Medizin Wenn KI beim Herz-Ultraschall hilft

Computerintelligenz hilft nun auch beim Herz-Ultraschall. Quelle: Presse

Künstliche Intelligenz erkennt bereits zuverlässig Krebs. Das Silicon-Valley-Start-up eines deutschen Physikers will das für Herzkrankheiten erreichen. Zunächst soll der Gebrauch von Herz-Ultraschall einfacher werden.

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Dass Künstliche Intelligenz mittlerweile beim Erkennen von Krebs Spezialisten nicht nur das Wasser reichen, sondern sogar übertreffen kann, haben mehrere wissenschaftliche Studien bestätigt. Die Maschinen werden immer besser. „Vor sechs Jahren waren Computer fast blind, jetzt können sie in manchen Fällen besser als Menschen „sehen“, sagt Jeff Dean, der bei Google die Sparte für Künstliche Intelligenz leitet. „Beispielsweise beim Auswerten von Scans auf Lungenkrebs, wo man sehr leicht Anzeichen übersehen kann, die ein Computeralgorithmus trotzdem identifiziert“.

Es ist ein ungleicher Wettlauf. Die Maschinen kennen keine Müdigkeit und Überarbeitung. Die immer schneller werdende maschinelle Intelligenz wird mit immer mehr Vergleichsbildern gefüttert, weitaus mehr als selbst ein Spezialist mit jahrzehntelanger Erfahrung in seiner Karriere zu sehen bekommt. Andererseits ist es kein Wettrennen. Denn der Einsatz der Computerintelligenz ist dafür gedacht, den Spezialisten die Arbeit zu vereinfachen und grenzwertige Aufnahmen leichter herauszufischen. Parallel werden die CT- und MRI-Aufnahmen immer besser. Dutzende von Jungunternehmen tummeln sich im Bereich Krebserkennung.

Kilian Koepsell ist einen anderen Weg gegangen. Auch er ist Spezialist für Bilderkennung. Aber der Doktor der Physik hat sich dem Herzen verschrieben. 2013 gründete der gebürtige Deutsche gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Charles Cadieu, einem Neurowissenschaftler, im Silicon Valley das Start-up Bay Labs, inzwischen in Caption Health umbenannt. Das Duo hatte zuvor sein Unternehmen IQ Engines, das Inhalte von Fotos automatisch identifizierte, an Yahoo verkauft.

Das Start-up Caption Health will die Medizin revolutionieren. Quelle: Presse

Caption Health fokussiert sich auf die Ultraschalluntersuchung des Herzens. Genauer gesagt darauf, diese so zu vereinfachen, dass sie besser eingesetzt werden kann und Spezialisten entlastet.

Die Echokardiographie ist eine der wichtigsten nichtinvasiven Untersuchungen des Herzens. Sie zeigt via Schallwellen die Beschaffenheit und Größe des Herzens an, gibt Aufschluss über seine Durchblutung und hilft so beim Erkennen von Herzmuskelentzündung, Herzrhythmusstörungen, Vorhofflimmern oder drohendem Herzinfarkt. Seit Mitte der Sechzigerjahre hat sie sich in deutschen Arztpraxen etabliert. Die Geräte sind über die Jahre besser geworden. Aber das richtige Anlegen des Ultraschallkopfes und die daraus resultierenden Bilder erfordern immer noch einige Expertise. „Wir haben uns vorgenommen, das drastisch zu vereinfachen, damit praktisch jeder nach kurzer Unterweisung damit zurechtkommt“, sagt Technologiechef Koepsell, der vor fünfzehn Jahren nach Kalifornien übersiedelte. Das Produkt des Duos ist eine Software, die nicht nur vorgibt, wo der Schallkopf je nach Körperbau des Patienten am Brustkorb angelegt werden muss, sondern dann auch die besten Aufnahmen empfiehlt.

Stets nach den Sternen zu greifen und große Dinge zu versprechen, ist im Silicon Valley ein Muss, besonders bei Unternehmen, die mit Wagniskapital finanziert sind. Caption Health, das mit einem Forschungszuschuss von 150.000 Dollar startete, hat bislang 18 Millionen Dollar eingesammelt, darunter namhafte Investoren wie Khosla Ventures und Georges Harik, einer der ersten Ingenieure von Google. Doch nach dem Debakel mit dem Blutanalyse-Start-up Theranos sind Investoren und Öffentlichkeit kritischer gegenüber Ankündigungen von Medizin-Start-ups geworden.

Caption Health hat zumindest kürzlich drei wichtige Meilensteine genommen. Die US-Arzneimittelbehörde hat der Software des Start-ups den sogenannten „breakthrough-device status“ erteilt. Er wird verliehen, damit neue Produkte, die die Experten der Behörde für wichtig erachten, rascher klinisch getestet und bei Erfolg schneller zugelassen werden können. Im Rahmen dieses Sonderstatus wurde die Caption-Health-Software am Herzinstitut von Minneapolis und dem Universitätsklinikum der Northwestern Universität getestet.

Die Probanden waren acht Krankenschwestern, die keinerlei Erfahrung mit Herz-Ultraschall hatten. Nach kurzem Trainingskurs musste jede der Schwestern dreißig Patienten untersuchen, mit unterschiedlichstem Körperbau und Herzbeschwerden. Von jedem Patienten wurden zehn Ultraschall-Bilder aufgenommen. Ein Panel aus fünf Kardiologen beurteilte danach, ob die Bilder für die weitere Beurteilung taugten. Die Studie sollte zeigen, dass mehr als achtzig Prozent der 240 Untersuchungen diesen Test bestanden. „Wir haben ihn weit übertroffen, bei der linken Herzkammer um bis zu 98,8 Prozent“, freut sich Koepsell. Bei der rechten Herzkammer, die schwieriger zu fotografieren ist, waren es 92,5 Prozent.

„Das ist eine grundlegende Studie des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz in der Medizin und sie sieht vielversprechend aus“, ist Kardiologe Akhil Narang von Northwestern Medicine überzeugt, der die Studie verantwortete. Noch ist sie nicht öffentlich, sie soll Anfang nächsten Jahres veröffentlicht werden. Aber Caption Health konnte schonmal einen hochkarätigen CEO verpflichten. Andy Page half einst Anne Wojcicki, der Ex-Ehefrau von Google-Gründer Sergey Brin, das Genanalyse-Start-up 23andMe zu etablieren und beriet sie in der heißen Phase, als die FDA dem Unternehmen die Interpretation der Ergebnisse untersagen wollte. Zuletzt beriet er den Samsung-Konzern beim Investieren von Wagniskapital.

Wie schnell die Software auf den Markt kommt, hängt nicht nur von der FDA, sondern auch den Anbietern von Ultraschallgeräten ab. Das US-Unternehmen Terason, ein Pionier bei portablen Ultraschallgeräten, hat man bereits als Partner gewonnen. Man erwartet die Zulassung in den USA Anfang nächsten Jahres, ein paar Monate später für Europa.

Cadieu und Koepsell arbeiten derweil an der nächsten großen Herausforderung. Nach der einfacheren Bedienung von Herz-Ultraschall wollen sie mit Hilfe von maschineller Intelligenz das Interpretieren der gewonnenen Aufnahmen vereinfachen. Noch ist Caption Health mit seinem Ansatz ziemlich einzigartig. Ein Wettbewerber ist Butterfly Network, das ein mobiles Ultraschallgerät entwickelt, das auch mit Künstlicher Intelligenz hochgerüstet ist. Es fokussiert jedoch darauf, portable Ultraschallgeräte günstiger zu offerieren. Sein Butterfly iQ Scanner kostet 2000 Dollar plus eine jährliche Nutzungsgebühr von 420 Dollar und nutzt zur Darstellung der Bilder Smartphones. Das Unternehmen aus Guilford im US-Bundesstaat Connecticut, an dem auch Bill Gates Stiftung beteiligt ist, wird bereits mit 1,25 Milliarden Dollar bewertet.

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