Medizintechnik Wenn der Maschinen-Mensch die Natur übertrumpft

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Gehirnstimulation durch Hirnschrittmacher

Cyborg wider Willen - Mit dem Hirnimplantat kann Helmut Dubiel Stimmungen steuern Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche

Ein zweites Projekt ist noch ambitionierter: Eine leitfähige Kopfkappe soll die Hirnströme von Menschen durch Elektrostimulation beeinflussen – und damit die Hirnleistung wesentlich steigern. Noch arbeiten die Körper-Knacker aber am technischen Design ihrer Thinkcap. Ist die Denkkappe erst fertig, könnte sie dem Träger wahre Geistesblitze verschaffen, hoffen Cannon und seine Mitstreiter. Wie dauerhaft und wie stark der Effekt dann sein wird, ist allerdings noch nicht klar.

Dass die Stimulation von Gehirnregionen nicht einfach ist, haben allerdings schon zahllose Forscher feststellen müssen. Auch Wissenschaftler des US-Medizintechnikherstellers Medtronic. Der Konzern ist einer der führenden Anbieter von Schrittmachern, sowohl für das Herz, aber auch für das Gehirn. Doch selbst bei zugelassenen Produkten ist nicht immer ganz klar, wie sie genau funktionieren – und warum eine tief ins Gehirn vorgeschobene Elektrode bei einem Patienten Parkinson-Symptome wie Zittern ohne Nebenwirkungen unterdrückt, beim anderen aber nicht.

Das Versuchskaninchen

So kam sich Helmut Dubiel einst vor wie ein Versuchskaninchen, als er vor zehn Jahren einen solchen Hirnschrittmacher implantiert bekam. Den Soziologie-Professor aus Frankfurt hatte die Parkinson-Krankheit ungewöhnlich früh getroffen. Mit 46 Jahren wurde sie bei ihm diagnostiziert. Damals stand er kurz davor, das renommierte Frankfurter Forschungsinstitut, das einst Adorno und Horkheimer geleitet hatten, als Direktor zu übernehmen. Doch die Krankheit, die ihn mal lähmte, mal schüttelte, machte ihn öffentlich unmöglich und ruinierte seine Karriere.

Die am häufigsten falsch behandelten Krankheiten
Platz 10: Uterus myomatosusKnapp zwei Drittel aller Fehler, die von den Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Bundesärztekammer anerkannt wurden, ereigneten sich in Krankenhäusern. Auf Platz 10 der dort am häufigsten fehlbehandelten Krankheiten ist Uterus mymatosus. Dahinter verbergen sich Myome der Gebärmutter, die am häufigsten gutartigen Tumore bei Frauen. 21 Mal behandelten Krankenhaus-Ärzte diese Krankheit vergangenes Jahr falsch.Woran die zahlreichen Fehler in Krankenhäusern liegen, hat die WirtschaftsWoche bereits im April analysiert. Quelle: Fotolia
Platz 9: Gallenstein23 Mal wurden in Krankenhäusern Gallensteine, also Cholelithiasis, falsch behandelt. Quelle: Fotolia
Platz 8: Oberflächliche VerletzungenWunden und Schrammen wurden in deutschen Krankenhäusern 26 mal falsch behandelt – womit sie auf Platz 8 landen. Bei Fehlbehandlungen in Arztpraxen erreichen oberflächliche Verletzungen Platz 10. Niedergelassene Ärzte behandelten sie nur zehn Mal falsch. Quelle: REUTERS
Platz 7: HandfrakturKnochenbrüche an der Hand behandelten Krankenhausärzte vergangenes Jahr 30 Mal falsch. Damit erreichen Handfrakturen Platz 7. Bei Fehlbehandlungen durch niedergelassene Ärzte erreichen Handfrakturen Platz 8. Sie behandelten diese Knochenbrüche zwölf Mal falsch. Quelle: dapd
Platz 6: Schulter- und OberarmfrakturNur einmal mehr fuschten Krankenhaus-Ärzte bei Brüchen an Schulter und Oberarm: Hier gab es 31 Fehlbehandlungen. Bei niedergelassenen Ärzten kommen  Fuschereien in diesem Bereich gar nicht in den Top 10 vor. Quelle: Fotolia
Platz 5: Unterschenkel- und SprunggelenkfrakturGanze 21 Mal häufiger wurden Brüche an Unterschenkel- und Sprunggelenken falsch therapiert. Hier gab es in deutschen Krankenhäusern 52 Fehlbehandlungen. In Praxen gab es bei Unterschenkel- und Sprunggelenkfrakturen sogar mit 15 Fällen die zweithäufigsten Fehlbehandlungen. Quelle: dpa-tmn
Platz 4: OberschenkelfrakturMit 63 Fuschereien in Krankenhäusern landen Oberschenkelfrakturen auf Platz 4. In niedergelassenen Praxen kommen Oberschenkelfrakturen nicht in den Top 10 der Fehlbehandlungen vor. Quelle: dpa

Zwar lehrte er an der Universität Gießen weiter und versuchte die Symptome mit Medikamenten zu unterdrücken. Als diese nicht mehr wirkten, ließ er sich auf jeder Seite des Körpers einen Hirnschrittmacher einsetzen. Steuerung und Batterie der Implantate wurden unter den Schlüsselbeinen platziert, die Elektroden reichen bis ins Gehirn – in einen Bereich, der für das typische Zittern und Verkrampfen von Parkinson-Kranken zuständig ist. Mithilfe von elektrischen Impulsen lassen sie sich wieder unter Kontrolle bekommen.

Er wurde unfreiwillig zum Cyborg, der mithilfe eines Schalters, der Frequenz und Stärke der Impulse verändert, sowohl seine Körperfunktion als auch seine Befindlichkeit steuern konnte. Doch das war nicht die einzige Wirkung, wie Dubiel 2006 in seinem Buch „Tief im Hirn“ schreibt.

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