Wenn aber mit einem Zehntel des Wirkstoffs dieselbe heilsame Wirkung erzielt werden kann, macht das Therapien preiswerter – und es schont Patienten und auch Umwelt. Die leidet mehr und mehr unter Medikamentenrückständen im Wasser.
Außerdem lässt sich über die Haut eine ganz gleichmäßige Wirkstoffgabe erzielen, "wie eine Tropf-Infusion", sagt Hartwig. Das führt dazu, dass ein Patient nicht nachts vor Schmerzen wach wird und eine neue Schmerztablette schlucken muss, um den Medikamentenspiegel wieder auf ein wirksames Maß anzuheben.
Für manche Therapien sind Pflaster auch die Rettung. Das Parkinson-Medikament Neupro des belgischen Pharmaherstellers UCB ist so ein Fall. Es ist der erste Pharmawirkstoff, der ausschließlich in Pflasterform vertrieben wird. Der Grund: Die Leber baut das an sich hochwirksame Medikament so gründlich und schnell ab, dass auf dem Weg über Mund und Magen nichts mehr im Körper ankommt. "Zum Glück hatte jemand bei UCB die Idee mit dem Pflaster", sagt Hartwig: "Ohne die Pflasterapplikation wäre die Substanz wie so viele andere im Mülleimer der Pharmaforschung gelandet."
Hartwig, der jahrelang die globale Pharmaforschung und -entwicklung des Leverkusener Chemiekonzerns Bayer leitete, weiß, dass das heute noch die Ausnahme ist. Pharmakologen würden einfach viel zu selten daran denken, dass Wirkstoffe sich auch auf die Haut kleben lassen.
Das macht die Wirkstoffgabe aber nicht nur einfacher, besser und preiswerter, es bietet auch ganz neue Möglichkeiten. So arbeiten die Forscher in Andernach auch daran, die Hautpflaster noch aktiver zu machen – und damit auch intelligenter.
Tatsächlich haben heutige Medikamentenpflaster nicht mehr das Geringste mit den Ursprungsmodellen zu tun. Das waren im Wesentlichen Wirkstoffe, die, in eine Art Teebeutel verpackt, auf die Haut geklebt wurden. Heute stecken die Substanzen dagegen in High-Tech-Kunststoffen, die ganz fein dosiert Wirkstoffe abgeben.
Doch längst nicht jedes Wirkstoffmolekül bewegt sich von allein und ohne technische Hilfe durch die Haut, das wissen auch die Forscher in Andernach.
Eine ganz neue Herausforderung stellen sehr große Moleküle wie Antikörper gegen Krebs oder Impfstoffe dar. Sie müssen mithilfe von kleinen Strom- oder Laserpulsen durch die Haut bugsiert werden. Diese Pflaster müssen dann auch eine super-dünne Batterie mit sich tragen.
Solch ein System der neuesten Generation entwickelt LTS gerade für das US-Unternehmen Nupathe aus der Nähe von Philadelphia für Migränekranke. Sie sind besonders abhängig davon, dass eine ständig gleichbleibende Menge ihres Migräne-Medikaments im Körper vorhanden ist. Nur so kann der Wirkstoff die Anfälle von stechenden Kopfschmerzen und Übelkeit unterdrücken und verhindern.
Der Clou wäre jetzt noch, wenn solche Pflaster auch Signale empfangen und speichern könnten, etwa ob der Patient genügend Wirkstoff im Körper hat.
Tatsächlich hat das kalifornische Unternehmen Proteus Digital Health solch einen Datenempfänger in Pflasterform im Sommer auf den Markt gebracht: Die Patienten müssen nur noch einen Minisensor schlucken, der den Wirkstoffspiegel im Körper misst und die Ergebnisse dem Pflaster meldet. So kann etwa der Arzt kontrollieren, ob sein Patienten gut eingestellt ist und die richtige Dosis des Mittels schluckt.
Auch für die Kranken wird das Leben viel einfacher: Haben sie einmal die Pille vergessen, simst ihnen ihr intelligentes Digital-Pflaster eine Erinnerung aufs Handy.