Medizintechnik Herzinfarkte aus den Arterien bürsten

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Unblutige Tests

Das anatomische Modell eines Menschen. Quelle: dpa

Die deutsche Medizintechnikbranche könnte mit der entschärften Form der Verordnung gut leben. Denn sie würde die vielen neuen Unternehmen nicht ausbremsen, die in jüngster Zeit entstanden sind. In die investieren Beteiligungsgesellschaften wie die LSP Life Sciences Partners aus Amsterdam oder die Tübinger SHS Gesellschaft für Beteiligungsmanagement derzeit bevorzugt ihr Geld – lieber noch als in Biotechnikfirmen. Den Grund nennt SHS-Gründer und Geschäftsführer Bernhard Schirmers: „Die Medizintechnik boomt – und diese Produkte sind viel schneller auf den Markt zu bringen als etwa ein neues Medikament gegen Krebs oder Alzheimer.“ Würden Medizinprodukte wie Medikamente zugelassen, fehlte hingegen den meisten Startups die finanzielle Basis, den Nutzen ihrer Erfindungen in jahrelangen klinischen Tests zu beweisen. So aber dürfte die Branche weiter wachsen. Wie vielHochinnovatives sie zu bieten hat, zeigt ein Besuch bei ihren spannendsten Vertretern.

Um festzustellen, ob ein Mensch krank ist, zapfen Ärzte schon seit jeher allerlei Körpersäfte ab. Aus Blut etwa lässt sich sehr gut ablesen, ob Patienten an einer Entzündung leiden oder ob ihnen ein Herzinfarkt droht. Seit Jahren verdient deshalb kaum eine Fachärztegruppe so viel wie die Labormediziner, die sich auf solche Analysen von Blut-, Urin-, Speichel- oder Gewebeproben spezialisiert haben. Denn die meisten dieser Untersuchungen sind sehr zeit-, personal- und kostenaufwendig. Drastisches Einsparpotenzial bietet hier eine völlig neue Analysetechnik, die das Regensburger Unternehmen Numares entwickelt hat. Es wird unter anderem von SHS finanziert. Die heute 50-köpfige Ausgründung des Regensburger Instituts für Biophysik untersucht mithilfe von Kernspintomografen im Blut oder Urin die Abbauprodukte des Körperstoffwechsels.

Starke Branche: Wie der Umsatz deutscher Medizintechnikhersteller gewachsen ist (zum Vergrößern bitte anklicken!).

Dazu wird die Probe in das starke Magnetfeld einer Kernspinröhre geschoben. Derselbe Effekt, der durch die Veränderung der Drehrichtung von Wasserstoffatomen Bilder aus dem Körperinneren des Menschen produzieren kann, erlaubt nun auch genaue Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand – etwa darauf, ob und wie viel gutes oder schlechtes Cholesterin im Blut eines Patienten schwimmt. Das geht mit der neuen Technik sehr schnell. Und außerdem können, anders als bisher, weit über 100 Substanzen in einem einzigen Testlauf gemessen werden, sagt Numares-Chef Volker Pfahlert. Der Vorteil dabei: „Wir können ein Abbild des menschlichen Stoffwechsels erstellen und die für die Diagnose von Erkrankungen spezifischen Muster gezielt messen.“ Pfahlert vergleicht den kranken Körper mit einem Orchester, das unsauber spielt: Habe man bisher nur nach einzelnen, falschen Tönen gesucht, könne das neue Verfahren mit seiner Gesamtschau Disharmonien des gesamten Organismus aufdecken. Das hilft auch jenen Menschen, die eine Spenderniere eingepflanzt bekamen. Ob der Körper gerade dabei ist, das fremde Organ abzustoßen oder nicht, ließe sich mit der Numares-Technik ganz unblutig per Urintest feststellen. Das habe eine Zwischenauswertung von noch laufenden klinischen Tests ergeben, freut sich Pfahlert. Bisher müssen Ärzte dazu aufwendig und mit hohem Risiko für den Patienten Gewebeproben aus dem Körper entnehmen.

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