Mensch gegen Maschine Ohne Mensch geht es nicht – ohne Roboter auch nicht

Wer wird in Zukunft Entscheidungen treffen, Menschen oder Maschinen? Es wäre dumm, nur auf künstliche Intelligenz zu vertrauen. Trotzdem lässt sie uns mehr Freiraum für Kreativität, meint unser Gastautor.

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Donald Farmer Quelle: PR

In den Fünfzigerjahren eröffnete der Autokonzern Ford ein hochautomatisiertes Werk in Cleveland. Ein Manager der Firma machte mit dem Gewerkschaftsführer Walter Reuther einen Rundgang durch die Fabrik. „Wie werden Sie die Maschinen dazu bringen, Gewerkschaftsbeiträge zu zahlen?“, fragte der Manager. Reuther antwortete schlicht und einfach: „Wir werden Sie Maschinen dazu bringen, Autos zu kaufen?“

Die Anekdote verdeutlicht, dass Robotik und künstliche Intelligenz traditionell Bedenken und Kritik auf sich ziehen – sowohl auf wirtschaftlicher als auch gesellschaftlich-moralischer Ebene. Einerseits geht es dabei um Fragen der körperlichen Sicherheit: Vertrauen wir künftig blind auf die Intelligenz unserer Autos im Straßenverkehr? Andererseits sorgen wir uns um die Zukunft unserer Jobs: Werden wir bald überflüssig?

Für einige Branchen trifft das mit Sicherheit in den nächsten Jahrzehnten zu – einige Internetseiten können angeblich sogar die Wahrscheinlichkeit berechnen, ob der eigene Job künftig durch einen Roboter ersetzt wird.

Androiden im Anmarsch

Und tatsächlich: Algorithmen werden immer besser darin, selbst komplexe Probleme zu lösen. Schon bald wird die entscheidende Fragestellung also lauten: Wer wird in der Zukunft Entscheidungen treffen? Mensch oder Maschine? Und falls Algorithmen die Entscheidungsgewalt übernehmen, was passiert dann mit unseren Jobs?

Entscheidung ist nicht gleich Entscheidung

Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir zunächst zwischen den verschiedenen Formen von Entscheidungen differenzieren. Und dabei fällt auf: Einige davon sind sehr gut dafür geeignet, durch maschinelle Intelligenz automatisiert zu werden. Andere Entscheidungen werden auch in vielen Jahren noch von Menschen getroffen werden.

Das Feld der Business Intelligence (BI) beschäftigt sich damit, Daten zu analysieren, um damit bessere Geschäftsentscheidungen zu treffen. BI-Experten unterscheiden zwischen drei Arten von Entscheidungen:

1. Operative Entscheidungen: Sie sind recht einfach und von vergleichsweise kleiner Tragweite. Sie haben kaum Auswirkungen für ein Unternehmen, sondern beantworten eher simple Fragen. Wie sollte auf eine bestimmte Fehlermeldung reagiert werden? Welcher Anbieter wird für eine bestimmte Bestellung beauftragt? Wird dem Kunden ein Kredit gewährt?

2. Taktische Entscheidungen: Sie können operative Entscheidungen beeinflussen. Dabei geht es um Fragen wie: In welcher Zeit sollen Fehlermeldungen spätestens behoben werden? Welche Anbieter sind zu bevorzugen? Wie viel Geld wird in Form von Krediten in diesem Quartal gegeben?

3. Strategischen Entscheidungen: Sie sind untrennbar mit taktischen Entscheidungen verbunden. Nehmen wir an, eine Software generiert zu viele Fehlermeldungen. Ist es notwendig, zu einem neuen System zu wechseln, auch wenn das teuer wird? Werden Komponenten selbst produziert oder eingekauft? Sollte man sich auf Unternehmensdarlehen fokussieren oder lieber in inländische Hypotheken investieren?

Durch diesen Dreiklang wird klar: Die unterschiedlichen Entscheidungsebenen sind stark miteinander verknüpft. Und je tiefer man bohrt, umso komplexer werden sie.

Operative Entscheidungen haben eine klare Struktur. Sie wiederholen sich, haben in sich selbst jedoch einen geringen Wert. Deshalb eignen sie sich besonders gut für Automatisierung und künstliche Entscheidungsfindung.

Nehmen wir zum Beispiel die Bearbeitung und Vergabe von Krediten. Sie wird künftig höchstwahrscheinlich von einem Computer übernommen. Allerdings gibt es eine entscheidende Einschränkung.

Kaum ein Thema regt die Fantasie so an, wie der Roboter. Die automatischen Helfer sind vielfach schon im Einsatz. In den verschiedensten Bereichen, vom Krankenhaus bis zur Fabrik, werden sie zum Assistenten des Menschen....

Werden Ein- oder Ausgänge falsch verarbeitet, kann dies gravierende und vor allem kostspielige Folgen haben. Im großen Ausmaß wurde dies 2007/2008 in der Hypothekenkrise in den USA sichtbar, deren Auswirkungen auch auf internationalen Finanzmärkten spürbar waren. Insgesamt ist jedoch die Tragweite von operativen Entscheidungen eher gering.

Nicht ohne Menschen

Strategische Entscheidungen dagegen sind oftmals vage und komplex. „Richtig-oder-falsch“-Antworten sind dabei nicht immer möglich. Deshalb sind sie auch menschlicher Entscheidungskraft vorbehalten.

Niemand wird einen Roboter entscheiden lassen, welche neuen Märkte erschlossen werden oder welches Unternehmen akquiriert werden soll. Oder denken Sie an die Versuche, Krankheiten und Epidemien mithilfe künstlicher Intelligenz einzudämmen: Datenanalysen können zwar dabei helfen vorherzusagen, wo es zum nächsten Ebola-Ausbruch kommt. Die konkreten Folgen hingegen liegen in unserer Entscheidungsmacht und Verantwortung.

Sollten wir uns also Sorgen machen, dass operative Entscheidungen künftig nur noch von automatisierten Systemen getroffen werden?

Vergessen wir nicht: Wir sind diejenigen, die die Kontrolle innehaben. Wir können entscheiden, welche Entscheidungen von wem getroffen werden. Maschinen können nur das tun, was wir ihnen sagen.

Welche Assistenzsysteme es schon gibt und wann Roboter das Steuer komplett übernehmen

Künstliche Dummheit

Tatsächlich mache ich mir weniger Sorgen über künstliche Intelligenz als über künstliche Dummheit. Menschen überlassen Entscheidungen zu oft Maschinen, obwohl wir es eigentlich besser wissen sollten.

Wir alle haben von Autofahrern gehört, die blind auf ihr Navi vertrauen und mitten auf einen See zu steuern oder auf dem Gleisbett landen. Handeln und entscheiden Menschen, so berechnen wir deren Fehler mit ein. Sitzt eine Maschine am Hebel, erwarten wir Perfektion.

Das wird zum Beispiel an den Diskussionen sichtbar, die im Zuge schwerwiegender Unfälle im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz passieren. Wer trägt die Schuld? Roboter oder selbstfahrende Autos sind eben doch nur so intelligent wie der Mensch, der sie programmiert (oder der Mensch, mit dem sie interagieren).

Aber: Wenn menschliche und künstliche Intelligenz zusammenarbeiten, sind diese in Kombination erstaunlich mächtig. Wir Menschen müssen Maschinen als Werkzeug verstehen und nutzen. Wir sind die Herren unserer Technologie, nicht ihre Diener. 

Kreativität und Innovation

Außerdem gibt es noch einen Bereich, in dem Menschen künstlicher Intelligenz überlegen sind: Kreativität. Uns ist es möglich, außergewöhnliche Entscheidungen zu treffen, die andere überraschen.

Wir sind auch in der Lage, scheinbar falsche Entscheidungen zu treffen, weil sie uns in der Situation richtig erscheinen. Nebenbei bemerkt ist der „Mut zum Andersdenken“ auch genau das, was uns einzigartig macht. Oder wie bereits das Marketing-Genie Paul Arden sagte: “If you always make the right decision, the safe decision, the one most people make, you will be the same as everyone else.” Wenn du immer die richtige Entscheidung triffst, die sichere, die die meisten Menschen treffen, bist du wie alle anderen.

Kreativität verlangt von uns, Risiken einzugehen. Das bedeutet auch, sich auf Entscheidungen einzulassen, die zunächst falsch erscheinen. Und nun versuchen Sie mal, einen Computer mit dieser Fähigkeit zu programmieren!

Künstliche Intelligenz ist ein spannendes und vielversprechendes Thema. Aber sie ist im Vergleich zur menschlichen Fähigkeit nur begrenzt dazu befähigt, mit vagen, schwierigen und komplexen Entscheidungen umzugehen.

Werden unsere Jobs in der Zukunft durch Roboter und künstliche Entscheidungsfindung ersetzt? Wohl kaum. Vielmehr wird unsere Arbeit interessanter, effizienter und kreativer. Und das nicht, obwohl wir Seite an Seite mit künstlicher Intelligenz zusammenarbeiten – sondern gerade deswegen.

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