiden, wird zudem unter anderem der Ansatz des „erlaubten Verschweigens“ diskutiert. Dabei entscheidet der Patient bevor er ein Medikament verschrieben bekommt, ob er über leichtere Nebenwirkungen informiert werden möchte oder nicht. Bei schwerwiegenden Nebenwirkungen besteht diese Option allerdings rein rechtlich nicht – dort muss in jedem Fall eine Aufklärung stattfinden. Zudem gibt es die Idee, dass Patienten eine Liste möglicher Nebenwirkungen erhalten und dann entscheiden, über welche Nebenwirkungen sie aufgeklärt werden möchten.

„Da Nocebo-Effekte leichter zu erzeugen sind als Placebo-Effekte müssen die positiven Aspekte in der Beratung stärker betont werden. Sie werden vom Patienten im Gespräch meist weniger wahrgenommen als mögliche negative Aspekte“, sagt Apothekerin Ursula Hagedorn. Natürlich müssten aber auch mögliche Risiken eines Arzneimittels bedacht werden. „Bei häufig vorkommenden Nebenwirkungen hat der Patient ein Recht auf entsprechende Information“, so Hagedorn. „Ich muss nur darauf achten, dass der Nutzen sowie die Sicherheit und Verträglichkeit des jeweiligen Medikamentes klar und verständlich aufgezeigt und damit stärker betont werden als die potenziellen Nebenwirkungen.“

Eine sinnvolle Methode eine Nebenwirkung zu therapieren, die gar nicht da ist, gibt es nicht. Am Ende sind es also nur eine bedachte Wortwahl und Fingerspitzengefühl, die den bösen Zwilling des Placebos verhindern können.

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